Zurück zum Tagesgeschäft
Die Vertreterversammlung der KBV in Hamburg stand keineswegs im Schatten des 119. Ärztetages, sondern war eher die spannende Ouvertüre zu einer turbulente Woche der Selbstverwaltung. Doch zunächst: Der Staatskommissar bleibt draußen! Alle notwendigen Beschlüsse wurden gefasst, um die Anordnungen der Aufsicht an die Selbstverwaltung umzusetzen. Diese Versprechen machte der Vorstand der KBV vor der Presse im Anschluss an die nichtöffentliche Sitzung der VV.
Zerknirscht ob der Vergangenheit
Während es zu den Vorgängen um überzogene Pensionszahlungen beziehungsweise Abfindungen an Ex-Mitarbeiter oder das Ruhestandsgehalt des früheren KBV-Chefs Andreas Köhler wegen der schwebenden Gerichtsverfahren keine weiteren Auskünfte gab, war die KBV-Spitze beim Thema APO KG gesprächiger. „Wir haben Fehler gemacht“, zeigte sich Köhlers Nachfolger Dr. Andreas Gassen schon in seiner Eingangsrede zur Eröffnung gegenüber den Delegierten zerknirscht mit Blick auf die Finanzrisiken aus Immobliengeschäften rund um den Umzug der Körperschaft nach Berlin. Gleichzeitig wiegelte Gassen allerdings ministerielle Vorwürfe zur Verzögerung und Verweigerungshaltung der KBV gegenüber der Aufsicht ab. Man habe aktuell die im März gefassten Beschlüsse „wie geplant umgesetzt“. Jetzt folge nur noch die technische Ausarbeitung „in einem überschaubarem Zeitraum“, unbeinflusst vom Schreiben des Ministeriums. „Alles, was wir regeln können, ist geregelt. Alle Forderungen des Ministeriums sind erfüllt“, so Gassen. Die Abwicklung der APO KG sei zwar auf einen längeren Zeitraum angelegt gewesen. Er denke aber, dass der KBV auch im verkürzten Abwicklungsstadium kein Schaden entstehen werde.
Bemüht um die Zukunft
Die VV war sichtlich bemüht, nach Behandlung dieser Themen zum Tagesgeschäft der Selbstverwaltung überzugehen. Im Mittelpunkt der KBV-Zukunftskonzepte: die Weiterbildungsordnung und das Projekt „KBV 2020 – Zukunft gemeinsam gestalten“. Nach dem Startschuss im Herbst vergangenen Jahres legte der Vorstand nun das 12-seitige Konzeptpapier vor, mit dem der Politik für die Bundestagswahl 2017 die Positionen der Ärzte im KV-System zum Sicherstellungsauftrag nahegebracht werden sollen. Vier Arbeitsgruppen stellen darin die Frage nach der Zukunft des Sicherstellungsauftrags, suchen nach gangbaren Wegen bei der Aufgabenabgrenzung und Kooperation zwischen Krankenhaus und KV. Sie überprüfen die Möglichkeit der Koordination bei Inanspruchnahme medizinischer Leistungen. Ein besonderes Augenmerk richtet die Arbeitsgruppe „Attraktivität des Arztberufs“ angesichts der Nachwuchsprobleme bei den niedergelassenen Grundversorgern auf die Weiterbildung. Unter dem Eindruck geänderter Lebensentwürfe junger Ärzte und der Feminisierung des Berufs soll der wachsenden Zahl von angestellten und Teilzeitmedizinern im ambulanten Bereich stärker Rechnung getragen werden.
Kommentar
Wenn politischer Druck zu stark wird
Wer selbst nicht handelt, wird behandelt! Unter diesem bitteren Satz lässt sich zusammenfassen, was der ärztlichen Selbstverwaltung in den vergangenen Monaten an Eingriffen des Staates widerfahren ist. Das GOÄ-Desaster bei der BÄK, die Affären der KBV rund um die Grundstücksgeschäfte der APO-KG oder das „Köhler-Gate“ – das Renommee der ärztlichen Körperschaften in der politischen Öffentlichkeit ist schwer angeschlagen. Der von manchen Kritikern geäußerte Ruf nach der direkt gesteuerten Staatsmedizin wird immer lauter. Wichtig ist es jetzt für die KBV-Delegierten, sich das Heft des Handelns nicht von einem anonymen Aufsichtsapparat der Staatsbürokratie aus der Hand nehmen zu lassen. Der Druck auf den Reset-Knopf, mehr Transparenz bei Entscheidungen und eine ehrliche Aufarbeitung der Vorgänge in den Hinterzimmern der KBV sind der einzig richtige Schritt, um das Gesetz des Handelns zurückzugewinnen. Denn die Alternative einer Totalverweigerung ist eine Sackgasse.
Eines darf allerdings bei allen Mea-culpa-Rufen der Verantwortlichen nicht vergessen werden, wie der trotzige Zwischenruf von Medi-Chef Werner Baumgärtner an die Delegierten der KBV-VV deutlich macht: Es gehe die Politik im Grunde genommen nichts an, wie die Selbstverwaltung ihr Geld ausgebe. Es sollte bei wohlfeiler Kritik Außenstehender eins nicht vergessen werden: Es handelt sich dabei um die Mitgliedsbeiträge, die von den 165.000 Kassenärzten aus ihrem ehrlich verdienten Einkommen an die KBV fließen. In die Selbstverwaltung und nur hierhin gehört deshalb auch die Verantwortung und die Kontrolle. Die Weichen dazu hat die KBV gestellt.
Hans-Edmund Glatzl
Dazu gehört auch die Förderung und Finanzierung der ambulanten Weiterbildung. Hier geht die Körperschaft in Vorleistung. „Die Bedingungen für eine Weiterbildung im niedergelassenen Bereich sind deutlich besser geworden.“ Diese Botschaft unterstrich Gassens Stellvertreterin im KBV-Vorstand Dipl.-Med. Regina Feldmann. Ab dem 1. Juli sollen 7.500 Förderstellen in der Weiterbildung Allgemeinmedizin und 1.000 Förderstellen in anderen fachärztlichen Bereichen bundesweit angeboten und mit einer Vergütung versehen werden, so wie es im Krankenhaus üblich ist. Somit erhalten Weiterbildungsassistenten künftig 4.800 Euro pro Monat.
Hintergrund
Selbstverwaltungsstärkungsgesetz
Das Bundesgesundheitsministerium plant, eine stärkere Aufsicht über die Selbstverwaltung auf Bundesebene einzuführen. Anlass gaben die jüngsten Unstimmigkeiten und Unregel¬mäßigkeiten bei der KBV.
Eckpunkte für ein sogenanntes GKV-Selbstverwaltungsstärkungs¬gesetz (GKV-SVSG) liegen inzwischen vor. Darin soll eine stärkere interne wie auch externe Kontrolle des Verwaltungshandelns der Institutionen der Selbstverwaltung erfolgen. Betroffen sind – neben der KBV – die KZBV, der GKV-Spitzenverband, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und der Medizinische Dienst des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (MDS).Zu den geplanten Maßnahmen gehört unter anderem:
• Die Stärkung der staatlichen Aufsicht durch eine Stärkung der Kontrollrechte der Mitglieder der Vertreterversammlung der KBV und KZBV beziehungsweise des Verwaltungsrats des GKV-SV und des MDS. Dazu gehört unter anderem die Stärkung der Vorsitzenden der VV, eine stärkere Kontrolle von Beratertätigkeiten und weitere Festlegung von Berichtspflichten des Vorstands.
• Stringentere Vorgaben für das Verwaltungshandeln der Spitzenorganisationen. Dazu gehören unter anderem einheitliche Vorgaben zu Vermögensanlagen, Rücklagen und Betriebsmitteln.
• Es soll ein Sonderaufsichtsrecht insbesondere in Beug auf Haushaltsverfahren, Vorstandsdienstverträge und Vermögens-anlagen geschaffen werden.
Die KZBV hatte schon frühzeitig betont: Es könne nicht sinnvoll sein, bei Problemfeldern einer einzigen Körperschaft wie der KBV gleich die ganze Selbstverwaltung einem Regelkanon zu unterziehen. Die bestehenden Möglichkeiten der Prüfung und Genehmigung von Angelegenheiten der Selbstverwaltung seien umfassend und völlig ausreichend (siehe auch Leitartikel Dr. Wolfgang Eßer, zm 8/2016).
Ein zweiter Teil der Vereinbarung betrifft die Förderung der Kompetenzzentren und Koordinierungsstellen, für die fünf Prozent der jährlichen Fördersumme aller Weiterbildungsbereiche zur Verfügung gestellt werden. Feldmann hofft auf eine Einigung „auf konkrete Bestimmungen … mit DKG und GKV-Spitzenverband bis zum 1. Januar 2017“. Weiterbildung fruchte nur, wenn endlich ein Masterplan mit größerer Praxisnähe zum Medizinstudium verabschiedet werde.
Hans-Edmund Glatzl, Fachjournalist