Zahnzusatzversicherung

HKP-Auktion bei ERGO Direkt

Die ERGO Direkt pfeift auf den mündigen Patienten: Wie es aussieht, stellt sie ungefragt den HKP ihrer Kunden auf 2te-ZahnarztMeinung.de ein und drängt ihnen Billigangebote auf. Das ist rechtlich bedenklich. Der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel, verlangt, dass die Versicherung das „vergiftete Serviceangebot“ sofort einstellt. Ein Bericht über Auswüchse eines Geschäftsmodells, das ohne teilnehmende Zahnärzte gar nicht funktionieren würde.

Wenn Kunden der ERGO Direkt einen Heil- und Kostenplan zuschicken, werden sie anscheinend mit einem ganz speziellen „Service“ beglückt: Die Versicherung stellt daraufhin nämlich eigenmächtig die Informationen aus dem HKP auf dem Auktionsportalwww.2te-ZahnarztMeinung.deein.

Bekannt wurde der Fall, als sich ein betroffener Patient bei seiner Zahnärztin beschwerte. Zuvor hatte sie bei ihm eine implantologisch-prothetische Versorgung geplant, und da er bei der ERGO Direkt eine ZE- Zusatzversicherung abgeschlossen hatte, reichte er dort anschließend den entsprechenden HKP mit der Frage der Leistungserstattung ein. Wie er seiner Zahnärztin erzählte, informierte ihn ERGO Direkt später per Brief, dass sie seinen HKP auf dem Auktionsportal 2te-ZahnarztMeinung.de angeboten habe – ohne seine Zustimmung. Ein starkes Stück, sollte sich bestätigen, dass dieses Vorgehen Methode hat.

„Stellen Sie dieses vergiftete Angebot ein!“

Diese Ansicht teilt auch BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel: „Das ist jedenfalls ein Vorgang, der hier in dieser ’Qualität’ noch nicht aufgeschlagen ist! Die Ergo Direkt beschränkt sich nicht nur darauf, zu empfehlen, auch andere Zahnärzte in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, sondern hat a) für den Versicherungsnehmer über das Internet schon andere Zahnärzte um ein Kostenangebot gebeten und b) setzt zudem mit einem 50 Euro-Gutschein noch einen finanziellen Anreiz für die Kontaktaufnahme mit einem ’billigeren Zahnarzt’.“

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Für Engel ist ein derartiges Geschäftsgebaren deshalb „völlig inakzeptabel – für den Patienten, für den Zahnarzt und für den gesamten Berufsstand!“ In einem Brief forderte er nun den Ergo Direkt-Vorsitzenden Peter Stockhorst auf, diese Praktiken zu unterlassen: „Das ungefragte Vorausfüllen der Anfrage bei www.2te-ZahnarztMeinung.de in Kombination mit dem Versprechen, dem Versicherungsnehmer 50 Euro für das Aufsuchen eines anderen Zahnarztes zahlen zu wollen, setzt den Versicherungsnehmer unangemessen unter Druck. Die Bundeszahnärztekammer appelliert daher an Sie, dieses vergiftete Serviceangebot kritisch zu hinterfragen und im Ergebnis einzustellen.“

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Ohne Frage sei es das gute Recht des Patienten, sich bei einem weiteren Zahnarzt eine echte zweite Meinung einzuholen, konzidiert Engel, ein anonymes Bewertungsportal sei dafür aber gänzlich ungeeignet. „Zahnärztliche Therapieentscheidungen sind höchst komplex“, schreibt Engel. Auktionsportale für Zahnersatz reduzierten die zahnmedizinische Versorgung jedoch auf den Preis und taugten damit überhaupt nicht für eine Hilfestellung, da der mitsteigernde Zahnarzt ein Angebot abgibt, ohne den Patienten zu kennen und ohne ihn selbst untersucht zu haben. Solche Ferndiagnosen würden der Individualität eines Patienten nicht gerecht. „Wenn Sie die geplanten zahnprothetischen Versorgungen Ihrer Versicherungsnehmer in einer internetbasierten, auktionsähnlichen Bieterbörse versteigern, nehmen Sie in Kauf, dass damit die Regeln der zahnärztlichen Wissenschaft verletzt werden“, rügt Engel.

„Bedenklich und rechtlich grenzwertig“

„Die Ergo Direkt Krankenversicherung negiert diese Risiken“, kritisiert der BZÄK-Präsident weiter. „Sie beschränkt sich nicht nur darauf, zu empfehlen, auch andere Zahnärzte in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, sondern hat – ohne dessen Aufforderung – für den Versicherungsnehmer über das Internet schon andere Zahnärzte um ein Kostenangebot gebeten. Damit nicht genug, setzen Sie zudem noch einen finanziellen Anreiz für die Kontaktaufnahme.“

Insgesamt werde mit dem vermeintlichen Service die freie Arztwahl unzulässig eingeschränkt, der betroffene behandelnde Zahnarzt desavouiert, der Berufsstand bewusst gegeneinander ausgespielt und der Beruf des Zahnarztes – ein Heilberuf – auf einen reinen Kostenfaktor reduziert. Engel: „Die Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten ist aber mehr, als die Summe am Ende eines Heil- und Kostenplans! Die Bundeszahnärztekammer hält dieses Vorgehen für bedenklich und rechtlich grenzwertig.“

Das besagte (Standard-) Informationsschreiben des Vorstandsvorsitzenden Stockhorst, das der Patient bekam, liegt der Redaktion vor. Darin präsentiert der ERGO Direkt- Vorsitzende Stockhorst die HKP-Auktion mit dem Namen „Ihr Zahnkosten-Optimierer“ als neuen Kundeservice.

Das Warten habe sich gelohnt, verkündet Stockhorst: „Heute können wir Sie über das erfreuliche Ergebnis Ihrer Behandlungsauktion informieren. Unserem Schreiben haben wir die Auktions-Angebote für Sie beigelegt. Sie beinhalten eine Aufstellung der Behandlungskosten, Ihren Eigenanteil, die Gesamtanzahl der Zahnarzt-Bewertungen sowie die jeweilige Entfernung zu Ihrem Wohnort.“

Im Folgenden gibt Stockhorst den Versicherten detaillierte Instruktionen, wie sie mithilfe der mitgeschickten Auktionsnummer auf der Internetseite www.2te-ZahnarztMeinnung.de die Zahnarztbewertungen nachlesen können. „Sie haben sich für ein Angebot entschieden und möchten einen unverbindlichen Termin mit dem Zahnarzt Ihrer Wahl vereinbaren? Dann rufen Sie uns bitte an. Gerne teilen wir Ihnen die Kontaktdaten der Zahnpraxis (sic) mit.“

Wenn die Kunden sich „für ein unverbindliches Beratungsgespräch“ entschließen, „erstatten wir Ihnen für Ihr Engagement 50,00 EUR. Verwenden Sie hierzu das beiliegende Formular und lassen sich den Tag der Beratung mit Unterschrift und Stempel des Auktions-Zahnarztes bestätigen. Sobald uns diese Bestätigung vorliegt, überweisen wir Ihnen den Betrag auf das uns bekannte Abbuchungskonto.“

„Ihr Zahnkosten-Optimierer“

Zusammengefasst erhalten ERGO Direkt-Versicherte, die ja in der Regel auch vorab mit ihrem Zahnarzt den Therapieplan besprochen haben, also augenscheinlich per Post vermeintlich günstigeren Angebote – ohne dies beauftragt zu haben. Und damit sie auch wirklich darauf eingehen, verspricht ihnen die Versicherung 50 Euro für die Teilnahme an einem „Beratungsgespräch“ mit dem bietenden Zahnarzt.

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„Benzingutschein“ nennt Holger Lehmann dieses kleine Incentive. Lehmann ist der Geschäftsführer bei der Mojo GmbH, die das Internet-Auktionsportal 2te-ZahnarztMeinung.de betreibt. Der Diplom-Kaufmann erklärte uns, dass ERGO Direkt auf keinen Fall ungefragt die Heil- und Kostenpläne einstelle: „Sondern das läuft so: Der Patient schickt den HKP vorab zu ERGO Direkt, um zu klären, wie viel die Versicherung übernimmt. Wenn der Kunde einen hohen Eigenanteil leisten muss, fragt ERGO Direkt im Vorfeld nach, ob Interesse an einem Preisvergleich besteht. Wenn ja, stellt ein Mitarbeiter der Versicherung den betreffenden HKP ein – in der Regel für drei Tage. ERGO Direkt druckt sich das Ergebnis aus und schickt es dem Patienten anonymisiert zu.“

Entscheidet sich der Kunde für ein Auktionsangebot, sei der erste Termin beim bietenden Zahnarzt „ein Kennenlern- und Untersuchungstermin. Beide Seiten können schauen, ob die Chemie stimmt“.

Den 50 Euro-Benzingutschein bekomme im Übrigen jeder Patient für den ersten Termin – unabhängig davon, ob er Behandlung in Anspruch nimmt. Lehmann: „Das ist eine Art Aufwandsentschädigung.“

Kein schönes Geschäftsmodell, das die Behandler zwingt, gegeneinander anzutreten. Doch wenn es stimmt, was Lehmann sagt, dann würde dieser „Service“ den Patienten am Ende zwar vermutlich einen Bärendienst erweisen, aber – so urteilte der Bundesgerichtshof 2010 – legal sein. Allerdings liegen den zm eine schriftliche Erklärung der behandelnden Zahnärztin vor, in der sie die Aussage des Patienten bestätigt, wonach ERGO Direkt ohne dessen Auftrag die Auktion auf 2te-ZahnarztMeinung.de veranlasst und ihn dann mit dem entsprechenden Angebot konfrontiert habe.

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