Ein Virus in der Ärzteschaft
Wer die Gesundheitspolitik in Berlin intensiv beobachtet, fragt sich, welcher Virus wohl die deutsche Ärzteschaft befallen hat. Die KBV, einst eine mächtige Körperschaft, beschäftigt sich seit vielen Monaten vor allem mit sich selbst, ihre Vertreterversammlung ist in zwei Lager gespalten. Die einen wollen die Köhler’schen Hinterlassenschaften am liebsten ohne jedwede Konsequenz unter den Tisch fallen lassen, am besten nicht mehr darüber reden und alle mit Sanktionen belegen, die mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden sind. Die anderen sind die Aufklärer, die alles auf den Tisch des Hauses legen und Klarheit auch über die finanziellen Auswirkungen der vielfältigen Verflechtungen erhalten wollen.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) als Aufsichtsbehörde einer Körperschaft öffentlichen Rechts muss auf Aufklärung pochen, hat inzwischen rechtliche Schritte eingeleitet und Andreas Köhler wegen Untreue angezeigt. Als Rechtsaufsicht kann das BMG derartiges nicht übersehen, leben wir doch in einem Rechtsstaat, der für Körperschaften des öffentlichen Rechts bestimmte Regeln aufgestellt hat, die Richtschnur allen Handelns sein müssen. Pikanterweise hat vor einiger Zeit die KBV-Vertreterversammlung zu der im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vorgeschriebenen fachlichen Trennung in eine Haus- und eine Facharzt-KBV beschlossen, geltendes Recht einfach nicht umzusetzen. Dies hat sie am 4.12. trotz der Androhung einer Ersatzvornahme in einem Brief von Staatssekretär Lutz Stroppe noch einmal wiederholt. Das lässt schon die Stirn kräuseln.
Doch damit nicht genug, nun greift dieser merkwürdige Virus auch auf die Bundesärztekammer über. Nach langen Verhandlungen über die GOÄ, in der die Ärzte zwar einige Kröten schlucken mussten, aber auch etliche Punkte auf ihr Haben buchen konnten, proben drei Landesärztekammern den Aufstand und haben via Satzung einen Sonderärztetag durchgesetzt. Einige Teile der Ärzteschaft sind mit dem, was Verhandlungsführer Theo Windhorst erreicht hat, völlig unzufrieden und wollen neue Verhandlungen erzwingen.
Nun ist die GOÄ letztlich kein Ergebnis einer Verhandlung, wie manche zu glauben scheinen, vielmehr erlässt der Verordnungsgeber BMG die GOÄ. Das BMG hatte schon vorsichtig signalisiert, dass es dieses Ergebnis weitgehend in die Verordnung übernehmen würde. Das schmeckt den Ärzten aber nicht. Das Ministerium ist aber nun mal nicht der oberste Lobbyist der Ärzte, sondern muss ebenso die Interessen der Krankenhäuser, der PKV und der Beihilfe im Blick haben.
Die Anzahl der Krankheitskostenvollversicherungen nimmt seit einigen Jahren stetig ab, wohl auch, weil Vollversicherungen nicht mehr so attraktiv sind wie in der Vergangenheit. Allein deshalb macht es wenig Sinn, die PKV strangulieren zu wollen und in jeder Hinsicht den Status quo – nur mit noch mehr Geld – zu erhalten. Die Kuh, die man melken will, darf man bekannterweise nicht schlachten. Diese simple Weisheit scheint einigen Teilen der Ärzteschaft abhanden gekommen zu sein. Es scheint an der Zeit, dass in der Ärzteschaft wieder Bodenhaftung und Realismus einkehren, dann könnte sie wieder mächtig werden.
Die Zahnärzteschaft dagegen kann sich momentan glücklich schätzen. In der KZBV herrscht ein solider Burgfrieden – seitdem sind viele Projekte erfolgreich auf den Weg gebracht worden, etliches ist schon in geltendes Recht umgesetzt worden. Der BZÄK steht eine funktionierende GOZ zur Verfügung, die den Zahnärzten mehr an Einkommen beschert hat als ursprünglich angenommen – auch hier herrscht weitgehend Frieden.
Deshalb kann sich die Zahnärzteschaft neuen Projekten zuwenden, ihr Leitbild weiterentwickeln, sich intensiv mit der Versorgung von Flüchtlingen befassen und sich an die Speerspitze gegen Angriffe auf die Freiberuflichkeit aus Brüssel setzen.
Oh glückliche Zahnärzteschaft!
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