"Welcher Bohrer gekauft wird, entscheide ich!"
Welcher Weg hat Sie in Ihre Einzelpraxis nach Glückstadt geführt?
Dr. Sylvia Bier:Ich habe Zahnmedizin auf dem zweiten Bildungsweg studiert, davor eine Ausbildung als Erzieherin absolviert. Nach dem Studium arbeitete ich als Assistentin und für ein weiteres Jahr als angestellte Zahnärztin in einer Einzelpraxis in Geesthacht. Dann entdeckte ich die Praxis in Glückstadt über ein Inserat von Henry Schein. Die Praxisräume werden von einem alteingesessenen Laborbesitzer vermietet, der junge Kollegen fördert und mit seiner Erfahrung unterstützt. Er hatte die Praxis vorher saniert und mit neuem Inventar wie Fußböden und Arbeitszeilen ausgestattet - das kann ich in überschaubaren Raten abbezahlen.
Mit dem Zahntechniker arbeite ich zusammen, was aber kein Muss war - und auch nicht vertraglich festgelegt ist. Da die Praxis ein Jahr lang leer gestanden hatte, fing ich quasi bei null an. Nach den ersten - etwas ruhigeren - Wochen kamen immer mehr Patienten. In Glückstadt waren bis dato nur Zahnärzte niedergelassen, ich war die erste Zahnärztin. Das war ein Kriterium. Mittlerweile haben wir die Prophylaxe etabliert, nach und nach konnte ich mehr Mitarbeiter einstellen - zurzeit sind es sieben, darunter eine Zahnärztin, die gerade erst angefangen hat.
Haben Sie damals auch erwogen, eine komplette Praxis zu kaufen?
Zunächst habe ich überlegt, ob es nicht besser wäre, ein Gesamtpaket zu übernehmen. Aber durch das Mobilienmodell war die Anfangsbelastung nicht so hoch. Außerdem bin ich sehr froh, dass ich mich nicht mit den Dingen beschäftigen muss, mit denen ein Eigentümer belastet ist. Denn als Zahnärztin habe ich sowieso schon mehrere Baustellen, um die ich mich täglich kümmern muss. Für mich ist es eine gute und bequeme Lösung. Und für alle eine empfehlenswerte Variante, die sich gerne selbstständig machen möchten, aber überschaubarere Investitionen tätigen und die finanzielle Belastung reduzieren möchten.
Würden Sie junge Kolleginnen und Kollegen dazu ermuntern, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen?
Unbedingt. Es ist vielleicht nicht der einfachste Weg, aber wer fleißig ist und gut arbeitet, wird irgendwann die Früchte ernten. Das Land oder kleinere Städte bieten aus meiner Sicht bessere Chancen als die Großstadt, wo sich teilweise mehrere Zahnärzte in einer Straße finden. Auf dem Land sind die Patienten dankbar, wenn sich ein Zahnarzt niederlässt. Bei uns wird die Zahnarztdichte Richtung Norden immer geringer, die Patienten müssen teilweise weite Wege zur nächsten Praxis auf sich nehmen.
Welche Vorzüge hat das Angestelltendasein, was spricht für die eigene Niederlassung?
Ein angestellter Zahnarzt muss nicht die wirtschaftliche Verantwortung tragen, bezieht ein festes Gehalt, hat geregelte Urlaubszeiten und arbeitet unter weniger Druck. Ich habe gerade eine Zahnärztin mit 20 Wochenstunden zu guten Konditionen eingestellt. Andererseits kann ich als Chefin alles selbst entscheiden und gestalten – beispielsweise bestimmen, welche Mitarbeiterinnen ich einstelle oder welchen Bohrer ich kaufe. Ich würde mir diese Freiheit jetzt nicht mehr nehmen lassen.
"Ich war auch im Angestelltenverhältnis unabhängig in Therapie und Diagnose."
Fühlen Sie sich als niedergelassene Zahnärztin freier in Ihrer Tätigkeit als vormals im Angestelltenverhältnis?
Ich war auch im Angestelltenverhältnis unabhängig in Therapie und Diagnose. Aber letztlich ordnet man sich automatisch ein und orientiert sich an den Vorgesetzten. Ich kam relativ frisch von der Universität und wollte Erfahrungen sammeln, keine Experimente machen. Ich war zufrieden mit der Anstellung, auch meine Chefin war damals traurig, dass ich die Praxis verließ. Dennoch unterstützte sie mich tatkräftig bei der Niederlassung: Sie sah sich die Praxis in Glückstadt mit mir an und gab Tipps für die Einrichtung.
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"Alleine hätte ich das nicht geschafft!"
Wer sich selbstständig macht, braucht versierte Menschen um sich, die einem helfen. Man lässt sich schließlich nur einmal nieder - umso wichtiger ist eine gute Vorbereitung. Über Henry Schein wurden mir ein fähiger Finanzberater und über das Labor ein Coach vermittelt, die mich in allen ökonomischen und rechtlichen Belangen sehr gut unterstützten. Alleine hätte ich das nicht geschafft, denn im Zahnmedizinstudium in Hamburg wurde der ganze betriebswirtschaftliche Komplex ausgeklammert.
Die Politik ermöglicht seit Kurzem arztgruppengleiche oder kommunal geführte MVZ. Sehen Sie diese Einrichtungen als sinnvolle Ergänzung der Versorgung?
Im ländlichen Bereich können MVZ Sinn machen, gerade wenn die verschiedenen Fachbereiche unter einem Dach vereint sind. In Großstädten können MVZ eine gute Option für ein entspanntes Anstellungsverhältnis bieten – gerade für Frauen mit Kindern, die lieber Teilzeit arbeiten und für die es schwierig ist, eine eigene Praxis zu führen. Dies ist meiner Meinung nach mit weniger Stress verbunden, als mit Partnern Teilzeit in einer BAG zu arbeiten.
Ich bezweifle, dass ein solcher Zusammenschluss mehr Freiheiten bietet. Ich bewundere Praxen, die auf diese Weise funktionieren. Aber die Gefahr, dass diese Partnerschaften aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Praxisführung oder über die Finanzen auseinanderbrechen, ist meiner Erfahrung nach zu groß.
Allerdings suchen sich Patienten MVZ primär nach der Örtlichkeit aus. In der Einzelpraxis steht die persönliche Bindung zwischen Zahnarzt und Patient im Mittelpunkt. In MVZ erschweren häufigere Arztwechsel diese Vertrauensbildung.
"Ein MVZ würde ich eher als Bereicherung empfinden!"
Würden Sie ein MVZ, das in Ihrer Nähe eröffnet, als Bedrohung für Ihre Einzelpraxis empfinden?
Dieses Szenario macht mir keine Angst, denn die Einzelpraxis hat auf dem Land und in kleineren Städten immer noch ihre absolute Daseinsberechtigung. Ein MVZ würde ich eher als Bereicherung empfinden, schon jetzt haben Praxen lange Wartezeiten auf Termine. In Itzehoe wird demnächst ein MVZ eröffnen – der Trend ist also schon in unserer Region angekommen.
Wäre es für Sie ein Modell, selbst ein MVZ auf dem Land zu gründen?
Zurzeit möchte ich nicht mehr wachsen, sieben Angestellte sind ausreichend. Es wäre auch sehr schade, wenn ich nicht mehr behandeln könnte. Mir ist der Umgang mit den Patienten sehr wichtig, ihnen die Schmerzen zu nehmen und sie zufriedenzustellen. Dies ist das Beste, was einem passieren kann. Ich bin dort angekommen, wo ich hinwollte.
$(LC336820:"Entscheidend ist das Vertrauen zum Partner!")$