Digitales verbindet Diagnostik und Therapie
Viele computergestützte Hilfsmittel für die Zahnmedizin sind bis heute Insellösungen. So existieren CAD/CAM- Systeme meist als Paralleluniversum im zahntechnischen Labor. Auf dem Bildschirm verfügbare Röntgenaufnahmen haben keine Verbindung zu den zahn- oder implantatgestützten Restaurationen, und digital erhobene Funktionsbefunde finden nicht den Weg zur gefrästen Schiene. Dafür sorgten bisher Anbieter mit abgeschirmten Systemen. Aber auch viele zahnärztliche Anwender mieden die neuartige, als unbequem oder bedrohlich empfundene Technik.
Dabei geht es nicht primär um Datensätze für die Erstellung von Einzelkronen, sondern um einen grundlegenden Wandel. In der Medizin werden zunehmend diagnostische Bild-, Labor- und andere Daten miteinander verknüpft und sind für den interdisziplinären Austausch verfügbar – zum Nutzen des Patienten. In der ZahnMedizin lassen sich entsprechend Informationen zum Beispiel aus Röntgendiagnostik und Funktionsanalyse kombinieren. Das am Bildschirm darstellbare stomatognathe System dient als diagnostische Basis. Von dieser ausgehend lassen sich restaurative, funktionelle oder auch orthodontische Behandlungen planen.
Noch vor wenigen Jahren war ein Mobiltelefon vor allem zum Telefonieren da. Aktuelle Smartphones können filmen, navigieren und vieles mehr, die Telefonie tritt beinahe in den Hintergrund. Für den Aachener Prothetiker Prof. Sven Reich könnte Intra-oralscannern eine ähnliche Karriere bevorstehen. Im Gegensatz zu aktuellen Smartphones werden die Spezialkameras jedoch immer kleiner (Abbildung 2). Die neueste Gerätegeneration (zum Beispiel 3M Espe, Carestream, Sirona, 3Shape/Heraeus) liefert zudem – für quadrantenbezogene Restaurationen – bereits ebenso exakte Ergebnisse wie „analoge“ Abformungen mit elastomeren Materialien [Güth, 2013; Ng, 2014].
Auch Ganzkiefer-Scans sind nach In-vitro-Untersuchungen mit einzelnen Produkten bereits sehr präzise und können zum Beispiel für die Kieferorthopädie verwendet werden (3Shape). Weiterhin werden einzelne Produktsysteme für die Kombination mit Scannern geprüft (validiert), zum Beispiel Lingual-Brackets und orthodontische Aligner (3M Espe). Zu prothetischen Ganzkiefer-Versorgungen auf der Basis digitaler Abformungen liegen bereits erste klinische Patientenbeispiele vor [Kattadiyil, 2014; Lin 2014]. Die Präzision implantatgetragener Prothetik, die über kleinere Brücken hinausgeht, wird aber noch kritisch gesehen [Andriessen, 2014].
Smart im Sinne von Mobiltelefonen werden Intraoralscanner aber erst durch weitere Funktionen. Die Kontrolle der Präparation kann bereits beim Scannen am Bildschirm erfolgen. Neben der material-spezifischen Schichtstärke der geplanten Krone oder Brücke lässt sich so auch die gemeinsame Einschubachse mehrerer Pfeiler prüfen (3Shape/Heraeus) (Abbildung 3). Relativ neu ist die Idee, Intraoralscanner zugleich als farbtüchtige Kamera zu ver-wenden. Farbige Scans erleichtern es dem Anwender, Hart- und Weichgewebe zu unterscheiden und so die Präparationsgrenze korrekt aufzufinden.
Rezessionen sichtbar machen
Der Schritt weg von monochromatischen Scans hin zur Farbe ermöglicht neuerdings auch eine digitale Farbbestimmung und hochauflösende Fotos (3Shape/Heraeus) (Abbildungen 4a und 4b). Ohne zusätzlichen instrumentellen Aufwand werden diese Schritte in die Abformung integriert, was die Kommunikation mit dem Zahntechniker erleichtert. Doch optische Systeme haben nicht nur in der Therapie großes Potenzial, sondern auch bei der Diagnostik und bei der Dokumentation. So können durch die Überlagerung zeitversetzter Aufnahmen zum Beispiel gingivale Rezessionen im Verlauf einer Parodontaltherapie oder die Entwicklung des Gingivaverlaufs nach Kronenversorgungen optisch dargestellt werden (Cerec Software-Applikation OraCheck, Cyfex) (Abbildung 5). Ein „digitaler intraoraler Status“ ersetzt das Gipsmodell, wodurch sich nicht nur in der Kieferorthopädie viel Platz sparen lässt.
Intraorale Kamerasysteme, die kleinen Brüder der Intraoralscanner, decken andere diagnostische Bereiche ab, etwa in der Patientenkommunikation oder in der Zahnerhaltung. Mit fünf Wechselköpfen umfasst das VistaCam Ix System (Dürr Dental) seit der letzten IDS eine Intraoralkamera mit Makrofunktion, eine fluoreszenzoptische Kariesdiagnostik für Approximal- und Glattflächen und eine Polymerisationslampe (Abbildung 6). Vielleicht wird es bald Systeme geben, die eine intraorale Kamera mit Scan-Funktion enthalten.
Einen neuen Weg, mit der Intraoralkamera ermittelte Befunde in die Patientenakte zu überführen, zeigt ein noch in Entwicklung befindliches Verfahren auf (Sirona). Dabei werden aufgenommene Bilddaten software-technisch mit gesprochenen Befundinformationen verknüpft. Diese müssten sonst von einer Assistenzkraft per Hand aufgeschrieben oder eingetippt werden. Mit einer neuen Minicomputer-Brille ist dieses Prinzip bereits realisiert (Gerhó) (Abbildung 7).
Das Gerät kommuniziert mit dem Praxiscomputer und ist vergleichbar mit Google Glass. Mit einfachen Sprachbefehlen werden zum Beispiel Röntgenbilder angezeigt oder Fotos mithilfe der integrierten Kamera aufgenommen.
Die Stuhlassistenz kann sich auf andere Aufgaben konzentrieren. Das Produkt ist zunächst nur auf dem italienischen Markt erhältlich, wird aber auf der IDS zu sehen sein.
Bewegte Bilder in Funktion
Zurück zum Thema Restauration: Sind die mit Intraoralscannern gewonnenen Daten erst einmal digitalisiert, kommt Bewegung in die Technik. Neben den Zahnreihen wird – anstelle eines Bissregistrats – von bukkal auch die Lagebeziehung der Zahnreihen aufgezeichnet. Mit virtuellen Artikulatoren können jetzt am Bildschirm realdynamische Bewegungen simuliert werden [Mehl, 2012].
Hierfür werden in der Software die gleichen Annahmen getroffen, die der Zahntechniker beim Einartikulieren von Gipsmodellen trifft. Die virtuellen Kiefer werden mithilfe von Kauebene, Bonwill-Dreieck und Balkwill-Winkel mittelwertig einer Scharnierachse zugeordnet. Anhand dieser Annahmen wird auch ein funktionelles Bissregistrat simuliert, das den Einfluss der dynamischen Okklusion berücksichtigt.
Für Einzelkronen und kleine Brücken ist der diagnostische Nutzen von Mittelwert- und teiljustierbaren Artikulatoren vergleichbar. Entsprechend hat auch die Integration eines Gesichtsbogens in den digitalen Arbeitsfluss – wie in der analogen Technik – nur geringen Einfluss auf die Genauigkeit. Für diese Fälle, die einen Großteil im Behandlungsalltag ausmachen, funktioniert der digitale Artikulator bereits [Mehl, 2012]. Volljustierbare Artikulatoren virtuell zu simulieren ist dagegen noch schwierig, da die digitale Gesichtsbogenübertragung aufwendig ist. Eine interessante Lösung ist ein System, bei dem radiologische Daten aus dem DVT mit funktionsanalytischen Daten kombiniert werden (Sicat) (Abbildung 8).
Auch eine Michigan-Funktionsschiene lässt sich aus den Datensätzen konstruieren und im CAM-Verfahren schleifen (Sirona). Im Vergleich zur analogen volljustierbaren Technik erscheint dies kaum aufwendiger, hat jedoch den Haken, dass ein DVT mit entsprechender Strahlenbelastung erstellt werden muss.
Wer auf eine DVT-Einbindung verzichten möchte, kann mit ultraschallbasierten Systemen arbeiten, die die Position der Kiefergelenke simulieren (zum Beispiel zebris). Mithilfe eines Kopplungslöffels lassen sich die digitalen Funktions- daten mit intraoralen Kiefer- und Bukkal-Scans verbinden. Damit wird die Strahlenbelastung vermieden und eine weitere, sehr vielversprechende Anbindung von Intraoralscannern rea- lisiert. Details zu den beschriebenen Systemen können auf der IDS erfragt werden.
Die beschriebenen komplexen Simulationen sind schon sehr nah am Patienten. Deshalb wird in der Regel von realdynamischen anstelle von volljustierbaren (digitalen) Artikulatoren gesprochen. Durch die Einbeziehung von Kaukräften und der Muskelaktivität wird das Modell noch besser [Mehl, 2012]. Mit dieser Technik wird in Zukunft weit mehr möglich sein als mit konventionellen Artikulatoren. Eine Lücke bleibt bei teiljustierbaren Artikulatoren, denn die klassische Gesichtsbogenübertragung kann noch nicht einfach ersetzt werden. Die oben erwähnten Strecken können manuell am Patienten oder – wenn verfügbar – im DVT vermessen und eingegeben werden.
Vielleicht ist hier der Gesichtsscan eine Lösung. Diese Technik dient in der allgemeinen Zahnheilkunde bisher nur dazu, das Behandlungsergebnis im Vorfeld einer Rehabilitation fotorealistisch zu simulieren (zum Beispiel Pritidenta). In der Kieferorthopädie lassen sich mit texturierten Gesichts-Scans bereits mit hoher Präzision Weichteilpunkte vermessen (3D Shape, Abbildung 1) [Fink, 2014]. Auf diese Weise könnte in Zukunft die Lage und Beziehung der Gelenkachse näherungsweise ähnlich einem arbiträren Gesichtsbogen übertragen werden. 3-D-Scanner könnten bald auch die funk-tionellen Bewegungen registrieren. Mit der Zeit als vierter Dimension lässt sich über Serienbilder und spezielle Fluoreszenzmarker die funktionelle Kieferbewegung ins virtuelle Modell übertragen [Lauren, 2014]. Das System ist noch nicht kommerziell erhältlich.
Für komplexe kieferorthopädische, chirurgische und auch prothetische Fälle bietet die Kombination von DVT, Gesichts- und Intraoralscan (zum Beispiel Planmeca) umfassende Diagnostik- und Planungsmöglichkeiten für den spezialisierten Behandler oder das Team. Der virtuelle Patient überwindet Zeit und Raum, was die interdisziplinäre Arbeit erleichtert und Spezialisten potenziell näher zusammenbringt. Sirona ermöglicht durch ein virtuelles Lächeln des Patienten quasi die digitale Wachseinprobe. 3M, 3Shape und Planmeca bieten eine digitale Kieferorthopädie, die von der Befundaufnahme und Planung über die Dokumentation bis hin zu CAD/CAM-gefertigten herausnehmbaren Geräten reicht (Abbildung 9).
Leider gibt es für die vielfältigen diagnostischen Systeme mit PC-Anbindung noch immer keine Software mit gemeinsamer Datenbasis [Köhl, 2014]. Diese wäre notwendig, damit die Befunde bei Behandlerwechsel oder für interdisziplinäre Behandlungen ausgetauscht und ausgewertet werden können. Die verfügbare VDDS-Schnittstelle erlaubt nur den Datenaustausch, jedoch nicht die Einbindung der Befunde in eine umfassend einsetzbare diagnostische Software. Ziel ist eine standardisierte elektronische Patientenakte, die in jeder zahnärztlichen Einrichtung lesbar ist [Köhl, 2014].
Teil- und Totalprothetik
Wenn etwas reibungslos läuft, ist dies meist ein positives Zeichen – nicht so bei Doppelkronen. Diese komplexe Technik, bisher fest in analoger Hand, wird inzwischen auch digital erobert. Primär- und Sekundärteile können im computergesteuerten Schleif- oder Fräsverfahren oder mit selektivem Lasermelting (SLM) in einem Schritt – und mit Friktion – hergestellt werden (Bego, 3Shape, Friktionsguru). Bei höherer Pfeilerzahl muss jedoch auch hier wie beim konventionellen Weg eine Korrekturabformung genommen werden.
Eine echte Herausforderung auf dem Weg zu volldigitalem herausnehmbarem Zahnersatz scheint die korrekte Erfassung größerer Schleimhautareale mit Intraoralscannern zu sein. Auf diese Weise lassen sich nach ersten Fallberichten sogar Totalprothesen modellfrei herstellen. Ob dieses Verfahren allerdings die Funktionsabformung ersetzen kann, ist nach einer ersten Literaturauswertung fraglich [Bidra, 2013]. Problematisch sind vor allem bewegliche Schleimhautbereiche und Reflexionen durch feuchte Oberflächen, die den Brechungsindex und damit auch die Richtigkeit der Datenerfassung verändern.
Vorerst wird daher wohl der Umweg über die Funktionsabformung und den Modellscann notwendig bleiben. Für kombinierten Zahnersatz ohne funktionelle Schleimhautareale sind dagegen weitere Anwendungen zu erwarten. Wesentlich für die digitale Herstellung komplexer Rehabilitationen ist die gemeinsame Verarbeitung von Ober- und Unterkiefer in einer Datei. Dies scheint seit Kurzem machbar zu sein (3Shape). Eine spannende weitere Anwendung für die Prothetik sind digitalisierte Wax-ups. Aus diesen können im Fräs- oder auch im Stereolithografie-Verfahren zum Beispiel Mock-ups für Veneers erstellt werden. Mock-ups, Wax-ups und gescannte Zahnreihen lassen sich in der Software miteinander abgleichen (matchen) (Sirona). Datensätze für temporäre CAM-Brücken werden für Neuanfertigungen wiederverwendet, digital entworfene Gerüste und Zahnaufstellungen lassen sich zum Beispiel aus PMMA-Kunststoff fräsen, zusammenstecken und nach der Einprobe bei Bedarf modifizieren (Zahnersatz Müller, Abbildung 10). Anbieter aus Industrie und Laborbereich, aber auch kreative Behandlungsteams finden ständig neue Lösungen.
Schnittstellen und Rentabilität
Neue Methoden setzen sich durch, wenn sie besser und wirtschaftlicher sind als etablierte. Wie oben angedeutet, können digitale Systeme nur dann funktionieren, wenn alle Komponenten nahtlos ineinandergreifen. Dazu müssen die Techniken an ihren Schnittstellen gut aufeinander abgestimmt sein. Auch hier lohnt für einen Vergleich der Blick in die Smartphone-Welt. Offene Systeme wie Android ermöglichen mehr Funktionen und eine individuellere Nutzung. Geschlossene Systeme bieten dagegen mehr Sicherheit und erfordern einen geringeren Aufwand, um die Systeme am Laufen zu halten. Die Entscheidung für offene oder geschlossene Systeme hängt somit von persönlichen Präferenzen ab. Ein guter Weg sind validierte Abläufe, die hoch spezialisiertes Know-how verschiedener Hersteller zusammenbringen und zugleich strenger werdende Datenschutzbestimmungen berücksichtigen.
Damit Praxen die komplexer werdenden Verknüpfungen der Bausteine mittelfristig überblicken können, helfen externe Dienstleister. Henry Schein verspricht mit einem speziellen Service, den optimalen Workflow und die benötigten Komponenten in der Praxis zu ermitteln, aber auch im Zusammenspiel mit Laboren und Fräszentren. Dazu werden Schulungen zu einzelnen Systemen angeboten. Das Handelsunternehmen hat aus historischen Gründen eine enge Verbindung zu Sirona (vormals Siemens), arbeitet aber auch mit einer Reihe anderer Anbieter im CAD/CAM-Bereich zusammen.
Nach Überzeugung von Dr. Christoph Niesel, Zahnarzt, Zahntechniker und langjähriger Nutzer digitaler Arbeitsabläufe, müssen diese für die tägliche Praxis einfach und vor allem wirtschaftlich sein. Ob der Einstieg in eine Technik lohnt und – wenn ja – mit welchen Komponenten, lässt sich mit einer von Niesel entwickelten, nach eigener Auskunft unabhängigen Plattform ermitteln (www.digital-dental-kalkulation.de).
Niesel macht klar, dass die Tücke im Detail liegt. So sind zum Beispiel bei der Chairside-Fertigung von Zahnersatz die Kosten für die Bearbeitung von Zirkonoxid und Nicht-edelmetallen meist deutlich höher als im Labor oder im Fräszentrum. Seit Kurzem können diese Werkstoffe mithilfe einer neuen CAM-Maschine auch am Stuhl gefräst werden (Sirona, Abbildung 11). Diese effizientere Methode reduziert gegenüber dem Schleifen mit Diamanten den Verschleiß der Werkzeuge und verbessert laut Anbieter den Randschluss und die Ober- flächengüte der Werkstücke. Außerdem ist die neue Maschine erstmals offen für fremde Scandaten – möglicherweise ein Zeichen für das bevorstehende Ende geschlossener Systeme.
Dass der digitale Workflow für implantatgetragene Kronen und Brücken schneller und zugleich günstiger sein kann als das konventionelle Vorgehen, demonstrierte eine Arbeitsgruppe der Universität Bern. Mit individuellen Titanabutments, Intraoralscan und CAD/CAM gefertigten Zirkonoxidkronen konnten sie im Vergleich zu metallkeramischen Kronen auf Standardabutments eine Zeitersparnis von 18 Prozent am Behandlungsstuhl erzielen. Die Kostenersparnis im Labor war im Wesentlichen auf die fehlenden Edelmetallkosten, aber auch auf eine geringere Arbeitszeit zurückzuführen [Joda, 2014].
Wenn die digitale Technik nicht nur schneller, sondern auch besser ist, dann macht sie sich wirklich bezahlt. So haben die im Beispiel genannten CAD/CAM-Abutments klare klinische Vorteile. Durch den definierten Abutment-(und damit Kronen-)rand können Zementreste leicht entfernt werden. Weiterhin gelingt eine optimale Ausformung und Unterstützung der Weichgewebe und es lassen sich am Bildschirm einfacher maximale Retentionsflächen erreichen (Abbildung 12) [Vietor, 2013].
Von den Vorteilen digitaler Arbeitsabläufe ist auch Markus Bilek, Zahntechniker bei Slomski Dentaltechnik in Passau überzeugt. Individuelle CAD/CAM-Abutments für Implantate seien im Vergleich zu Standard-bauteilen unwesentlich teurer, böten aber die oben genannten Vorteile. Die neuen Techniken und Möglichkeiten aus dem Labor in die Praxen zu bringen, sei jedoch schwere Missionarsarbeit. Nahezu alle Kunden des großen Labors setzen zudem noch auf die konventionelle Abformung. Mittelfristig könnten sich aber digitale Abform-verfahren durchaus rechnen.
Neue Materialien mit Potenzial
Zahnärzte sollten beim Thema Restaurationsmaterialien mit den Zahntechnikern auf Augenhöhe diskutieren. Dazu ist viel Werkstoffwissen erforderlich, mit Schwerpunkt auf den klinischen Aspekten. Zu den zahlreichen, neu eingeführten Materialien gibt es aber noch begrenzte Studienergebnisse.
Die Arbeitsgemeinschaft Keramik bietet interessierten Zahnärzten deshalb die Möglichkeit, ihre eigenen klinischen Daten auszuwerten und der Forschung zur Verfügung zu stellen (Web-Unterseite Wissenschaft/CSA-Studie) [www.ag-keramik.de/wissenschaft/csa-studie.html].
Technisch und wirtschaftlich interessant sind speziell Hochleistungspolymere (Lava Ultimate) und kunststoffinfiltrierte Keramiken (Vita Enamic). Diese Materialien lassen sich schneller schleifen, müssen nicht gebrannt werden und können im Vergleich zu Keramik mit feiner auslaufenden Rändern erstellt werden. Zudem besitzen sie ein schonenderes Abrasionsverhalten für die natürliche Gegenbezahnung. Diese Vorteile gehen bei den Polymeren jedoch nach Expertenmeinungen auf Kosten der Langzeitstabilität, der Oberflächengüte und der Ästhetik [Beuer, 2014]. Dennoch wird dieser Werkstoffklasse ein großes Potenzial zugetraut [Güth, 2014].
Bei den älteren „neuen“ Materialien haben sich Lithiumdisilikat und leuzitverstärkte Feldspatkeramik inzwischen bewährt. Die demnächst erscheinende S3-Leitlinie „Vollkeramische Kronen und Brücken“ belegt mit klinischen Daten über mehr als fünf Jahre deren erfolgreichen Einsatz [Beuer, 2014]. Mehr Farbe bringt Ivoclar Vivadent hier mit einem neuen polychromatischen Pressrohling ins Spiel. Mehr Stabilität und eine schnellere Bearbeitung als die glaskeramischen Materialien versprechen die erstmals zur IDS 2013 präsentierten zirkonoxidverstärkten Lithiumsilikatkeramiken (Vita Suprinity, Celtra Duo von Dentsply Degudent).
Neue Materialien und Implantologie
Ein im Vergleich zu Keramiken verbessertes E-Modul könnte die neuen kunststoffhaltigen Hybridwerkstoffe für die Implantologie interessant machen (Abbildung 13). Patienten mit implantatgetragenen Restaurationen, insbesondere bei Ganzkieferversorgungen, haben eine reduzierte aktive und passive Kausensibilität. Technische Komplikationen wie Chipping sind daher relativ häufig. Hier könnten Dämpfungseffekte die Prognose verbessern, wobei auch noch klinische Daten fehlen [Pospiech, 2014].
Die neu eingeführten zahnfarbenen Materialien sind aktuell nur für Einzelzahn- oder kleinere Brückenversorgungen zugelassen. Wünschenswert ist daher ein Material, das auch größere Spannen zulässt. Nicht wirklich neu ist Peek (Polyetheretherketon), doch wurde dessen Einsatzspektrum in den vergangenen Jahren immer breiter. Neben der klassischen Verarbeitung im Spritzguss ist der Werkstoff inzwischen auch als Fräsrohling erhältlich. Dieses Material ist aufgrund seines knochenähnlichen E-Moduls und des damit verbundenen natürlichen Kaugefühls speziell für implantatgetragene Ganzkieferversorgungen interessant [Neugebauer, 2013]. Daneben können mit dem Material auch metallfreie Klammerprothesen oder Teleskope realisiert werden (Abbildung 14). In der Implantologie wird es für Gingivaformer und Abutments (bredent) und neuerdings in einer karbonfaserverstärkten Variante als Abutmentschraube für zweiteilige Zirkonoxid-implantate verwendet (Zeramex).
Smart Dentistry – der Kreis schließt sich
Auch wenn sich alles um High-Tech und die neueste Software-App zu drehen scheint: Beim Thema Digitalisierung sollte nicht die Technik im Mittelpunkt stehen, sondern der diagnostische und therapeutische Nutzen und damit die Patienten. Diese werden immer analog bleiben – alles Digitale und Virtuelle muss daher in die reale Welt zurückgeholt werden. In dem Maß, wie dies gelingt, erhalten wir eine neue Kategorie diagnostischer und therapeutischer Werkzeuge. Deren kluge Nutzung und Vernetzung hat durchaus das Potenzial, die Zahnmedizin auf ein neues Niveau zu heben. Die IDS bietet die Bühne für die Produktseite dieser Entwicklung. Die klinische Umsetzung kann nur in der Praxis erfolgen.
Florian Steib, Zahnarzt
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