GOÄneu – des Debakels Kern
Frage: Was sind die wichtigsten Aufgaben einer Bundesärzte/zahnärztekammer? Das ist schwierig, sagen Sie. Weil das so viele Aufgaben sind. Und zudem sei die Bandbreite der zu bearbeitenden Fragestellungen und Problemfelder enorm. Dann erlauben Sie mir die Frage anders zu stellen. Wofür braucht man eine „Bundesarbeitsgemeinschaft“ der Kammern zuvorderst? Für alle Fragen rund um die Berufsausübung, die Qualitätssicherung sowie die Gebührenordnung. Das ist der Kern der Aufgaben, der unzweifelhafte Fokus, dem sich die Bundesebene zu widmen hat und an dem es nichts herumzudeuteln gibt. Mit anderen Worten: Egal wie viele „Dinge“ der Vorstand zu erledigen hat, sie ersetzen keinesfalls die Arbeit an der zentralen Aufgabe der eigenen Daseinsberechtigung, der Gebührenordnung.
Eine Gebührenordnung ist nun mal keine profane Preisliste, sondern sie definiert zuallererst den Kanon der Leistungen der Profession auf der Basis der wissenschaftlichen Erkenntnis und der vorhandenen Daten, dann die Ziele und erst dann die (Be-)Wertung der Leistung. Insoweit liegt es auf der Hand, dass zuerst die Leistungen und deren Legenden innerhalb der Profession konsentiert werden, bevor man sich Gedanken über den Preis machen kann. Und dann, erst dann, macht es Sinn mit der Kostenträgerseite zu reden. Warum man diese simple Abfolge in der Bundesärztekammer bei der Erarbeitung der GOÄneu nicht für nicht beachtenswert hielt, entzieht sich meiner Kenntnis. Noch wichtiger erscheint mir aber der Umstand, dass man die grundsätzliche Neuausrichtung der GOÄ nicht vorab in den Gremien besprach. In jedem Unternehmen muss ein derartiger Kurswechsel des Managements mit den Eigentümern oder dem Aufsichtsrat konsentiert werden.
Halten wir fest: Die GOÄ neu wurde unter großer Geheimhaltung entwickelt, die Mitwirkung ärztlicher Verbände und der Sachverstand derer, die die ambulante Versorgung Tag für Tag leisten, waren nicht gefragt. Nun, nachdem der GOÄ-Entwurf plötzlich auch im Vorstand der BÄK krachend scheiterte – man sagt einstimmige (!) Ablehnung –, herrscht erneut Funkstille. Wiederum ist keine Aufklärung vonseiten der Protagonisten zu erhalten, außer einem medial verbreiteten „weiter so“. Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer äußert sich auf Nachfrage so wenig wie Dr. Volker Leienbach, der Verhandlungsführer der PKVen. Dr. Theodor Windhorst, der zurückgetretene (in des Wortes doppelter Bedeutung?) Verhandlungsführer aufseiten der Bundesärztekammer: Ebenfalls kein Kommentar.
Da frage ich mich schon, ob man aus dem Vertrauensdesaster durch die mangelnde oder besser fehlende Kommunikation nichts lernen will. Denn jetzt ist doch die letzte Chance zu erläutern, warum man diesen Weg gehen wollte. Es interessiert sicher nicht nur mich brennend, warum man aus der GOÄ freiwillig (?) einen privatärztlichen EBM machen wollte. Warum man eine Gemeinsame Kommission (Geko) einführen wollte, obwohl man um all die Probleme der KBV mit diesem Institut weiß. Und warum man eine solche Geheimhaltung bei den Verhandlungen betrieb und den Sachverstand der Niedergelassenen und deren Organisationen weitgehend außen vor ließ.
Jetzt wäre der Zeitpunkt, Licht ins Dunkel zu bringen, um Vertrauen – und sei es nur in Teilen – zurückzugewinnen. Auch um Legendenbildungen und Verschwörungstheorien keinen weiteren Vorschub zu leisten, wie zum Beispiel, dass die Verhandlungsführer vornehmlich Funktionäre des Marburger Bundes waren, deren strukturelle Interessen nun mal andere als die der Niedergelassenen sind.
Da in dieser Legislaturperiode keine Entscheidung für eine wie auch immer geartete GOÄneu mehr möglich sein wird und somit mindestens drei weitere Jahre ins Land gehen werden, darf man ruhig mal die Frage stellen, ob man nicht wenigstens die Preise neu verhandelt. Denn eine GOÄ-Punktwert-Nullrunde seit nunmehr 19 Jahren ist schlichtweg nicht akzeptabel.
Üblicherweise würde jetzt die Moral aus der Geschicht’ folgen. Dafür ist es an dieser Stelle angesichts des noch lange nicht zu Ende geführten ärztlichen Streits zu diesem Thema zu früh. Eine „kleine“ Zwischenerkenntnis sei mir jedoch erlaubt: Die 2015 erfolgte GOZ-Anhebung von 9 % ist vor diesem Hintergrund ein mehr als ansehnlicher Erfolg der Bundeszahnärztekammer.