Leitartikel

Rückkehr zur Rechtsaufsicht mit Augenmaß!

„Das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz bringt die Selbstverwaltung „gestärkt“ auf die Palliativstation“ – so bringt der Informationsdienst (gid, Nr. 32, 6.10.2106) die Stoßrichtung der neuen Gesetzespläne zum GKV-SVSG aus dem BMG auf den Punkt.

Der gid zitiert eine Analyse des renommierten Sozialrechtlers Prof. Peter Axer, Heidelberg, der bei den geplanten Regelungen die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit stellt. Er halte die Pläne im GKV-SVSG für zu weitgehend, für unverhältnismäßig und für maßlos. In der Tat ist das, was da an Plänen aus dem BMG kommt, für die Selbstverwaltungskörperschaften an Brisanz nicht zu unterschätzen. Insgesamt erzeugt das Gesetz ein Klima aus Misstrauen und drohender Repression. Die für eine gedeihliche Zusammenarbeit von Politik und Selbstverwaltung erforderliche Vertrauensbasis würde nachhaltig zerstört. Würde der Entwurf so umgesetzt, so wären die Körperschaften geradezu entmündigt. Denn die Lenkungsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörde gegenüber der Selbstverwaltung würden durch den erkennbar mit dem Entwurf verfolgten Wechsel von der Rechtsaufsicht zur Fachaufsicht ganz wesentlich erhöht. Selbstverwaltung ist aber substanzieller Bestandteil der zahnärztlichen und ärztlichen Freiberuflichkeit, die wiederum Voraussetzung für die Weiterentwicklung der hohen Versorgungsqualität der Patienten ist. Fest steht, dass jetzt der Schulterschluss der gesamten Selbstverwaltung notwendig ist, um Schaden von unserem funktionierenden GKV-System abzuwenden. Aus unserer Sicht besonders problematisch sind folgenden drei Punkte: 1. Die verbindlichen Vorgaben für unbestimmte Rechtsbegriffe, wodurch das BMG sich selbst ermächtigt, jegliches Verwaltungshandeln der Körperschaften eigenständig zu regeln. 2. Hinzu kommt die Selbstvornahme von Satzungsänderungen, wodurch das Ministerium bei Bedarf die Satzung der Körperschaften eigenständig detailliert bestimmen kann – und zwar sogar dann, wenn es sie zuvor selbst genehmigt hatte. 3. Es kann eine neue Art „Staatskommissar light“ eingesetzt werden, wenn das BMG lediglich Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Verwaltung sieht.

Unsere Hauptkritikpunkte haben wir in einem Zehnpunkteprogramm zusammengefasst (siehe Interview ab Seite 22). Tangiert sind – neben der KBV und der KZBV – auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) der GKV-Spitzenverband und der Verwaltungsrat des MDS. Auf der BMG-Verbändeanhörung zum Referentenentwurf am 19.10. haben die betroffenen Organisationen der Selbstverwaltung ihre massiven Bedenken sowohl in schriftlichen wie auch mündlichen Stellungnahmen formuliert und vorgetragen. Fest steht: Die Fülle der geplanten Maßnahmen sind auch durch die bekannten Vorfälle in einer Körperschaft nicht gerechtfertigt. Hätte das BMG schon damals seine aufsichtsrechtlichen Pflichten in gebotenem Umfang sorgfältig und rechtzeitig wahrgenommen, hätte das erst jetzt in vollem Umfang erkennbare Desaster sicher begrenzt oder gar verhindert werden können. Jetzt müssen wir uns die Frage stellen: Haben wir in der Selbstverwaltung noch Gestaltungsspielräume? Ist die Wahrung der Rechtsaufsicht durch das Ministerium noch gegeben, zumal einer „maßvollen“, wie sie auch das Bundessozialgericht in seiner ständigen Rechtsprechung einfordert? Oder ist der Rubikon überschritten und wir bewegen uns tatsächlich hin zu einer Fachaufsicht? Dass die Regierung ein Gesetzeskonstrukt vorlegt, das entgegen seinem euphemistischen Titel nicht auf „Stärkung“, sondern auf Schwächung eines intakten Systems abzielt, ist mehr als unverständlich. Auf der Vertreterversammlung der KZBV am 16. und 17.11. in Berlin werden sich die Delegierten positionieren und eindeutige Beschlüsse fällen. Aller Voraussicht nach wird Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz bei ihrer Grußrede an die VV den Kabinettsbeschluss zum GKV-SVSG mit in der Tasche haben. Wir werden das BMG dazu auffordern, zu einer Rechtsaufsicht mit Augenmaß zurückzukehren und das Gesetz mit Inhalten zu füllen, die seinem Titel gerecht werden und die Selbstverwaltung tatsächlich nachhaltig stärken. Der Entwurf darf so jedenfalls nicht Gesetz werden.

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