Botschafter für die Mundgesundheit
Wer bei der Festveranstaltung im Maritim Hotel an der Friedrichstraße dabei war, konnte anhand der Gespräche gut nachvollziehen, wie wichtig jede einzelne Idee der mitwirkenden Menschen für den Erfolg der Kampagne „Tag der Zahngesundheit“ war und ist. Allen voran steht die konkrete Vision von Friedrich Römer, der seine Arbeit immer auch daran gemessen hat, wie wirksam er die einzelnen Gruppen der Öffentlichkeit mit einer Botschaft erreichen konnte.
Hochmotiviert für ein gesundes Kauorgan
„Die Einrichtung eines jährlich wiederkehrenden Tages der Zahngesundheit dient dem Ziel, die Bürger der Bundesrepublik Deutschland auf die Bedeutung eines gesunden Kauorgans hinzuweisen und zu entsprechenden Verhaltensweisen anzuregen“, zitierte Dr. Uwe Prümel-Philippsen, Leiter des Aktionskreises, aus der damaligen Festschrift. Um dies zu erreichen, öffnete sich der Tag der Zahngesundheit von einer anfänglich reinen Fachveranstaltung hin zu einem Aktionstag für die Öffentlichkeit und vermittelt seither auch der Bevölkerung direkt Empfehlungen zur Mundgesundheit.
Die Mottos waren manchmal sperrig („Probleme der Akzeptanz des zahnärztlichen Vorsorgeangebots und Möglichkeiten zu ihrer Lösung“, 1992), manchmal ausgefallen („Gesund beginnt im Mund – aber bitte mit Spucke”, 2008) aber immer einzigartig und das Ergebnis langer Gespräche zwischen den beteiligten Fachleuten. Waren es anfangs noch 25, so hat der Aktionskreis zum Tag der Zahngesundheit jetzt rund 30 Mitglieder.
Eine präventionsorientierte Sichtweise etablierte sich
Beispiele, was im zurückliegenden Vierteljahrhundert erreicht wurde, zeigte Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, auf. „Vor 25 Jahren waren das Gesundheitssystem und die zahnmedizinische Versorgung vornehmlich auf Reparatur ausgerichtet, Prophylaxe spielte kaum eine Rolle.“ Erst Ende der 80er-Jahre habe der Paradigmenwechsel hin zu einer präventionsorientierten Sichtweise stattgefunden. Der Kariesbefall der 12-Jährigen sei seitdem drastisch gesunken.
Zeit zum Ausruhen bleibt aber nicht – die Erfolge der Vergangenheit werden mit den Problemen der Gegenwart konfrontiert. Zu den aktuellen Aufgaben gehöre die bessere mundgesundheitliche Betreuung von Pflegebedürftigen, Hochbetagten und Menschen mit Behinderung – aber auch die Vorbeugung von Zahnschäden bei kleinen Kindern unter drei Jahren sowie die Bekämpfung der Parodontitis. Hinzu kommen Fragen, die das Gemeinwohl betreffen. Oesterreich: „Deutschland als Zuwanderungsland hat sich selbstverständlich auch der zahnmedizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern anzunehmen.“
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Die GKV finanziert die Gruppenprophylaxe
In einer Podiumsdiskussion zeichneten zwölf Mitgestalter der Kampagne als Zeitzeugen die Genese bis zum 25. Geburtstag nach. Zur Sprache kam dabei auch die Finanzierungsfrage der Gruppenprophylaxe. Die PKV beteilige sich zwar mit 5.100 Euro pro Jahr an den Haushaltskosten der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ), nicht aber an den Kosten für die Gruppenprophylaxe, konstatierte Dr. Christiane Goepel, ehemalige DAJ- Geschäftsführerin.
Dagegen stellte die GKV allein und nur für das Jahr 2014 rund 45.952.653 Millionen Euro zur Verfügung. In dem Jahr waren 8.901.313 Kinder zwischen 0 und 15 Jahren in der GKV versichert. Dazu kamen noch 3.577.453 Fünfzehn- bis Zwanzigjährige. Zum Vergleich: In der PKV waren es Ende vergangenen Jahres immerhin 1.590.200 Kinder mit Krankenvollversicherung, wobei einige private Versicherer Menschen bis 21 Jahre im Kindertarif führen.
Kieferleistung korreliert mit Stilldauer und Stillfrequenz
Dass gesunde Zähne stets einen gesunden Kiefer bedingen, betonte Dr. Henriette Dörschug, Mitbegründerin der Initiative Kiefergesundheit. Die betagte (Jahrgang 1930), aber geistig hellwache Trägerin der Tholuck-Medaille wies noch einmal darauf hin, dass Stillkinder ihre Kiefermuskulatur kräftiger trainieren würden, als „Nuckelflaschenkinder“ und somit bessere Chancen auf eine starke Kaufunktion hätten.
Ein Blick in die Statistik: 1997/98 wurde die bisher einzige bundesweite prospektive Erhebung zum Thema „Stillen und Säuglingsernährung“ durchgeführt. Damals lag die Stillrate nach der Geburt bei 91 Prozent. Nach vier beziehungsweise sechs Monaten wurden noch 58 beziehungsweise 48 Prozent der untersuchten Kinder gestillt, davon 33 beziehungsweise 10 Prozent ausschließlich. Unterm Strich stillen also laut diesen Zahlen die allerwenigsten Frauen in Deutschland ihr Kind länger als ein Vierteljahr voll ohne zuzufüttern.
Während der Auftaktveranstaltung zum Tag der Zahngesundheit 2004 in Hamburg sprang in diesem Zusammenhang Bernd Wiethardt, damals zuständiger Referent für zahnärztliche Angelegenheiten bei den Krankenkassen, energisch auf eine Nuckelflasche. Das Motto hieß damals: „Gesund beginnt im Mund – vom ersten Schluck an!”
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Viele Kinder fallen noch durchs Raster
Ein Wermutstropfen blieb zum Ende der Veranstaltung: Das soziologische Stichwort dazu lautet Schichtenspezifitität. De facto werden in Deutschland längst nicht alle Kinder im Rahmen der Gruppen- geschweige denn durch Individualprophylaxe erreicht. „Wir haben heute noch zu wenig Risikogruppenbetreuung in der Bundesrepublik“, monierte Prof. Klaus Pieper, von der Abteilung für Kinderzahnheilkunde an der Uni Marburg – ebenfalls Tholuck-Medaillen-Träger. Pieper, der diverse Präventionsprogramme und neue Diagnoseverfahren in der Kariologie entwickelt und evaluiert hat, wünscht sich konkret mehr Fluoridierungsmaßnahmen für diese Gruppe.
Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands des GKV-Spitzenverbandes ergänzte: „Nur ein Drittel der unter Sechsjährigen nutzt die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen im Rahmen der Individualprophylaxe.“ Erfreulich sei zwar, dass die Gruppenprophylaxe mittlerweile rund 80 Prozent der Kinder in Kindertagesstätten erreiche, dorthin gingen aber nur 61 Prozent der Null- bis Sechsjährigen. Kinder, die also nicht in die Kita und auch nicht zur Individualprophylaxe gehen, fallen komplett durch das Screeningraster. „Auch heute noch sprechen deshalb gute Gründe dafür“, so von Stackelberg, „gerade die Kinder unter sechs Jahren am Tag der Zahngesundheit in den Mittelpunkt des Geschehens zu stellen.“
Bundesgesundheitsminister Gröhe bescheinigte den Anwesenden persönlich, gute Arbeit geleistet zu haben. Mit Blick auf das verabschiedete Präventionsgesetz ergänzte der Minister: „Dafür ist die Zahnmedizin das Rohmodell, das zeigt, wie es funktioniert.“