Der besondere Fall mit CME

Ein Pindborg-Tumor in der Oberkieferfront

Christian Walter
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Eine junge Patientin wurde mit einer noch unbekannten, langsam wachsenden Raumforderung im oberen Frontzahnbereich überwiesen. Erst die histologische Abklärung sicherte die Diagnose eines seltenen intraossären Tumors.

Eine 11-jährige Patientin wurde mit einer vestibulär des Zahnes 21 gelegenen Schwellung überwiesen. Nebenbefundlich war eine dialysepflichtige Niereninsuffizenz bekannt, die Medikamentenanamnese war blande.

Bei enoraler Inspektion (Abbildung 1) zeigte sich streng im Bereich der fixierten Gingiva von regio 21 bis mesial an den Zahn 22 heranreichend eine kugelige Raumforderung, die von intakter, unauffälliger Schleimhaut mit leichter Rötung distal vermutlich auf Basis von Vormanipulationen durch die Vorbehandler (siehe unten) bedeckt war. Zahn 21 hatte Lockerungsgrad 2.

In der Panoramaschichtaufnahme (Abbildung 2) zeigt sich ein unauffälliges Wechselgebiss, mit deutlicher Transluzenz in der interessierenden Region. Aus gegebenem Anlass wurde zur weiteren diagnostischen Abklärung und Operationsplanung eine digitale Volumentomografie durchgeführt (Abbildung 3), in der sich eine scharf begrenzte, unmittelbar zu Zahn 21 assoziierte, etwa 10 mm x 8 mm x 5 mm große Osteolyse unter Verdrängung des Zahnes 21 nach palatinal zeigt.

Eine alio loco bereits durchgeführte Probebiopsie ergab das Vorliegen eines Pindborg-Tumors, so dass operativ unter Erhalt des Zahnes 21 eine Enukleation des Tumors unter additiver Resektion der vestibulären Knochenlamelle durchgeführt wurde. Der entstandene Defekt wurde mit Kollagen aufgefüllt und die noch vorhandene fixierte Gingiva mobilisiert, nach crestal verschoben und neu fixiert. Zahn 21 wurde mittels Säure-Ätztechnik zur Stabilisierung an den Nachbarzähnen für sechs Wochen fixiert.

Die histopathologische Aufbereitung des Resektats bestätigte die Vorhistologie eines Pindborg-Tumors (Abbildung 4).

Der weitere Wundheilungsverlauf gestaltete sich bis auf eine leichte Gingivarezession an Zahn 21 weitestgehend komplikationslos. Beim Wiedervorstellungstermin sechs Monate später hatte Zahn 21 keinen erhöhten Lockerungsgrad mehr, in der digitalen Volumentomografie zeigt sich eine deutliche ossäre Regeneration im ehemaligen Tumorgebiet mit Ausbildung einer neuen vestibulären Knochenlamelle (Abbildung 5).

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Diskussion

Die WHO definiert den kalzifizierenden epithelialen odontogenen Tumor als eine lokal invasiv wachsende, epitheliale odontogene Neoplasie, charakterisiert durch Amyloid, das sekundär kalzifizieren kann [Barnes L et al., 2005].

1955 wurde der Tumor erstmalig von Jens Jorgen Pindborg als kalzifizierender epithelialer odontogener Tumor bezeichnet, woher sich der synonym verwendete Terminus des Pindborg-Tumors herleitet [Reichart PA, Philipsen HP, 2004].

Der Pindborg-Tumor nimmt innerhalb der odontogenen Tumoren einen Anteil von unter einem Prozent ein, zeigt keine Geschlechtsbevorzugung und hat ein mittleres Erkrankungsalter von 40 Jahren. Etwa 94 Prozent der Pindborg-Tumore entstehen intra- (zentral), etwa sechs Prozent extraossär (peripher), wobei letztere bezüglich des Alters der Patienten zum Diagnosezeitpunkt jünger sind, da sie lagebedingt früher diagnostiziert werden. Intraossäre Tumore entwickeln sich doppelt so häufig im Unter- wie im Oberkiefer, extraossäre Tumore kommen hauptsächlich im Bereich der anterioren Gingiva zu liegen, wobei generell alle Regionen durch beide betroffen sein können [Barnes L et al., 2005].

Klinisch präsentiert sich der Tumor meist als langsam wachsende Raumforderung. Abhängig von der Lage kann er zum Beispiel zu einer Nasenatmungsbehinderung, Nasenbluten oder Kopfschmerzen führen.

Radiologisch weisen die meisten Pindborg-Tumore eine Mixtur aus radioopaken und transluzenten Strukturen auf, wobei es große Spannbreiten gibt. Besonders bei kleineren Tumoren kann es sein, dass die kalzifizierten Konkremente radiologisch nicht nachweisbar sind. Die Tumore können uni- oder multilokulär auftreten und liegen häufig in Nachbarschaft zu den Kronen nicht durchgebrochener Zähne, meistens von Molaren [Barnes L et al., 2005; Reichart PA, Philipsen HP, 2004]. Die Therapie der Wahl besteht bei kleineren Tumoren in der Enukleation, bei größeren in der lokalen Resektion. Die Rezidivrate wird in der Literatur mit 14 Prozent beziffert, wobei die klarzellige Variante des kalzifizierenden epithelialen odontogenen Tumors mit 22 Prozent etwas häufiger rezidiviert [Barnes L et al., 2005], so dass ein Follow-up für mindestens fünf Jahre empfohlen wird [Reichart PA, Philipsen HP, 2004]. Eine maligne Entartung scheint prinzipiell möglich [Reichart PA, Philipsen HP, 2004].

Im vorliegenden Fall wurde der Tumor durch die Schwellung im Bereich der Gingiva detektiert. In der radiologischen Bildgebung gelang der Nachweis kalzifizierender Anteile nicht, so dass die Diagnose erst durch die Histologie gestellt werden konnte.

PD Dr. Dr. Christian Walter, Dr. Konstantinos Saridakis, Prof. Dr. Dr. Wilfried WagnerKlinik für MKG-Chirurgie – plastische Operationen der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzAugustusplatz 1, 55131 Mainz E-mail:Dr. Sebastian Försch, Institut für Pathologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzLangenbeckstr. 1, 55131 Mainz

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