Deutscher Ärztetag in Hamburg

Neuer Teamgeist oder inszenierte Sachlichkeit?

Mit Spannung erwartet wurde der diesjährige Deutsche Ärztetag in Hamburg. Die diskutierten Themen der Delegierten waren zwar gewohnt breit gefächert. Doch der eigentliche Fokus lag auf der Rolle der Selbstverwaltung – nicht nur im Hinblick auf die KBV-Vertreterversammlung, sondern auch mit Blick auf die GOÄ-Reform. Minister Gröhe forderte von den Ärzten mehr Teamgeist. Und um genau diesen auf dem Ärztetag zu beschwören, war bei der Ärzteschaft im Vorfeld harte Arbeit angesagt.

Trotz aller Kritik – mit einem klaren Ja zur Selbstverwaltung als Akteur im Gesundheitswesen positionierte sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe auf der Eröffnungsveranstaltung zum Deutschen Ärztetag: „Ich möchte keine neue Kassenmedizin, sondern eine starke Selbstverwaltung“, sagte er. Und als Anhänger der Selbstverwaltung wolle er keine Rechtsverstöße hinnehmen.

Gröhe reagierte damit auf die tags zuvor erfolgten Beschlüsse auf der KBV-Vertreterversammlung. Dort wurde den Delegierten zähes Ringen abverlangt. Es ging darum, die Altlasten der Organisation im Hinblick auf die „Causa Köhler“ und die Finanzrisiken bei Immobiliengeschäften der KBV zu beseitigen und den vom Bundesgesundheitsministerium angedrohten Staatskommissar abzuwenden. Die Delegierten standen vor der selbstkritischen Aufgabe, das Bild einer dauernden Selbstmontage der Organisation abzubauen und Aufbruch zu demonstrieren. Mit entsprechenden Beschlüssen stellten die Delegierten die Weichen für eine selbstbestimmte KBV.

Dennoch stehen die Eckpunkte des BMG für ein Selbstverwaltungsstärkungsgesetz im Raum – und zeigen einen Weg auf in Richtung staatliche Versorgung. So ließ Gröhe in Hamburg denn auch wissen, dass er die KBV-Beschlüsse zeitnah prüfen werde.

Die neue GOÄ ist überfällig

In Richtung Bundesärztekammer fand der Minister ebenfalls kritische Worte: Er mahnte mehr Mannschaftsgeist bei den Ärzten an. Eine neue GOÄ sei überfällig.

Im GOZ-Novellierungsprozess waren seit dem Sonderärztetag im Januar die Wogen hochgeschlagen. Die Novelle geriet immer mehr unter Beschuss, vor allem vonseiten der Berufs- und Fachverbände, die eine mangelnde Beteiligung monierten. Sie stellten dezidierte Forderungen auf. Die Novelle war Chefsache Montgomery, der GOÄ-Ausschussvorsitzende Windhorst ging, der neue Aussschussvorsitzende Reinhardt kam. Danach stand alles im Zeichen des Reset. Im Vorfeld des Ärztetages fanden bereits erste Runden mit den Fachverbänden statt, die Weichen Richtung Kompromiss wurden gestellt.

Er halte unangemessene Kritik von Ärztefunktionären an der BÄK-Verhandlungsführung zur GOÄ-Novelle für „nicht hilfreich“, betonte Gröhe denn auch vor den Festgästen der Eröffnungsveranstaltung. Und formulierte eine klare Ansage an die Delegierten: In puncto GOÄ erwarte er eine Weichenstellung, die zu einem Ergebnis führt. Ein entsprechender Beschluss zur GOÄ wurde – nach ausführlicher Aussprache unter Einbindung aller kritischen Punkte – gefasst, mit der Novelle geht es jetzt unter Beteiligung der Fachverbände weiter.

Selbstkritisch

Im Vorfeld der Delegiertendebatten gab Ärztepräsident Prof. Dr. Fank Ulrich Montgomery vor den Festgästen ganz offen Fehler zu. Es gebe durchaus Grund zur Kritik am Novellierungsprozess, sagte er in seinem Eröffnungsreferat. „Wir alle – und da schließe ich mich selbst ausdrücklich mit ein – haben die Komplexität dieses Prozesses unterschätzt. Wir hätten uns intensiver um die Details und ihre Wechselwirkungen zur grundlegenden Struktur kümmern müssen. Ich muss mich persönlich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, wir hätten den Prozess zu lange nur begleitet, statt einzugreifen.“

Montgomery stellte sich aber auch einigen Kritikern entgegen und machte klar: „Einfach nur einen Inflationsausgleich ohne Anpassung der GOÄ-Legendierung von 30, ja bis zu 70 Prozent zu fordern, ist zwar schnell gesagt und findet auch schnell Anhänger. Übersehen wir aber bitte nicht: Etwa 40 Prozent der GOÄ-Rechnungen sind Beihilfen des Bundes und der Länder, werden also direkt aus deren Haushalten bezahlt.“ Ohne eine Zustimmung des Bundesrates und ohne Berücksichtigung der Länderhaushalte gehe gar nichts, unterstrich Montgomery.

Zum Auftakt des Ärztetages betonten die Delegierten die Wichtig-keit einer Balance zwischen Wertschöpfung und Wertschätzug. Medizinische Orientierung und ökonomisches Verantwortungsbewusstsein dürften keinen Gegensatz darstellen, beschlossen sie in einem Leitantrag. Voraussetzung dazu sei, dass Gewinnmaximierung niemals Vorrang haben dürfe vor ärztlich wohl begründeten Entscheidungen.

Balance zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung – das dürfte auch ein kluges Motto für die nun nach dem Ärztetag anstehenden Aufgaben in der Ärzteschaft sein.

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