Ergonomisch arbeiten am OPMI
Wer mit Nackenbeschwerden am Mikroskop arbeitet, muss das Okular kompromisslos an die Kopfhaltungen anpassen, bei denen Hals- und Nackenmuskulatur möglichst nahe dem muskulären Gleichgewicht sind. Nur dann kann er strukturelle Wirbelschäden vermeiden. Dies sind Haltungen im Bewegungsbereich des Atlantooccipitalgelenks bei minimalem Tonus der Nackenmuskeln. Da der Schwerpunkt des Kopfes vor dem Drehpunkt liegt, liegt die ermüdungsarme Position für Präzisionsarbeit zwischen 20 bis 30 Grad vor der Senkrechten.
Dieser spannungsfreien Kopfhaltung entspricht eine spannungsfreie muskuläre Lagerung der Augenbulbi. Sie definieren den Sehachsenwinkel. Weicht die Einstellung des Okulars von dem Sehachsenwinkel ab, muss die Kopfhaltung angepasst werden und geht in eine Zwangshaltung über, wie „turtle neck“ oder in eine zu dorsale Kopfhaltung – wie in der ersten Reihe im Kino. Die ausgewogene Kopf- Augenhaltung ist das Ergebnis einer ausgewogenen Körperhaltung (Abbildung 1).
Die Arm- und Handhaltung
Proprioceptive Bewegungsstudien für Fingerpräzisionsarbeit (ohne Mikroskop) führen zur Positionierung „R“ der arbeitenden Finger in Herzhöhe und in Körpermitte. Dies ist eine Position, in der sich die Agonisten und Antagonisten der Unter- und Oberarmmuskulatur möglichst nahe dem muskulären Gleichgewicht befinden,
Je nachdem, ob die Behandlung im Ober- oder Unterkiefer geschieht, wird die Arbeitshöhe von der Referenzhöhe abweichen. Die Position des Behandlers bleibt auch dann unbeeinflusst, wenn die Kanäle in unterschiedlichen Richtungen zur Mediansagittalen des Behandlers, wie sie zum Beispiel bei Zahn 16 zu finden sind, vorliegen (Abbildung 2).
###more### ###title### Fingerbewegungen ###title### ###more###
Fingerbewegungen
Die einfachste und präziseste Fingerbewegung im Millimeterbereich und in Körpermitte ist die Flexionsbewegung bei geradem Handgelenk. Sie bewegt das Instrument in sagittaler Richtung, das heißt auf den Behandler zu oder von ihm weg. Es ist logisch, die Kanalrichtungen entsprechend den jeweils einfachsten Fingerbewegungen zuzuordnen, um für die delikate Behandlung der Wurzelkanäle eine maximale Voraussetzung für Feintaktilität zu schaffen. Die Anpassung des Arbeitsobjekts an die Fingerbewegungen entspricht der Patientenlagerung.
Die senkrecht zur Horizontalen stehende OK-Ebene und die 45 Grad stehende UK-Ebene sind Garant dafür, dass mit maximaler Fingerpräzision (Zeigefingerflexion) bei geradem Handgelenk gearbeitet werden kann. Arbeiten mit minimaler statischer Muskelarbeit bei maximaler Fingerkontrolle geht nur in der 12:00 Position, da die Arbeitshaltung nie verdreht, sondern ausbalanciert ist, weil das Arbeitsobjekt in der Körpermitte des Behandlers liegt und symmetrisch bearbeitet werden kann und vor allem deswegen, weil die Position der Wurzelkanäle mit den einfachsten Fingerpräzisionsbewegungen – das sind Flexionsbewegungen – kongruent ist. Um mit Fingerextensionsbewegungen die Kanäle zu erreichen, muss der Oberarm gehoben werden, was gesundheitsschädlich ist.
Für die Finger-Instrumenten-Bewegung im Mund gilt: Je weniger Arm- und Schultermuskeln angespannt sind, desto genauer und freier können sich die feinen Muskeln, die auf die Fingergelenke wirken, unverkrampft bewegen. Das ist eine unbedingte Voraussetzung für maximale Taktilität und Präzision (Abbildungen 3 a und 3b).
Die Sicht
Der physiologische Augen-Objekt-Abstand ist am OPMI nicht notwendig, da der Arbeitsabstand eingestellt wird. Die zentrale Sicht auf das Arbeitsobjekt- die Zugangskavität und der Kanal – geschieht ausschließlich indirekt über den Spiegel. Für die reflektierte Sicht benutzen wir einen kleinen, leichten, frontverspiegelten Spiegel mit einem Durchmesser von 14 mm und 4 g Gewicht, ohne Gewinde zwischen Hand- und Arbeitsteil. Rückverspiegelte Spiegel sind ungeeignet, da Doppelbilder entstehen (Abbildung 4).
Die Bewegungsebenen
Die Behandlung mit dem Mikroskop lässt nur sehr beschränkte Kopf- und Körperbewegungen zu (Abbildung 5). Bei Wurzelkanalbehandlungen sind die Positionen zwischen 11:45 und 12:15 bei Kopfdrehung des Patienten zwischen +45 und -45 Grad für alle zu behandelnden Kanäle ausreichend, um balanciert zu arbeiten.
In der Endochirurgie zum Beispiel bei Wurzelspitzenresektionen oder retrograden Wurzelfüllungen wird eine direkte Sicht zwischen 10:00 und 12:00 bei Kopfdrehung des Patienten zwischen +45 und -45 Grad erforderlich, um genauso entspannt arbeiten zu können (Abbildung 6).
###more### ###title### Arbeitsumfeld und Assistenz ###title### ###more###
Arbeitsumfeld und Assistenz
Der Einfachheit halber heißt das beschriebene Behandlungskonzept „12:00 Behandlung“, wohl wissend, dass man nicht aus einer Position alles erreichen kann. 12:00 ist die Referenzposition, von der aus der Bewegungsraum des Zahnarztes zwischen 10:00 und 12:30 abgeleitet wird. Dieser Bereich ist für die ZFA tabu, um die Arbeitsbewegungen des Behandlers nicht zu stören. Sie muss mit dem restlichen Platz auskommen, da nur einer die Priorität in der Mundhöhle haben kann. Sie sitzt höher als der ZA: in Position 3:00.
Eine andere Möglichkeit wäre die Assistenz im Stehen. Stehen ermöglicht auch eine ausgewogene Haltung, man ermüdet jedoch schneller. Eine Sitz-Stehhilfe kann den Wechsel vom Stehen zum Sitzen ohne Haltungsänderung erleichtern (Abbildungen 7 a bis c).
Der stabilen Zahnarzt-Patienten-Mikroskop-Beziehung folgt logischerweise die Zuordnung der benötigten Arbeitsgeräte, die Zuordnung der ZFA im kleinen Greifraum des Zahnarztes und in seinem peripheren Gesichtsfeld. Das Arbeitsumfeld kann so ohne großen visuellen Kontrollverlust auf das Arbeitsobjekt erreicht werden. Die ZFA kann das Operationsfeld über einen Bildschirm in ihrem Sichtfeld (wie hinter dem Behandler an der Wand) oder über einen Mitbetrachtertubus kontrollieren, um effektiv assistieren zu können.
Das Mikroskop wird dort fest montiert, wo es nicht stört, wenn es nicht gebraucht wird. Es wird mit einer zielgerichteten Bewegung in die Gebrauchsposition geführt, da das Arbeitsobjekt immer an derselben Stelle – in der Körpermitte des Zahnarztes – liegt. Die Höhenfeineinstellung geschieht mithilfe des Slow-Speed-Modus-Hebels im Fußbedienteil. Das ist ideal, denn die Hände berühren nur den Mund und die benötigten Instrumente (Minimierung der Kontamination).
Wird die Harmonie zwischen Zahnarzt, Mikroskop und ZFA durch den Fuß der zahnärztlichen Einheit, durch störende Bodenanschlüsse oder gar durch das Mikroskop selbst gestört, kommt es zu Fehlhaltungen, an die man sich unmerklich gewöhnt, und die im Laufe des Arbeitslebens mit 70- bis 80-prozentiger Sicherheit zu orthopädischen Beschwerden führen (Diskusprolaps C7/ L4-S1).
Jede Haltung, auch die ermüdungsärmste, ermüdet. Der Wechsel von aktiver, starrer Arbeitshaltung zu passiver Ruhehaltung während der einzelnen Behandlungsschritte ist der Garant für eine orthopädisch gesunde Lebensarbeitszeit. Unser Arbeitsmittel „ Körper“ soll ja 40 Berufsjahre und die Zeit danach auch noch funktionieren.
Voraussetzungen für die 12:00-Position am OPMI
Der Zahnarzthocker erlaubt ausgewogenes, ermüdungsarmes Sitzen (durch die Kreuz-Steißbein-Stütze). Das Okular wird so eingestellt, dass Nacken – und Augenmuskeln minimalen Tonus aufweisen (richtige Arbeitshöhe).
Der Patient liegt horizontal, bei OK-Okklusalebene +/- 90 Grad und UK-Okklusalebene +/- 45 Grad zur Horizontalen. Der Zahnarzt befindet sich hinter dem Patientenkopf.
1, 2 und 3 führen dazu, dass die Längsachsen der zu behandelnden Wurzelkanäle und die einfachsten Arbeitsbewegungen kongruent sind (maximale Präzision und Taktilität).
Die Arbeitshand stützt sich am Patientenkopf ab. Dadurch wird eine Armstütze überflüssig.
Instrumente, die der Zahnarzt selbst aufnimmt, liegen rechts im kleinen Greifraum und im peripheren Gesichtsfeld.
Der Instrumententransfer mit der ZFA geschieht nahe dem linken Mundwinkel des Patienten.
Dr. Tom Schloss, M. Sc., Zahnarzt – EndodontologeKornmarkt 8, 90402 Nürnberg
Dr. Wolf Neddermeyer, Zahnarzt – OralchirurgieTheodorenstr.14 b, 65189 Wiesbaden, E-mail: