Von Putz-Apps und digitaler Integration
Von der Terminvergabe bis zur Absauganlage sind immer mehr Produkte mit Anbindung ans Internet erhältlich. Das gilt jetzt auch für elektrische Zahnbürsten, die über Apps mit mobilen Geräten verknüpfbar sind. Ein Anbieter arbeitet mit animierten Figuren, die ihren virtuellen Mund öffnen und sich beschweren, wenn Kinder ihre Zähne nicht lange genug putzen (Philips). Die Kleinen können spielend und putzend Punkte sammeln. Und lassen sich zugleich besser kontrollieren.
Big Brusher is watching you
Die App eines US-amerikanischen Prophylaxe-Anbieters geht einen Schritt weiter in Richtung gläserner Patient: Mit ihr können individuelle Zahnpflegetipps, eine Recall-Erinnerungsfunktion und Produktinformationen auf dem Smartphone installiert werden (Procter Gamble / Oral-B) (Abbildung 1). Ziel sei es, die Kommunikation mit dem Patienten und dadurch dessen Mitarbeit zu verbessern. Eine webgebundene Kontrollfunktion, über die Rabatte bei der privaten Zahnzusatzversicherung verdient werden können, fehlt offenbar noch. Repräsentanten des Mitbewerbers Philips betonen jedoch, dass sie als Medizingeräte-Anbieter kompetenter seien als zum Beispiel Google oder Apple. So will Philips sein Wissen auch im Bereich der großen Medizin gezielt für E-Health-Lösungen einsetzen – hoffentlich primär zum Wohl der Patienten.
Noch analog und deshalb unverdächtig sind neue Zahnbürsten mit Silikonborsten. Sie werden laut Anbieter wie Handzahnbürsten verwendet und arbeiten zusätzlich mit akkubetriebener Vibration (Foreo) (Abbildung 2). Die Zahnreinigung soll zugleich effektiver und schonender sein als mit den bisher erhältlichen maschinellen Bürsten. Die Zahlen motorisch eingeschränkter und pflegebedürftiger Menschen steigt. Zu begrüßen sind daher speziell entwickelte Informationsmaterialien und Mundpflegehilfen (Dr. Hinz Dental). Zum Beispiel er- lauben Silikonschlaufen Patienten oder auch Pflegekräften eine sicherere Führung der Zahnbürste (Abbildung 3). Auch Interdentalbürsten gibt es mit Rettungsring (Curaprox).
Interdentalkärcher und Zahnpflaster
Patienten mit begrenzter Motivation oder Fähigkeit, die Zahnzwischenräume zu pflegen, könnten von maschinellen Interdentalreinigern profitieren. Ein auf der IDS im großen Stil präsentiertes, weiterentwickeltes Gerät von Philips funktioniert mit beschleunigten Mikrotröpfchen (Abbildung 4). In einer In-vivo-Untersuchung zeigte sich die Blutungshäufigkeit gegenüber dem Ausgangsbefund deutlich reduziert. Nach den vorläufigen Ergebnissen einer klinischen Studie reduzieren Zahnseide und die Mikrotröpfchen-Methode den approximalen Plaque-Index gleichermaßen effektiv. Unabhängige oder wenigstens publizierte Daten sind aber (noch) nicht verfügbar. Fluoridlacke und andere fluoridhaltige Darreichungsformen sind seit Langem gegen das Fortschreiten von Initialläsionen erfolgreich.
Seit einiger Zeit werden sie auch gegen Dentinüberempfindlichkeit empfohlen. Hier gibt es jedoch immer mehr Konkurrenz durch Produkte, die zum Beispiel im Rahmen einer professionellen Zahnreinigung oder Bleichtherapie angewendet werden. So wird ein in der Praxis und zu Hause anwendbares Gel mit selbstorientierenden Peptiden zur Desensibilisierung empfohlen (credentis). In einer – nicht veröffentlichten – Studie des Prophylaxe Zentrum Basel (Prof. Saxer) hatten mehr als 80 Prozent der untersuchten Patienten mit Dentinüberempfindlichkeit weniger Schmerzen bei der professionellen Zahnreinigung (Kontrollgruppe mit fluoridhaltiger Zahncreme: 50 Prozent). Für dieselbe Indikation werden auch spezielle Zahncremes mit Fluorid sowie Kalium-, Strontium- oder Zinnsalzen eingesetzt (zum Beispiel Glaxo-SmithKline). Hier ist die Datenlage teilweise besser [Lin, 2012].
Desensibilisierung auch subgingival
Reinigungspasten für die professionelle Zahnreinigung enthalten ebenfalls Fluoride. Sie sollen die Belagentfernung im Zahnhalsbereich für schmerzempfindliche Patienten ebenfalls angenehmer – oder weniger unangenehm – gestalten (zum Beispiel Voco). Nicht neu, aber ebenfalls in diesen Bereich gehörend, ist ein Pulver auf der Basis von Kalzium-Natrium-Phosphosilikat (Handelsname Novamin) für Airpolishing-Geräte (Dent-o-Care). Für die supra- und die subgingivale Belagsentfernung mit Airpolishing-Geräten ist ein neues Glyzinpulver vorgesehen, das Trikalziumphosphat enthält (3M Espe). Wiederum wird eine reduzierte Schmerzempfindung versprochen, auch bei Anwendung des Pulvers vor dem Ultraschall-Scaling. Entsprechende Studienergebnisse waren auf der Seite des Anbieters nicht zu finden. Dagegen wurde in einer randomisierten klinischen Studie nach zwölf Monaten festgestellt, dass subgingivales Debridement mit einem weiter entwickelten, chlorhexidinhaltigen Glyzinpulver (3M Espe / EMS) Resttaschen ebenso erfolgreich reduzierte wie Ultraschall-Scaling [Müller, 2014].
Laser gegen Parodontitis
Während fürs Ultraschall-Scaling diesmal „nur“ ergonomischer gestaltete Instrumente präsentiert wurden (Dentsply DeTrey, KaVo), gibt es für dieselbe Indikation einige neue Lasergeräte. Dies kann als Reaktion auf den Erfolg der fotodynamischen Therapie verstanden werden, die mit laseraktivierter Farbstofflösung funktioniert. So bewirkt ein bereits im Jahr 2012 als Prototyp vorgestellter und zur IDS 2015 eingeführter Laser „Mikroexplosionen“ von Wassermolekülen (Morita) (Abbildung 5). Das Gerät soll gewebeschonend arbeiten und unter anderem für die Parodontitis- und für die Periimplantitis-Therapie geeignet sein. Weitere, als besonders schonend beschriebene Laser oder Laserfasern für unterschiedliche Indikationen sind seit Kurzem erhältlich (Henry Schein, Sirona).
Wer Zähne erhalten möchte, muss Karies frühzeitig entdecken. Für diesen Zweck können verschiedene licht- und elektrisch basierte Geräte angewendet werden. Als strahlungsfreie Alternative zu Bissflügelaufnahmen, aber auch zur Kontrolle von Füllungsrändern scheint sich nach ersten Studienergebnissen die Nahinfrarot-Illumination (digitale fiberoptische Transillumination) zu eignen. Neben KaVo bietet in Deutschland IC Med ein offenbar baugleiches Gerät an. Ganz neu ist die Erweiterung eines bisher für okklusale Karies vorgesehenen Systems für Approximalkaries (Dürr Dental). Interessanterweise erscheint bei diesem Multifunktionsgerät, das für diese Indikation mit Infrarot arbeitet, Karies hell und nicht dunkel wie bei Röntgen oder Nahinfrarot (Abbildung 6). Die Befunde lassen sich in der Software dokumentieren und entsprechend im Verlauf beurteilen – trotz fehlender objektiver Messdaten ein großer Fortschritt.
Sterile Bohrer, neue Komposite
Wenn trotz präventiver Bemühungen gebohrt werden muss, kommen rotierende Instrumente zum Einsatz. Da auch deren hygienische Aufbereitung Mühe macht und dokumentiert werden muss, verkauft ein großer Hersteller seit Kurzem einen Teil seines Sortiments steril verpackt (Komet Dental). Relevant erscheint dies bei chirurgisch verwendeten Instrumenten, die bisher vor dem ersten Gebrauch eingeschweißt und sterilisiert werden müssen. Der nächste Schritt wären steril verpackte Einmalinstrumente wie in der Endodontie, die zumindest für die Chirurgie sinnvoll sein könnten. Wie die wirtschaftliche und die Ökobilanz aussehen, ist eine andere Frage. Bei Kompositen wird weiterhin versucht, der Polymerisationsschrumpfung durch chemische Veränderung entgegenzuwirken.
Ein großer Schritt nach vorn ist offenbar mit Bulk-Fill-Kompositen gelungen, bei denen ein Stressausgleich während der Polymerisation stattfindet. Einen anderen Weg wählt Voco mit einem weiterentwickelten Nanohybrid-Ormocer-Komposit (Abbildung 7). Der Siliziumoxid-Anteil ist hier laut Hersteller auf Kosten der organischen Inhaltsstoffe erhöht. Zugleich wird auf die biologisch kritischen Bestandteile Bis-GMA, TEGDMA und HEMA verzichtet. Ein Glasionomerzement mit Kompositschutzlack ist in einer neuen, laut Anbieter verstärkten Version erhältlich (GC Europe). Die bisherige Einschränkung – Klasse-II-Füllungen dürfen nicht breiter sein als die halbe bukko-orale Höckerdistanz – wird in der Gebrauchsinformation für das neue Produkt nicht mehr genannt. Abzuwarten bleibt, ob das Material in der täglichen Praxis auch in Kavitäten abgerechnet wird, die bisher Amalgam- oder Kompositfüllungen erfordern. Zu empfehlen ist dies, bis entsprechende Studien vorliegen, zunächst einmal nicht.
Feilen mit molekularem Gedächtnis
Ist die Pulpa nicht mehr zu retten, kommt – möglichst noch vor der Implantologie – die Endodontie ins Spiel. Auf der IDS 2011 präsentierte Coltène Whaledent eine maschinelle Feile, die sich vorbiegen und nach Gebrauch durch Wärmeeinwirkung wieder geraderichten lässt. Eine auf der diesjährigen IDS vorgestellte Feile wird laut Anbieter durch Abkühlung wieder in den geraden Ausgangszustand gebracht (FKG Dentaire). Ermöglicht werde dies durch das „molekulare Gedächtnis“ der patentierten Nickel-Titan-Legierung. Durch seine hohe Flexibilität soll die Feile zudem Kanalabschnitte reinigen, die sonst wegen ihrer nicht runden Form nicht erreicht werden können (Video auf zm-online). Auch ein neues Einfeilen-System von Komet Dental soll „spürbar geschmeidiger sein als vergleichbare Instrumente“.
Wie sich die neuen Feilen in der Praxis bewähren und ob die höhere Flexibilität die Frakturfestigkeit beeinflusst, wird die Praxis oder werden idealerweise wissenschaftliche Studien zeigen. Für ultraschallaktiviertes Spülen während der Aufbereitung gibt es neue, flexible Kunststoffspitzen, die das Frakturrisiko im Kanal reduzieren sollen (VDW). Und zurück zum großen IDS-Thema digitale Technik: Endomotoren sind inzwischen nicht nur kabellos erhältlich, sondern können mithilfe eines Tablet-Computers auch per App bedient werden (VDW) (Abbildung 8). Die Geräte lassen sich für rotierende oder reziproke Feilensysteme programmieren. Ob dieses Bedienungsprinzip, das auch bei chirurgischen Motoren verfügbar ist, wirklich nennenswerte Vorteile bringt, wird die Praxis zeigen. Kabellos ist auch ein neues thermisches Wurzelfüllsystem, bei dem ein Mikromotor das Füllungsmaterial in die Tiefe pumpt, so dass ein manuelles Pumpen entfällt (Kerr).
Rutschfeste Patientenstühle
Maschinelle endodontische Aufbereitungssysteme werden immer häufiger in Behandlungseinheiten integriert. So enthält die Software einer Einheit von Sirona auf Wunsch Einstellungen für Feilensysteme von Dentsply Maillefer und VDW. Ob eine solche Beschränkung auf einige wenige Feilen- fabrikate sinnvoll ist und wie es sich mit der Berücksichtigung künftiger Feilensysteme verhält, mag der endobegeisterte Leser für sich entscheiden. Ähnliches gilt für eine Ritter-Einheit im Design von Hager Meisinger, die komplett mit Übertragungs- und rotierenden Instrumenten des Anbieters ausgestattet ist. Ergonomie ist bei den Behandlungsplatzausrüstungen weiter ein großes Thema.
Von zahnärztlicher Seite wird aber noch erheb- licher Entwicklungsbedarf angemahnt, zum Beispiel in Form von besser anpassbaren Kopfstützen für Patienten mit Rückenproblemen. Ein Schritt in die richtige Richtung könnte die (neue) Möglichkeit sein, einmal gefundene optimale Positionen für jeden Patienten in dessen elektronischer Akte zu speichern und per Knopfdruck abzurufen (Sirona). Patientenstühle gibt es nicht nur mit glatten, leicht zu reinigenden, sondern auch mit rutschfesten Bezügen (Ultradent) (Abbildung 9). Hier stehen sich Design und Patientennutzen zuweilen entgegen.
Weniger Strahlung und weniger Verwackelung
Beim Röntgen bleibt die digitale Volumentomografie Thema Nummer eins. Obwohl die Preise für diese Technik nach wie vor sehr deutlich über denjenigen von Panoramageräten liegen, ist der höhere diagnostische Nutzen offenbar verlockend. So lassen sich nicht nur therapeutisch relevante Schichten darstellen, sondern zum Beispiel Knochen strukturen und Kieferhöhlen dreidimensional visualisieren. DVT-Aufnahmen sind sehr empfindlich gegen Verwackelung. Um die optimale Aufnahmequalität zu erreichen, wird daher einerseits versucht, die Aufnahmezeiten zu reduzieren. Diese können nach Auskunft eines Anbieters mit unter sechs Sekunden im Bereich von 2-D- Panoramageräten liegen (orangedental).
Durch den Abgleich der radiologischen mit Daten aus einem Gesichtsscan werden mit einer anderen Methode Patientenbewegungen – laut Anbieter – im Sinne eines Bildstabilisators ausgeglichen (3Shape). Wie sich das Prinzip exakt auf die Bildqualität auswirkt, ist anhand der Broschüre nicht zu erkennen. Das Gerät wird Ende des Jahres erhältlich sein, hoffentlich mit weitergehenden technischen Informationen. Andere Anbieter setzen auch bei neuen Geräten auf eine stabile Fixierung des Patienten.
Weiterhin wird versucht, Metallartefakte zu reduzieren (Dürr Dental, KaVo). Diese Technik soll zum Beispiel bei endodontischen Aufnahmen helfen, bei denen häufig Stifte oder metallische Restaurationen im Bild- bereich vorhanden sind. Individuell einstellbare Volumina (3Shape), speziell an die Kieferform angepasste Projektionsformen (Morita) und an die Indikation angepasste Dosiseinstellungen tragen ebenfalls zur erwünschten Strahlenreduzierung bei. Die Bildqualität fördern nach den Anbieter- informationen spezielle zweidimensionale Panoramatechniken, bei denen mit bis zu 20 Aufnahmeschichten gearbeitet wird (Dürr, KaVo).
Zahnärztliche Fotografie dient einerseits der Dokumentation, andererseits der Diagnostik. So lassen sich Frontzahnbögen mit geeigneter Software am Computer auswerten oder auch Hart- oder Weichgewebsveränderungen fotografieren und zum Konsil an Kollegen oder Fachärzte senden. Eine neue, speziell für die dentale Anwendung entwickelte Kamera scheint eine Reihe von Vorteilen zu bringen (Shofu) (Abbildung 10). Zum Beispiel können acht indikationsbezogene Aufnahmemodi über den LED-Monitor ausgewählt werden. Das Gerät ist mit fest montierten Ring- und Scherenblitzen ausgestattet und lässt sich oberflächlich desinfizieren.
Schnittstellen und Killer-Anwendungen
Viel Neues zu entdecken gab es in Köln auf dem Gebiet der digitalen Integration. Eine Münchner Arbeitsgruppe um die Professoren Daniel Edelhoff und Florian Beuer (demnächst Berlin) und den Zahntechnikermeister Josef Schweiger mahnt in Vorträgen und Fachartikeln einen klinischen Nutzen an, der über analoge Methoden klar hinausgeht. Dafür sei eine „Killer-Anwendung“ notwendig, vergleichbar der Einführung von Zirkonoxid als Durchbruchhilfe für CAD/CAM [Schweiger, 2015]. Vielleicht erweist sich die rechnergestützte Funktionsanalyse – als Teil digitaler Restaurationssysteme – als der fehlende Mosaikstein.
So scheint sich das finnische Unternehmen Planmeca bereits dem Ziel einer umfassenden Lösung zu nähern. Mit einem intraoralen Scanner, einem DVT-Gerät und einem darin integrierten System zur optischen Aufzeichnung von Kieferbewegungen (steht „in Kürze“ zur Verfügung) (Abbildungen 11a und 11b) kann das gesamte stomatognathe System einschließlich Knochen und Kiefergelenken aufgenommen werden. Die Daten lassen sich in der Röntgensoftware zusammenführen. Anwendungsmöglichkeiten sind laut Anbieter CMD- und Funktionsdiagnostik und präoperative Planung.
Inwieweit diese recht neuen optischen Registrierungssysteme (weiterer Anbieter: DDI Group) funktionsdiagnostisch mit etablierten Ultraschallsystemen (zum Beispiel KaVo, Zebris) konkurrieren können, bleibt abzuwarten. Neben Planmeca und KaVo befinden sich offenbar weitere große Anbieter, allen voran Sirona und deren Tochter Sicat, nah an integrierten Lösungen. Entscheidend ist offenbar der Transfer von Funktionsdaten in CAD/ CAM-Planungsprogramme. Hier werden in zunehmendem Tempo Schnittstellen geöffnet. Dies geschieht über die schrittweise Öffnung bisher abgeschotteter Systeme von Herstellerseite, über Kooperationen zwischen Herstellern und seit Kurzem auch zwischen Herstellern und Handelsunternehmen, mit dem Vorreiter Henry Schein [Koch, 2015].
Immer mehr Chairside-Lösungen
Das System von Planmeca umfasst auch ein Chairside-Restaurationssystem, das bereits 2007 als Konkurrenz zu Cerec (Sirona) in den USA eingeführt wurde. Der zugehörige intraorale Scanner ist – erstmals in dieser Weise – in Behandlungsplatzausrüstungen des Anbieters integriert. Ein Intra-oralscanner von Sirona steht ab sofort auch als mobile Tischvariante mit PC, Bildschirm und Kameraablage zur Verfügung (Abbildung 12). Weiterhin wurde laut Anbieter die biogenerische Gestaltung von Restaurationen weiter verbessert und auf Bereiche unterhalb des Zahnäquators ausgedehnt. Die Software enthält, wie zum Beispiel auch bei 3Shape, zusätzliche Module für Kieferorthopädie und Implantologie. Nachdem der Kodak-Nachfolger Carestream bereits zur IDS 2013 ein Chairside-Fertigungssystem für kleinere Restaurationen vorgestellt hatte, folgen neben Planmeca auch GC und weitere kleinere Anbieter mit eigenen Intraoralscannern (zum Beispiel imes-icore, Vertrieb für Praxislabore über Unique Cadcam).
Andere CAD/CAM-Player binden Intraoralscanner und Software von Fremdanbietern ein und versuchen, ihr bisher auf Labore oder Fräszentren ausgerichtetes Angebot um Chairside-Indikationen zu erweitern (zum Beispiel Amann Girrbach). Als weiterer Entwicklungshelfer auf dem Weg zum umfassend digitalen prothetischen System könnten sich intraorale Ultraschall-Scanner erweisen. Nachdem diese noch vor Kurzem als wenig zukunftsträchtig eingeschätzt wurden, scheinen sie jetzt auf dem Weg zur Serienreife zu sein [Vollborn, 2015]. Offenbar steht die Technik bereits vor der Evaluierung in klinischen Studien. In Köln war aber nach Autorenkenntnis noch kein Prototyp zu sehen.
Drucken statt fräsen
Neue Materialien und Fertigungswege waren ein weiteres großes Thema auf der IDS. So wurde erstmals ein System zur abtragenden Bearbeitung von Komposit, Glaskeramik oder Zirkonoxid mit Laser vorgestellt (Heraeus Kulzer in Kooperation mit Dental Wings) (Abbildung 13). Im Vergleich zu rotierenden Fräs- und Schleif- maschinen ist der Materialabtrag laut Pressemitteilung nicht durch die Geometrie der Schleifkörper begrenzt, so dass auch sehr feine Strukturen produzierbar sind. Bei den additiven Verfahren ist ab Mai ein 3-D-Drucker auf dem Markt, mit dem neben Löffeln, Schienen und temporären Restaurationen laut Anbieter schon bald Prothesenbasen und definitive Kronen hergestellt werden können (Bego) (Abbildung 14). In etwas fernerer Zukunft könnten auch keramische Restaurationen mit additiven Verfahren realisierbar sein. So wird bereits mit 3-D-gedruckten Knochenstrukturen auf der Basis von Hydroxylapatit- und Zirkonoxid-Pulvern experimentiert (Fraunhofer IKTS, Dresden). Produktreife Lösungen sind hier noch nicht in Sicht.
Prothesen aus der Maschine
Erste digital entworfene und mit CAM- Maschinen hergestellte Teilprothesen wurden bereits vor einigen Jahren vorgestellt. Aktuell werden auch Hybridmethoden angeboten, bei denen die Herstellung noch im klassischen Gussverfahren erfolgt [Tiehe, 2015]. Seit Kurzem gibt es von drei Anbietern auch Totalprothesen-Systeme, die zu unterschiedlichen Graden mit CAD/CAM produzierbar sind (Amann Girrbach / Heraeus Kulzer, Merz Dental, Wieland Dental). Dabei ist bisher meist noch eine analoge Abformung notwendig, die im Labor eingescannt wird. Schwierigkeiten gibt es nach Auskunft von Prof. Ingrid Grunert (Universität Innsbruck) mit Unterkieferprothesen, während Oberkieferprothesen schon funktionieren. Doppelkronen-Prothesen gibt es inzwischen – als temporäre Lösung – aus flexiblem Polyamid oder definitiv mithilfe von CAD/CAM aus PEEK (Material: Juvora) oder auch im Lasermelting-Verfahren mit Legierungen (zum Beispiel Bego, Heraeus Kulzer).
Wie die Polyamid-Doppelkronenprothese zeigt, geht Prothetik immer noch analog. Eine weitere nicht-digitale Neuheit ist ein aufsprühbarer Speziallack zur Glättung von Lithiumdisilikat-Verblendungen. Der Lack muss im Ofen eindiffundieren, die Politur entfällt (Komet Dental). Eine sehr innovative Idee sind Kinderkronen aus keramik- verstärktem Polymer, die sich laut Anbieter während der Wachstumsphase durch Antragen von „Kronenmaterial“ vergrößern lassen (vFM Dental- labor, Hamburg). Vorteil sei die angepasste Härte der Kronen, die geringer ist als diejenige von Stahl. Die Befestigung erfolgt mit dualhärtendem Komposit.
Implantologie
In der Implantologie geht ebenfalls die digitale Integration weiter, wobei Bohrschablonen zunehmend im Praxislabor fräsbar sind (KaVo, Sirona). Implantologisch tätige Zahnärzte scheinen kaum noch bereit zu sein, für Planungsprogramme zu bezahlen. Sie können heute mit günstigen Flatrates oder fallbezogen zu günstigen Konditionen (Swissmeda) oder auch kostenfrei planen (Nemotec). Haftungsrechtliche Fragen sollten, gegebenenfalls mit dem Anbieter der verwendeten Implantate, vor einer Anwendung abgeklärt werden. Zum Thema individuelle Abutments präsentierte Nobel Biocare in Köln eine einteilige, verschraubte Abutmentkrone für den Seitenzahnbereich. Diese hat einen angulierten Schraubenkanal und kann daher – von anterior – leichter verschraubt werden als bei geradem Zugang. Damit setzt sich der Trend zu anguliert-verschraubten Lösungen fort, die auch für Ganzkieferversorgungen erhältlich sind und die prothetischen Optionen erweitern (Heraeus Kulzer).
Zukunft der digitalen Zahnmedizin
Digitale Diagnostik und Therapie in seiner gesamten Breite wird bis zur nächsten IDS sicher nicht zum Standard in jeder Praxis. Wahrscheinlicher erscheint, dass die neue Technik nach und nach in immer mehr Teilbereiche vordringen und schrittweise den zahnärztlichen Alltag bereichern wird – wie in den vergangenen Jahrzehnten bereits zum Teil geschehen. Dabei wird jede Praxis weiterhin den für sie geeigneten, individuellen Weg gehen. Und die Kosten werden selbstverständlich eine wichtige Rolle spielen. Die IDS 2015 hat erneut gezeigt, warum sich der Weg in die Kölner Messehallen lohnt: Bei aller Hektik befinden sich die Besucher am Puls der dentalen Welt. Dr. Peter Engel zog sein Messefazit aus der Sicht der Bundeszahnärztekammer: „Es ist wichtig, selbst vor Ort zu sein. Beobachtungen von außen bringen Unschärfen mit sich.“ Die technischen Möglichkeiten sollten laut Engel sensibel ins Behandlungskonzept jeder Praxis eingebunden werden. Der Patient und seine Bedürfnisse müssen dabei immer im Mittelpunkt stehen.
Dr. Jan-Hermann Koch
Parkstr. 14
85356 Freising