Bergung im apikalen Wurzeldrittel
(Fall 4)
Das zweidimensionale Röntgenbild nach dem Feilenbruch brachte die Patientin zur Behandlung mit (Abbildung 1). Auf der Zahnfilmaufnahme wird die Lage des Fragments im apikalen Wurzeldrittel deutlich. Geschätzt wurde eine Fragmentlänge von circa 3 bis 4 mm. Im vestibulo-oralen Strahlengang weist der Wurzelkanalverlauf nur eine geringe Krümmung auf. Die Anfertigung eines DVTs wäre äußerst hilfreich gewesen, um die exakte Lage des Bruchstücks im Wurzelkanalsystem besser bestimmen zu können [D’Addazio et al., 2011]. Die häufige Konfluenz des mesiovestibulären und -lingualen Kanals bei Unterkiefermolaren, die eine Fragmententfernung erschweren kann, sofern das Bruchstück über die Kreuzungsstelle beider Kanäle hinausragt, ist im zweidimensionalen Röntgenbild nicht beurteilbar. Aus Kostengründen lehnte die Patientin die Anfertigung eines DVTs jedoch leider ab.
Im Gespräch mit dem Vorbehandler konnte in Erfahrung gebracht werden, dass es sich bei dem frakturierten Instrument um eine Feile des ProTaper Universal-Systems (Dentsply Maillefer, Ballaigues, Schweiz) der ISO-Größe 25 handelt, die im mesiobukkalen Wurzelkanal frakturierte. Das Wurzelkanalsystem konnte vor der Feilenfraktur vollständig bis zur ISO-Größe 20 instrumentiert werden. Folglich war bis zu einem gewissen Maß eine mechanische Bearbeitung der Wurzelkanalwand erfolgt. Bei einer apikalen Aufbereitungsgröße von ISO 20 kann auch von einer geringgradigen desinfizierenden Wirkung der Spüllösung im mittleren und im apikalen Wurzeldrittel ausgegangen werden.
Im Anschluss an die festgestellte Feilenfraktur wurden die mesialen Wurzelkanäle mit einer Ca(OH)
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-haltigen medikamentösen Einlage gefüllt und provisorisch verschlossen. Das distale Wurzelkanalsystem wurde bereits durch den Hauszahnarzt mittels der trägerstiftbasierten Wurzelfüllmethode bakteriendicht versiegelt. Die Patientin wurde über den Zwischenfall aufgeklärt und wünschte den Entfernungsversuch der frakturierten Feile.
Bergungsplan
Im Zuge des Fragmententfernungsversuchs wurde zunächst unter weitgehender Schonung der Zahnhartsubstanz ein geradliniger Zugang zum Fragmentkopf hergestellt. Aufgrund der Perforationsgefahr ist besondere Vorsicht beim Materialabtrag an der Außenkurvatur der gekrümmten Wurzelkanalwand
geboten. Voraussetzung für einen erfolgreichen Entfernungsversuch ist in jedem Fall die Sicht auf den koronalen Anteil des Fragments. Die Anwendung von Ultraschall gewährleistet eine minimalinvasive Bearbeitung des Dentins, um das Risiko von iatrogenen Stufen oder Perforationen so gering wie möglich zu halten [Briggs et al., 1992]. Häufige ultraschallaktivierte Spülungen gewährleisteten den Abtransport des entstandenen Debris, der eine Lockerung des intrakanalär gelegenen Bruchstücks verhindert hätte. Erst nachdem der Zugang zum Fragment hergestellt wurde und das Fragment von der Kanalwand luxiert werden kann, ist es sinnvoll, mit dem Entfernungsversuch des Instruments zu beginnen. Dafür sollten zunächst die übrigen Wurzelkanalanteile abgedeckt werden um die Gefahr einer „flying file“ zu verhindern, die in anderen bereits bearbeiteten Wurzelkanälen verschwindet.
Mittels Ultraschall wurde das Fragment aktiviert und in Schwingung versetzt. Generell empfiehlt es sich die schwingende Ultraschallfeile entgegen dem Uhrzeigersinn um das Fragment zu führen, um es aus der eingeklemmten Position zu lösen [Ruddle, 2004]. Aufgrund der apikalen Lage des Fragments wäre die zirkuläre Freilegung des Bruchstücks mit dem Risiko einer iatrogenen Perforation verbunden, weshalb in diesem Fall die Aktivierung des Fragments lateral in der Bewegungsrichtung von apikal nach koronal erfolgte [Arnold, 2013]. So gelang die Lockerung der Feile und schließlich die Entfernung (Abbildungen 2 bis 4).Auch in diesem Fall war der Einsatz des Dentalmikroskops obligat, da andernfalls die Sicht auf das Fragment und der gezielte Einsatz der Ultraschallspitzen unmöglich gewesen wären. Die Entfernung der Feile ermöglichte die Instrumentation, die Desinfektion und die thermoplastische Obturation des gesamten mesialen Wurzelkanalsystems (Abbildung 5).
In der radiologischen Kontrolle ist die Schwächung des Dentins im mesiobukkalen Wurzelkanalsystem nachvollziehbar. Außerdem kann röntgenologisch eine geringe Sealerextrusion beobachtet werden. Die Einjahreskontrolle nach Wurzelfüllung zeigt einen gleichmäßigen Parodontalspalt ohne Anzeichen auf eine periapikale Pathologie (Abbildung 6).
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Fazit
Der vorgestellte Fall birgt ein nicht unerhebliches Risiko der Substanzschwächung, die den Langzeiterhalt des Zahnes herabsetzen könnte. Aufgrund der Lage des Fragments im apikalen Wurzeldrittel bestand ein erhöhtes Risiko der Perforation, da verhältnismäßig viel Dentin geopfert werden musste, um das Fragment bergen zu können.
Mit Hinweis auf die initiale Aufbereitung vor dem Feilenbruch bis ISO 20 durch den Vorbehandler wäre auch das Belassen des Fragments mit Wurzelfüllung koronal des Feilenbruchstücks eine Behandlungsoption gewesen. Ob allerdings eine vorherige, ausreichende Bearbeitung und Desinfektion des mesialen Wurzelkanalsystems durch den Hauszahnarzt erfolgt ist, kann abschließend nicht geklärt werden. Außerdem ist ungewiss, inwieweit ein eingeklemmtes Aufbereitungsinstrument eine bakteriendichte Wurzelfüllung ersetzen kann.
Dr. Michael Drefs, Dr. Heike SteffenZentrum für ZMK Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und EndodontologieWalther-Rathenau-Str. 42,17475 Greifswald E-mail: