Berufspolitik für die Praxis
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
mitunter wird die Arbeit der Kammern und KZVen, einschließlich der Bundesorganisationen, von unseren Kollegen als praxisfern empfunden, denn es ist zunehmend schwieriger geworden, die komplexen Gremienstrukturen unseres Systems, die nationalen und europäischen Einflüsse sowie die Vielzahl von Richtlinien anschaulich zu vermitteln.
Angesichts einer zunehmenden Fremdbestimmung sind Frust und Ärger verständlich. Das geht auch den berufspolitisch Aktiven nicht anders.
Umso mehr freut es einen, wenn gesundheitspolitische Konzepte nach intensivem Ringen mit den Kassen und der Politik in die Realität umgesetzt werden. Und hier waren wir – BZÄK, KZBV, Wissenschaft und Fachverbände – gleich in praxisrelevanten Bereichen erfolgreich.
Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention sind wir seit 2009 in Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, die allgemeinen Menschenrechte ohne Diskriminierung auch für Menschen mit Behinderung umzusetzen. Bereits 2010 stellten BZÄK und KZBV mit den zahnmedizinischen Fachgesellschaften das Reformkonzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ mit Lösungen für die medizinische Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung vor. Der Gesetzgeber unternahm dann in der Folge erste gesetzliche Schritte zur Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung von immobilen Alten und Menschen mit Behinderung. Ende 2015 entschied die Große Koalition im Versorgungsstärkungsgesetz, dass Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderung und mit eingeschränkter Alltagskompetenz Anspruch auf zusätzliche Leistungen zahnmedizinischer Prävention erhalten.
Prävention richtig umzusetzen, das bedeutet in diesem Fall, Pflegekräfte und Angehörige einzubinden – schließlich werden 1,3 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland zu Hause von Familienangehörigen oder nahestehenden Personen gepflegt.
Vor diesem Hintergrund hat die BZÄK mit dem Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) zwölf Kurzfilme mit Tipps für Angehörige und Pflegepersonal für die Mundpflege von Hochbetagten, Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung erstellt. Sie sind verständlich und kurz gehalten, weil sie breit aufklären sollen, und können auf YouTube abgerufen werden. Alle Praxen sind aufgerufen, die Videos auf ihren Homepages einzubinden, zu verlinken oder zu teilen. Ausdrücklich erwünscht ist auch, den Hinweis an Patienten weiterzugeben.
Eine zweite aktuelle Hilfe für die Praxis ist der Ratgeber zur zahnärztlichen Prävention der frühkindlichen Karies. Anfang 2014 stellten BZÄK, KZBV, die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde und der Bundesverband der Kinderzahnärzte mit dem Deutschen Hebammenverband (DHV) das gesundheitspolitische Konzept zur zahnmedizinischen Prävention der frühkindlichen Karies vor. Ziel ist, die Präventionslücke bei den 0- bis 3-Jährigen zu schließen, um frühkindliche Karies (ECC) und daraus resultierende Folgeerkrankungen zu vermeiden.
Mit dem im Juli 2015 verabschiedeten Präventionsgesetz wurde die zahnärztliche Prävention für Kinder gestärkt. Mit den Entscheidungen des BMG, in den Richtlinien vom 6. Lebensmonat an sechs Verweise vom Kinderarzt beziehungsweise Hausarzt zum Zahnarzt im Gelben Kinderuntersuchungsheft zu verankern, haben BZÄK und KZBV damit ein wichtiges Ziel erreicht.
Ergänzend haben wir den Online-Ratgeber „Frühkindliche Karies vermeiden“ für die Zahnarztpraxis mit Tipps zur Betreuung der kleinsten Patienten in den Praxen erarbeitet. Wir bitten Sie, den ECC-Ratgeber und die AuB-Filme für Ihre Arbeit in der Praxis zu verwenden. Das ist Berufspolitik mit direktem Nutzen für Sie, Ihr Team und vor allem für unsere Patienten.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Dietmar Oesterreich,Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer