Europatag der Bundeszahnärztekammer

Die Zentrale will mehr Macht

In Brüssel fand zum zehnten Mal der Europatag der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) statt. Beim ersten Blick auf das Thema „Transparenzprozess und Freie Berufe“ fiel es schwer, Interessantes zu entdecken. Doch unter dem für die EU üblichen – und für Außenstehende nichtssagenden – Thementeppich brodelt es.

Sollte die Europäische Kommission mit ihren „Vorstellungen“ durchkommen, stehen für die Freien Berufe vor allem in Deutschland erhebliche rechtliche und ökonomische Veränderungen ins Haus. Der Stein rollt bereits und wurde jetzt durch das gegen Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren – betroffen sind Architekten und Steuerberater – im Hinblick auf die Dienstleistungsrichtlinie nochmals beschleunigt.

Das ökonomische Mantra

Insofern war der Veranstaltungstitel „Der Transparenzprozess und Freie Berufe – mehr Wachstum durch Deregulierung“ typisch europäisch. Transparenzprozess bedeutet, dass seitens der EU-Kommission bestimmte Berufe und Berufsgruppen eine Evaluation hinsichtlich der berufsrechtlichen Rahmenbedingungen in ihren Ländern durchlaufen.

Ziel ist, Freizügigkeitshemmnisse zu erkennen und im Hinblick auf Wachstum in der EU – so das Mantra der Kommission – zu beseitigen. Im derzeitigen „Europäischen Semester“ stehen die regulierten Berufe im Fokus – auch die DH, die beispielsweise in Großbritannien ein eigenständiger Beruf ist.

Die Brisanz, die für die Freien Berufe darin steckt, brachte der Gastgeber des Europatags, BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel, auf den Punkt: „Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel. Es scheint das übergeordnete Ziel der Kommission zu sein, mit der sogenannten Deregulierung nationaler Berufsregelungen neue Wachstumsimpulse setzen zu wollen. Rein ökonomische Interessen stehen im Vordergrund.“ Dabei beachte die Brüsseler Kommission überhaupt nicht, führte Engel in seinem einleitenden Statement aus, dass die berufsrechtlichen Regulierungen und Normen der verkammerten Berufe auf demokratischen Prinzipien basieren, deren Organisation und Kontrolle sogar noch von dem jeweiligen Freien Berufsstand selbst finanziert werden.

Der Nutzen, der daraus erwächst – Sicherheit, Überprüfbarkeit, Qualitätsstandards oder auch feste Preise für eine Dienstleistung – würde jedoch seitens der Kommission weitgehend negiert. Dass die hochwertigen Dienstleistungen – so ungewöhnlich dieses Wort in den Ohren von Heilberuflern klingen mag – der Wirtschaftskrise getrotzt haben und sogar in den zurückliegenden, von der Krise überschatteten Zeiten Arbeitsplätze geschaffen haben statt diese abzubauen, ist für Engel ein weiterer Beleg für die gute Funktionsfähigkeit des deutschen Kammersystems.

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Schlechte Sicht mit EU-Brille

Allerdings glänzt das aus deutscher Sicht sehr erfolgreiche Kammermodell durch die europäische Brille betrachtet nicht so sehr. Gerade die Angelsachsen sehen in der Freiberuflichkeit (liberal professions) lediglich eine kontinentaleuropäische Besonderheit. England habe im Gegensatz zu Deutschland ein System, das auf Prinzipien basiert, nicht auf Gesetzen, erläuterte Dr. Horst Vinken, Präsident des Bundesverbands der Freien Berufe (BFB). Und das sei Fremdkapital- bestimmt und von daher nur bedingt mit Vergütungsordnungen in Einklang zu bringen, die zudem – so sein Petitum – die Ergebnisqualität in den Vordergrund stellen.

Steuerberater für Griechen

Was das bedeuten kann, verdeutlichte Vinken, der auch Präsident der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) ist, anhand eines aus Sicht der – deutschen – Betroffenen schmerzhaften Beispiels: Hätte Griechenland Steuerberater wie in Deutschland, wo diese Organ und Teil der Rechtspflege sind, gäbe es dort kein Finanzierungsproblem.

Ob dieses Argument dem Kommissionsvertreter gefallen hat, ist dem Redakteur nicht bekannt. Allerdings ließ Martin Frohn, Leiter des Referats berufliche Qualifikationen und Fähigkeiten der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie und KMU der Europäischen Kommission (so der offizielle Titel), den Schluss, dass Qualität Regeln braucht, nicht gelten.

Denn Qualität sei sehr schwer zu messen, der Nachweis, dass die Qualität hoch sei, noch niemandem gelungen, schon gar nicht, dass es an den Regulierungen liegt. Den aus seiner Sicht „hypersensiblen Verbandsvertretern“ schrieb er ins Stammbuch: „Es kann nicht sein, dass eigene System selbstreferenziell als das Beste zu beschreiben!“

###more### ###title### Regulierung versus Wettbewerb ###title### ###more###

Regulierung versus Wettbewerb

Da war sie wieder, die Vorstellung, dass Regulierung ein Wettbewerbshemmnis sei, mithin die Selbstverwaltung nur bedingt binnenmarkttauglich ist. Von außen betrachtet mag es auf der Hand liegen: Regulierung ist Unfreiheit und Mindestgebühren sind das Gegenteil von Wettbewerb. Das sah Evelyne Gebhardt (SPD), Mitglied des Europäischen Parlaments und binnenmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, ganz anders. Sie argumentierte, dass Mindestgebühren gerade für den Verbraucherschutz besonders wichtig seien. Denn Dumping führe zu weniger Wettbewerb und mittelfristig zu steigenden Preisen.

Dass am deutschen Horizont die Einschränkung der Freiberuflichkeit auftaucht, sieht auch Prof. Dr. Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer. Er macht dafür vor allem den Paradigmenwechsel in der Kommission verantwortlich, deren Denken und Handeln zunehmend ökonomisch nach dem angelsächsischen Modell geprägt sei.

Mit dieser Lehre kollidiere die Erfahrung in Deutschland: „Es gibt eine Kausalität zwischen Qualität und Preis. Konsumentensouveränität gibt es im Gesundheitswesen nicht!“ Ob Herr Frohn der weiteren Argumentation des Ärztepräsidenten gefolgt ist, dass die GOÄ ein Instrument des Patientenschutzes ist, wie ein Blick auf die Verhältnisse in den USA zeige, und die freie Preisbildung im Gesundheitswesen der Niederlande gescheitert ist, darf bezweifelt werden.

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