Volker Looman zu Baudenkmälern als Steuersparmodell

Steuervorteile kein Garant für gute Investitionen

Haben Sie gerade 10.000 Euro auf dem Konto? Haben Sie vielleicht 500.000 Euro geerbt? Wissen Sie nicht, was Sie mit dem Geld machen sollen? Dann hätte ich da eine Idee. Sollten Sie momentan nicht so gut bei Kasse sein, dürfen Sie trotzdem weiterlesen. Was mit einem Guthaben von 510.000 Euro geht, ist auch mit Schulden von 510.000 Euro möglich. Neugierig? Dann kommen Sie mit nach Heppenheim.

Sie wissen nicht, wo Heppenheim liegt? Das ist natürlich eine Bildungslücke. Heppenheim ist ein schmuckes Städtchen mit 25.000 Einwohnern und liegt an der hessischen Bergstraße. Dort steht auch die ehemalige Landesheil- und Pflegeanstalt, die von 1861 bis 1865 im klassizistischen Stil errichtet worden ist. Bitte hegen Sie jetzt nicht den Verdacht, ich wolle Sie in die Psychiatrie stecken. Ich will Ihnen nur zeigen, was aus 510.000 Euro werden kann, wenn Sie in Baudenkmäler verliebt sind, bei denen hohe Steuervorteile winken. Sie wissen ja, dass Liebe blind machen kann!

In der ehemaligen Irrenanstalt von Heppenheim, Hessen, Deutschland, wurden über Monate hinweg Wohnungen angeboten, die 112 Quadratmeter groß sind und 480.000 Euro kosteten. Der Preis stieg auf 510.000 Euro, wenn die üblichen Fracht- und Lieferspesen hinzugerechnet werden. Das hielt den Anbieter nicht davon ab, auf seiner Homepage mit lyrischen Worten für das Objekt zu werben. „Betritt man das Areal der Residenz“, flötete der Verkäufer, „erfüllt den Besucher unmittelbar ein Gefühl von innerlicher Ruhe“.

Mir scheint die sittliche Reife für solche Hymnen zu fehlen. Statt dessen packt mich das nackte Grauen, wenn ich auf die Zahlen schaue. Die Wohnung soll laut Prospekt für 1.000 Euro pro Monat vermietet werden, so dass der Kaufpreis bei 43 Jahresmieten liegt. Ich bin durch München und Stuttgart stramme Preise gewohnt, aber 43 Jahresmieten, und das in Heppenheim?

Eigentlich könnte ich jetzt den Stift aus der Hand legen, weil es dazu nicht mehr viel zu schreiben gibt, doch ich frage mich beim Anblick solcher Zahlen, was Hunderte von Anleger bewogen hat, sich in dieses Objekt einzukaufen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Käufer weder in Mannheim noch in Rüsselsheim am Band stehen. Statt dessen handelt es sich, so vermute ich, um die üblichen Verdächtigen: Anwälte, Heilberufler, Manager...Die einen haben zu viel Geld, und die anderen zu wenig ökonomischen Verstand – und die Schnittmenge beider Teilmengen ist die Sucht nach Steuervor- teilen.

Baudenkmäler gelten als die letzten Mohikaner der Steuersparmodelle. Die Sanierungskosten können nach Paragraf 7 des Einkommensteuergesetzes innerhalb von zwölf Jahren als Werbungskosten abgesetzt werden. Am Fuße der Schnackenburg in Heppenheim sind 63 Prozent der Gesamtkosten absetzbar, und das sind bei 480.000 Euro und großzügiger Abrundung stolze 300.000 Euro. Sie führen bei einem Steuersatz von 40 Prozent zu Rückzahlungen von 120.000 Euro und das scheint so viel Geld zu sein, dass bei einigen Anlegern die Sicherungen durchbrennen, sofern es solche Einrichtungen bei diesen Leuten zuvor überhaupt gegeben hat. Wer die Sache jedoch mit eingeschalteter Sicherung oder gesundem Menschenverstand betrachtet, kann den Zahlungsplan nicht übersehen. Die Investition beginnt mit 510.000 Euro. Dann folgen 180 Mieten von jeweils 1.000 Euro, falls die Sache insgesamt 15 Jahre vermietet wird. Die Wohnung kann in meinen Augen für 240.000 Euro verkauft werden, wenn ein (nüchterner) Käufer etwa 20 Jahresmieten bezahlen wird. Natürlich sind auch 300.000 Euro denkbar, wenn ein (halbtrunkener) Käufer rund 25 Jahresmieten auf den Tisch legen wird. Das sind jährliche Renditen von minus 1,6 und minus 0,5 Prozent vor Steuern und nach Steuern kommen bei einem Jahresgehalt von 200.000 Euro jährliche Verzinsungen von minus 0,7 und plus 0,4 Prozent heraus.

Noch schlimmer sieht das Ergebnis aus für Leute, die weder Geld auf dem Konto haben oder Kapital geerbt haben und mit Hilfe von Krediten in solche Objekte einsteigen. Sie schließen einen Immobilien-Sparvertrag ab. Die monatlichen Raten beginnen bei 1.400 Euro und enden bei 2.800 Euro. Dafür winken am Schluss, wenn meine Einschätzung stimmt, entweder 240.000 oder 300.000 Euro und das führt zu jährlichen Renditen von minus 5,3 beziehungsweise minus 1,7 Prozent.

Das großartige „Gesamtkunstwerk der Bau- und Gartenkunst“ in Heppenheim, Hessen, Deutschland, ist in meinen Augen die perfekte Geldvernichtung für den reifen Bildungsbürger. Ich kann für diese Anleger, so viel Mühe ich mir auch gebe, aber kein Mitleid aufbringen. Wer älter als 18 Jahre alt und stolz darauf ist, dass seine kaufmännischen Kenntnisse bei der Addition von Zahlen mittels Taschenrechner enden, hat auch das Recht, sein Geld verbrennen zu dürfen.

Ich finde nur zum Heulen, dass der Staat diese Geldvernichtung durch hohe Abschreibungen fördert. Das müsste nicht sein, und ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie auf solche Angebote nicht hereinfallen, schließlich haben auch Sie kein Geld zu verlieren – oder etwa doch?

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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