Sind Sie diskret genug?
Quer durch die Republik haben die Tester nach eigenen Angaben 30 Hausarztpraxen in Sachen Schweigepflicht und Diskretion geprüft und dabei eine ganze Reihe Datenlecks ausfindig gemacht. In zehn Praxen erschienen sie persönlich, in ebenfalls zehn erfragten sie als vermeintliche Angehörige per Telefon Informationen über Patienten, und in noch einmal zehn Praxen wurden über E-Mail-Adressen Patientenanliegen vorgebracht. Ergebnis: Bei 15 der 30 Praxen stellten die Tester Verstöße gegen den Datenschutz fest.
„In drei von zehn besuchten Praxen konnten die Wartenden Intimes mithören“, heißt es bilanzierend. „Einmal ging es zum Beispiel um eine Schuppenflechte inklusive Behandlung, einmal um eine Frau, die schnell einen Platz im Pflegeheim brauchte. Am Telefon gaben acht der zehn Praxen Anrufern, die sich vorgeblich im Auftrag von Patienten meldeten, freimütig Auskunft. Nach E-Mail-Anfragen verschickten vier von zehn Praxen sensible Daten unverschlüsselt per E-Mail, zum Beispiel ein komplettes Laborblatt.“
Angesichts dieser – alarmierenden – Zahlen bemühte Stiftung Warentest den hippokratischen Eid: „Was ich bei der Behandlung sehe oder höre [...], werde ich [...] verschweigen und solches als ein Geheimnis betrachten.“ Ergänzend betonten die Tester in ihrem Bericht noch, dass die Mediziner neben dem Eid heutzutage außerdem durch die ärztlichen Berufsordnungen und das Bundesdatenschutzgesetz zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Das Strafgesetzbuch sehe sogar Geld- oder Freiheitsstrafen vor, wenn in Praxen Patientengeheimnisse offenbart werden.
Besonders anfällig erwies sich laut Test das Telefonverhalten des Praxispersonals: In acht der zehn geprüften Praxen gab es ohne Weiteres Auskünfte, ohne die Identität oder Berechtigung des Anrufers zu hinterfragen. So wurde freimütig etwa über Laborwerte und deren Einordnung genauso informiert wie über die Dosis von Arzneimitteln.
Indiskretionsfalle Eingangsbereich
Der Eingangsbereich erwies sich dabei als markante Problemzone: Weil Empfangs- und Wartebereich häufig ineinander übergehen, konnten die Tester sensible Informationen und Daten mithören. Hinzu kam, dass die Tester auch mitbekamen, wie sich Praxismitarbeiter untereinander über Patienten austauschten. „Plaudertaschen in vielen Praxen“ titelte dann auch Stiftung Warentest.
Auch beim Thema E-Mail-Anfragen gab es laut Testbericht vielfach Probleme: Vier der zehn geprüften Praxen verschickten bedenkenlos Patientendaten über (unverschlüsselte) E-Mails. Stiftung Warentest betont aber auch, dass sechs der zehn Praxen keine Daten per E-Mail weitergegeben haben. Positiv vermerkt war, dass aus den Behandlungszimmern selbst keine Informationen nach außen in den Wartebereich gelangt seien, ebenso sei kein Blick auf den PC-Bildschirm oder auf handschriftliche Unterlagen möglich gewesen, um so Akten von anderen Patienten einsehen zu können.
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Doch was hindert Ärzte und Praxispersonal eigentlich daran, Diskretion zu wahren? „Der ganz normale Alltag!“, sagt Praxismanagerin Stephanie Weitz aus Bürstadt in Hessen. Wenn es in der Praxis turbulent zugeht, rasch Informationen zwischen Behandlung und Rezeption, Patienten, begleitenden Personen, dem Labor oder einer anderen Praxis ausgetauscht werden müssen, dann liege die Priorität eben des Öfteren bei der zügigen Ablauforganisation. „Indiskretion ist dann keine böse Absicht, sondern dem Praxispersonal und den Chefs gar nicht so bewusst.“
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Die Praxisabläufe haben oft Vorrang
Trotzdem könnten die Fachkräfte an der Rezeption und im Behandlungszimmer dafür sorgen, dass es diskret zugeht: „Alle Türen stets geschlossen halten, insbesondere wenn über Fälle gesprochen wird oder mit Patienten“, sagt Weitz. „An der Rezeption ist ein schnurloses Telefon Pflicht, damit ich mich für Gespräche zurückziehen kann. Dazu sollte auch ein Raum zur Verfügung stehen.“ Für knifflige Situationen empfiehlt sie praxisintern „Codes“ festzulegen. Beispiel: „Wenn bei uns eine Mitarbeiterin schnell Unterstützung vom Chef braucht, kann sie den Begriff „Dr. Winter“ benutzen. Für Unbeteiligte ist das unverfänglich, wir im Team wissen: Da wird rasch Hilfe gebraucht.“
Tipps für den diskreten Umgang hat auch die Praxistrainerin Christa Maurer aus Lindau am Bodensee: „Vertrauliches muss vertraulich bleiben. Daher gilt: Keine Gespräche mit sensiblen Patientendaten oder -informationen im „öffentlichen“ Bereich“, sagt sie. Zahnarztpraxen, bei denen Anmeldung und Warteraum eins sind oder ineinander übergehen, müssten besonders sensibel sein. „Besprechen Sie sich mit den Betroffenen entweder in einem Beratungszimmer oder in einem Behandlungszimmer. “ Gerade bei Telefonaten gelte äußerste Diskretion: „Geben Sie keine Auskünfte über Befunde oder Anwesenheit in der Praxis.“
Zahnärzte sollten im eigenen Interesse dafür sorgen, dass sich Patienten auf Diskretion verlassen können. Dies sei bei der Wahl für oder gegen eine Praxis ein nicht zu unterschätzendes Kriterium. Selbst Angehörige dürften ohne Einwilligung des Patienten nichts über dessen Zustand erfahren. Maurer: „Kann der Patient seine Belange nicht mehr selbst regeln und benötigt die Unterstützung von Familienangehörigen oder anderer Dritter, brauchen diese Vertrauenspersonen eine schriftliche Vollmacht.“
Zweifelsohne ist Diskretion für Praxen eine Herausforderung – umso mehr, je offener Empfang und Wartebereich architektonisch gestaltet sind. Experten raten in diesen Fällen zu kleinen gestalterischen Maßnahmen oder zumindest zu optischen Barrieren wie etwa „Diskretion“-Schildern, Bodenmarkierungen, Fußmatten oder Grünpflanzen als Trennmarkierung. Auch dezente Hintergrundmusik schlucke manches Gespräch.
Stiftung Warentest jedenfalls bestärkte abschließend ihre Leser / die Patienten darin, zukünftig auf mehr Diskretion bestehen: „Sagen Sie, dass Sie bestimmte Dinge wie etwa den Befund oder die Medikation nur im Behandlungszimmer besprechen möchten.“ Warb gleichzeitig aber auch um Empathie für das Praxispersonal: „Haben Sie Verständnis dafür, wenn Praxisangestellte am Telefon keine Auskunft geben – oder die Berechtigung überprüfen.“
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