Fakten gegen Mythen
„Es ist ein Mythos zu glauben, Milchzähne seien nicht wichtig, weil sie herausfallen“, informiert Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) die Medienvertreter bei der Auftaktpressekonferenz zum Tag der Zahngesundheit in Berlin. Studien zeigten, dass die Mundgesundheit der Sechsjährigen sich keinesfalls so verbessert habe, wie bei den 12-jährigen Kindern. Deswegen habe sich die Zahnärzteschaft für zahnmedizinische Frühuntersuchungen stark gemacht. Oesterreich betont: „Wir sind froh, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) reagiert hat und die entsprechenden Richtlinien für die Früherkennung geändert hat.“ Die zum 1. September in Kraft getretene, neue Kinderrichtlinie stärkt die vertragszahnärztliche Vorsorge für Kinder bis zum 6. Lebensjahr. Das sogenannte „Gelbe Heft“ oder auch „Kinderuntersuchungsheft“ enthält als Bestandteil der Regelung jetzt in Form von Ankreuzfeldern sechs Verweise vom Arzt zum Zahnarzt für Kinder vom 6. bis zum 64. Lebensmonat. Zudem beschreiben die erweiterten Empfehlungen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jungendzahnpflege e.V. (DAJ), wie Eltern und Kindertagesstätten Hand in Hand arbeiten können, um frühkindliche Karies bei unter Dreijährigen zu vermeiden. Oesterreich nennt damit die Fakten – der Mythos von den „unwichtigen Milchzähnen“ ist damit widerlegt.
Der Mythos steht dabei exemplarisch für eine ganze Reihe von sogenannten „Weisheiten zur Mundgesundheit“. Dabei hat das wissenschaftliche Fundament der modernen Zahnmedizin in den vergangenen Jahrzehnten stetig an Stabilität zugenommen. Es gebe kaum noch Bereiche, die nicht erforscht seien, erläutert Oesterrich den versammelten Medienvertretern. Trotzdem hielten sich einige Mythen hartnäckig.
Mythen machen krank
„Eine Mythen- statt Fakten-basierte Zahnmedizin birgt das Risiko gesundheitlicher Schäden“, warnt auch Prof. Dr. Stefan Zimmer von der Universität Witten/Herdecke. Als Beispiel nennt er ebenfalls den Mythos, dass Karies bei Milchzähnen nicht so schlimm sei und erläutert für Eltern: „Der Mensch verfügt wie die meisten Säugetiere über zwei Dentitionen: das Milchgebiss und das bleibende Gebiss. Die ersten Zähne des Milchgebisses erscheinen mit etwa sechs Monaten in der Mundhöhle, die letzten gehen mit etwa elf Jahren verloren. Sie werden sukzessive durch die bleibenden Zähne ersetzt beziehungsweise ergänzt. Also könnte man meinen, dass Milchzähne nicht so wichtig sind und dass es nicht so schlimm ist, wenn sie frühzeitig durch Karies verloren gehen. Das ist aber grundlegend falsch. In die Zeit der Milchzähne fallen die wichtigsten Entwicklungen des Kindes. Unter anderem lernt es sprechen, es wächst und entwickelt seine endgültige Gesichtsform. Wenn Milchzähne frühzeitig verloren gehen, können deshalb Sprachentwicklung und Gesichtswachstum behindert werden. Außerdem kann die psychische Entwicklung leiden, weil das Kind wegen seines Aussehens gehänselt wird. Es kann unter Zahnschmerzen leiden, die Ernährung kann nicht optimal erfolgen, und die bleibenden Zähne stellen sich an der falschen Stelle ein, weil ihnen die Milchzähne als Wegweiser fehlen. Eine Zahnfehlstellung, die später kieferorthopädisch korrigiert werden muss, könnte die Folge sein. Es gibt also viele gute Gründe, die Milchzähne ernst zu nehmen.“
Ein anderer althergebrachter Mythos besagt, Karies sei vererbbar. Zimmer liefert auch hier die passenden Fakten zur Widerlegung des Mythos: „Viele menschliche Eigenschaften, psychische wie physische, sind genetisch bestimmt. Deshalb glauben viele auch, dass Karies vererbt wird und dass man wenig dagegen tun kann. Vererbung spielt jedoch in Bezug auf Karies keine oder höchstens eine verschwindend geringe Rolle. „Vererbt“ werden vor allem ungesunde Verhaltensmuster, die zu Karies führen. Hier ist vor allem die ungesunde Ernährung mit hohem Zuckerkonsum zu nennen. Wenn die Eltern sich ungesund und zuckerreich ernähren, wird das Kind es kaum anders tun können und daher wird es ähnliche kariöse Schäden wie seine Eltern entwickeln. Deshalb sieht auf den ersten Blick nach Vererbung aus, was in Wirklichkeit keine ist.“
Dr. Michael Kleinebrinker, Referatsleiter beim GKV-Spitzenverband, nutzte die Auftaktveranstaltung, um ebenfalls mit einem Vorurteil aufzuräumen: „Vielfach sehen sich die Krankenkassen mit der Behauptung konfrontiert, dass die zahnmedizinischen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht dem zahnmedizinischen Fortschritt entsprechen.
Kassenleistung entspricht nicht dem Fortschritt
Der zahnmedizinische Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland gehört jedoch zu den umfassendsten, die es auf der Welt gibt“, erläutert Kleinebrinker. Die Versicherten erhalten viele Leistungen als Sachleistung ohne Zuzahlung. Auch wenn Verbesserungsbedarf bestünde, sei der erreichte Status durchaus gut. Zum Hintergrund: Der Tag der Zahngesundheit wird bundesweit jedes Jahr am 25. September begangen. Ziel ist es, mit tausend kleineren und größeren Veranstaltungen auf das Thema Mund- und Zahngesundheit aufmerksam zu machen. Krankenkassen, Gesundheitsämter, Landesarbeitsgemeinschaften und auch viele Zahnärzte organisieren zu diesem Datum eigenen Veranstaltungen.
Nach mehr als 25 Jahren ist der Tag der Zahngesundheit inzwischen auch im Terminkalender vieler Medien fest eingetragen. Erfahrungsgemäß berichten an diesem Tag und schon im Vorfeld Redaktionen sowohl aus dem Printbereich – von Lokalblättern bis hin zu überregionalen Tageszeitungen und Zeitschriften – als auch aus Hörfunk und Fernsehen über die verschiedenen Veranstaltungen, seien sie von bundesweitem oder regionalem Interesse.