Korruption im Gesundheitswesen? Ja klar, ...
Wenn richterliche Entscheidungen – was ja hierzulande selten genug vorkommt – nicht mit dem politischen Meinungs- oder besser Wunschbild übereinstimmen, muss ein neues Gesetz her. Typische Begründung: Gesetzeslücke! Nun ist das mit der Nachvollziehbarkeit von Lücken in der Gesetzgebung und deren Notwendigkeit, diese zu schließen, so eine Sache. Da die Notwendigkeit politisch und damit von Interessengruppen definiert wird, muss diese nicht zwingend etwas mit Tatsachen zu tun haben, sondern eher mit der Macht, diese zu gestalten. Will heißen, die zu regelnde Wirklichkeit zu (er)schaffen.
Das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen ist so ein typischer Fall. Welche Motivation den Gesetzgeber so umtreibt, findet man in der Einleitung des Gesetzentwurfs. Dort heißt es: „Korruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt den wirtschaftlichen Wettbewerb, verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patientinnen und Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen. ... Damit schützen wir die ganz überwiegende Mehrzahl der ehrlichen Heilberufsangehörigen ...“ Wirtschaftlicher Wettbewerb unter Heilberuflern? Gleiche Leistung, günstigerer Preis oder bessere Leistung zum gleichen Preis?
Gehen wir zum Ausgangspunkt zurück. Der Bundesgerichtshof hatte im Jahr 2012 höchstrichterlich festgestellt, dass das geltende Korruptionsstrafrecht weder auf niedergelassene Ärzte noch auf sonst selbstständig Tätige im Gesundheitswesen anwendbar ist und damit der klagenden Krankenkasse eine empfindliche Niederlage bereitet. Unglaublich, eine Krankenkasse (= das Kassenlager!) zerschellte an einer formalen Gesetzesauslegung. Da aber nicht sein kann, was nicht sein darf, muss natürlich eine Gesetzesänderung her. Was dann noch fehlt, ist die politische Begründung.
Kein Problem, dafür hat man ja die Kombattanten, die für ordentlich Kampfgetümmel sorgen und die „Argumente“ für das Handeln liefern. Klar, dass man dabei in der Wahl der Mittel nicht zimperlich sein kann, wenn man den bundesweiten Korruptionssumpf im Gesundheitswesen trockenlegen will. Die KKH, mit 1,8 Millionen Versicherten und 5,5 Milliarden Euro Haushaltsvolumen keine kleine Krankenkasse, zeigte mal wieder exemplarisch auf, wie man ein winziges Fröschlein zum Ochsenfrosch aufbläst.
Deren Ermittler deckten für das vergangene Jahr 287 Fälle von Abrechnungsbetrug in Höhe von 1,4 Millionen auf. So weit, so schlimm und keinesfalls zu tolerieren, aber rechtfertigen 12 Zahnärzte, 11 Ärzte und 11 Kliniken die nachfolgende Behauptung aus der Pressemitteilung: „Neben Betrugsfällen mit eindeutig messbaren Schadenssummen hat das Gesundheitswesen auch mit dem Problem der Korruption massiv zu kämpfen“? Ah ja, das Gesundheitswesen hat also wegen der Korruption der Heilberufler massiv zu kämpfen? Weil im Jahr 2015 die Schadenssumme der KKH 0,3 Promille(!) des Haushaltsvolumens betrug. Bei solcherart Beweisführung fällt mir nichts mehr ein. Aber um ein Gesetz zu fordern, dass die Skandalisierung freier Berufsstände leichtfertig in Kauf nimmt und deren Vertrauensverhältnis zu den Patienten torpediert, reicht es dann doch. Komische Vorstellung von der Gestaltung einer guten Versorgung. Aber immerhin wurden wirtschaftliche Gründe genannt – Wasser auf die Mühlen des Gesetzgebers. Auch wenn es nur äußerst dürftige Rinnsale sind …