Soll ich einen Master machen?
TEIL 1: DAS SAGT DER ERFINDER
Herr Prof. Dick, was hat Sie seinerzeit bewogen, einen Master für Zahnärzte zu etablieren?
Es war eine neugierig machende Anfrage aus Karlsruhe, die sich schnell als ernsthaft und gut überlegt herausstellte. Für uns Bildungswissenschaftler ergab sich die Möglichkeit, unser Verständnis von Profession, beruflicher Entwicklung oder Qualitätsförderung konkret auf die Probe zu stellen. Dass wir dies für mindestens zehn Jahre tun würden, war damals nicht abzusehen.
Welchen Benefit haben Zahnärzte ganz konkret von dem Studiengang?
Der ist vielfältig. Zwei Jahre Studium geben zahlreiche Impulse, die sich unmittelbar auf die Praxis auswirken, sei es durch die Erweiterung des Behandlungsspektrums, die Verfeinerung von Techniken, oder durch einen anderen Umgang mit dem Personal. Auch das Selbstbewusstsein und die Sicherheit, etwas richtig zu machen, wachsen. Schließlich – und oft unterschätzt: das kollegiale Netzwerk, das sich über die zwei Jahre Studium und danach entwickelt und das sich besonders dann bewährt, wenn man in schwierigen Situationen Unterstützung braucht.
Wie kann der Zahnarzt durch einen Master denn sein Selbstbewusstsein stärken?
Sie wissen Genaueres darüber, was Sie können und was Sie nicht können. Es gibt vieles, das wir richtig machen, ohne zu wissen warum. Hierfür die wissenschaftlich untermauerten Argumente zu kennen, das bedeutet, meine Haltung auch nach außen, dem Patienten oder anderen Fachleuten gegenüber vertreten zu können. Ebenso gibt es Situationen, in denen wir unsicher sind und die wir mit Kollegen besprechen. Zu wissen, wie es anderen geht, hilft dabei, sich selbst richtig und kritisch einzuschätzen.
Die Teilnehmer analysieren auch die Stellung der zahnärztlichen Profession in der Gesellschaft – mit welchem Ergebnis?
Das wichtigste Ergebnis ist wohl, dass die ärztliche Tätigkeit nicht zu ersetzen ist – weder durch eine umfassende datenbasierte Diagnostik noch durch die Technisierung von Therapieverfahren. Wichtig ist auch, dass das Vertrauen der Patienten in die Person des Arztes ungebrochen hoch ist – egal, welche Klischees oder Skandale in den Medien sind.
Ergeben sich mit dem Master denn neue Berufsfelder für Zahnärzte?
Inzwischen haben ja einige der Absolventen in den Bildungswissenschaften promoviert. Den einen oder die andere würde ich sofort einstellen. Aber im Ernst: Die Teilnehmer bleiben gerne Zahnärzte, manche engagieren sich stärker in der Standesvertretung, andere stärker in der Forschung.
Der Studiengang
Der Masterstudiengang „Integrated Practice in Dentistry“ – eine Public-Private-Partnership der „Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe“ und der „Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg“ – feierte gerade zehnjähriges Jubiläum. Er verbindet zahnmedizinisches Spezialwissen, das der Partner aus Karlsruhe einbringt, mit pädagogischen, sozial- und organisationswissenschaftlichen Inhalten zu einem interdisziplinären Angebot, das sich ausschließlich an approbierte Zahnärzte richtet. Inhaltlich soll den Studierenden integriertes Denken in einem interdisziplinären Ansatz vermittelt werden.
TEIL 2: DAS SAGT DIE EXPERTIN
Das Wissen im Kopf
Eine moderne professionelle Weiterbildung soll den Umgang mitaktuellen Problemstellungen wie „dem informierten Patienten“ oder dem „Dilemma von wirtschaftlichem Druck und Behandlungsqualität“ erleichtern. Dabei steht nicht der Zuwachs an fachlichem Wissen im Vordergrund, sondern die Reflexion dieser Prozesse, weil erst dadurch die Diskrepanz zwischen Wissenschaft und Praxis überbrückt beziehungsweise fruchtbar gemacht wird. Aktuelle Qualifizierungsmaßnahmen verfolgen deshalb nicht nur berufspraktische Ziele, sondern bieten auch die Chance einer Persönlichkeitsentwicklung und können grundlegende Strukturen im professionellen Umfeld verändern. Im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung sind dabei die stetige Reflexion sowie die damit verbundene Evaluation des eigenen professionellen Handelns entscheidend. Weiterbildung soll also nicht nur der Profilierung des Einzelnen dienen, sondern die individuelle Entfaltung unterstützen, zum Gemeinwohl beitragen und gesellschaftliches Vertrauen schaffen. Die Legitimationskraft der Profession kann nur bestehen, indem nicht formale Regeln die soziale Realität der Professionellen bestimmen, sondern indem das Wissen nach wie vor in den Köpfen der Zahnärzte wohnt. Postgraduale Masterstudiengänge sind vor diesem Hintergrund unter bestimmten Bedingungen das Paradebeispiel einer intensiven Weiterbildung über mehrere Jahre.
Verbunden im Netzwerk
Teil eines Netzwerks zu sein bedeutet Menschen zu kennen, die einen fördern, ermutigen und unterstützen. Und man kommt in Kontakt zu Kollegen, die man sonst nicht erreichen kann. Um solch eine professionelle Gemeinschaft zu etablieren, gründete eine Gruppe engagierter Zahnärzte nach Abschluss des Masterstudiengangs 2006 das Netzwerk „Integrated Dentistry e.V.“.
Verbunden durch die Weiterbildung mit ihren einzigartigen Erlebnissen, den intensiven Austausch auf Augenhöhe sowie die gesammelten Erfahrungen wollte keiner nach dem Abschluss einfach nur in den normalen Berufsalltag zurückkehren. Der Verein dient bis heute als Plattform des fachlichen und zwischenmenschlichen Austauschs und bearbeitet Projekte mit Bedeutung für den Berufsstand, so dass nicht nur der Einzelne, sondern auch die Profession profitiert.
Teil 3: DAS SAGEN 2 ABSOLVENTEN
„Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Jeder der sich mit dem Gedanken trägt, ein Masterstudium zu beginnen, stellt sich (fast) mit Sicherheit Fragen: Was bringt mir das Studium, beruflich, privat und in der Öffentlichkeit? Was kostet mich das Studium, in Euro und an Zeit? Welchen Aufwand neben Zeit und Geld erfordert das Studium – Reise, Unterbringung, Praxisschluss und Masterarbeit?
Als ich von den ersten Plänen zum Masterstudiengang der „Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe“ und der „Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg“ hörte, gab es für mich diese Fragen nicht. Ich sagte mir: Du hast bereits sehr viele Vorleistungen erbracht, dies ist eine Gelegenheit, diese Fortbildungsleistungen zu bündeln und auch öffentlich zu machen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Ein Pilotprojekt ist immer eine fachliche und persönliche Herausforderung. 33 Jahre nach dem Examen und 32 Jahre nach der Promotion wieder Student, die Lehrer meist Jahre jünger mit einem Bruchteil an Berufserfahrung. Wer lernt von wem? Was sind die weiteren Inhalte, wie entwickeln sie sich? Wie ist es, mit Kollegen nicht nur einen, sondern mehrere Kurse gemeinsam zu besuchen, auch Zeit außerhalb der Kurse in einer anderen Stadt gemeinsam zu verbringen?
Die Antworten waren rundum positiv, es war insgesamt eine prägende fachliche und besonders menschliche Erfahrung! Das kollegial-freundschaftliche Verhältnis mit den Kommilitonen, aber auch den Professoren tat gut. Die über das rein zahnmedizinisch Fachliche hinausgehenden Themen erlaubten einen Blick über den Tellerrand, einen Blick auf uns von außen und einen Blick in die Wissenschaft.
Und dann die Masterarbeit, eine selbstständige, wissenschaftliche Arbeit nach vielen Jahren praktischer Tätigkeit. Das Thema sollte mich selbst interessieren und am besten eine Frage aus der täglichen Arbeit beantworten: Suche, Aufbau, Fragebogen, Korrektur nach erster Anwendung, Daten sammeln – allein oder mit Verbündeten – zusammenstellen, auswerten, Literaturrecherche, Entwürfe, Layout, Korrektur. Das Thema wirkte zum Teil mager, dann wieder fast unüberschaubar. Eine Einschränkung an der einen Stelle ergab an anderer Stelle Erweiterungsbedarf. Anfänglich Wichtiges trat in den Hintergrund, in Nebensächlichem steckte plötzlich der interessanteste Teil der Fragestellung. All dies waren Felder, in denen man sich bewähren musste. Und endlich hatte man es geschafft, die Arbeit wurde abgegeben. Das Abschlussgespräch fand statt, das Studium war abgeschlossen, die Urkunde wurde in einer Feier übergeben.
Und was kam dann? Entzugserscheinungen? Fehlten die Wochenenden in Karlsruhe oder in Magdeburg, die Abende am Computer mit der Masterarbeit? Manchmal ja, aber manch Liegengebliebenes konnte nun erledigt werden, die Umsetzung des Erworbenen in die Praxis hatte jetzt den lange vermissten Raum. Die Platzierung des neuen Titels auf Visitenkarte, Schild, Stempel und Drucksachen konnte erfolgen.
Wer nimmt nun dies alles zur Kenntnis? Die Masse nicht, meist nur der, der selbst Master, Akademiker oder sonst wie involviert ist. Oder doch noch andere? „Ich habe gar nicht gewusst was sie alles machen, eine reife Leistung in ihrem Alter und bei ihrer Belastung, Fortbildung wird bei ihnen aber hoch gehalten.“ Dies sind dann doch Reaktionen, über die man sich freut, die eine Bestätigung sind, die zeigen, dass Beständigkeit, Zuverlässigkeit und Innovation ihre Anhänger haben. Es tut einem ganz persönlich gut.
Dr. med. dent. Jörg Augenstein M.A., Vorsitzender Master-Network Integrated Dentistry e.V.
„Ich fühle mich im Beruf nun viel sicherer.“
Das Erlernen der akademischen Arbeitsweise hat mir in erster Linie Klarheit gebracht. Wir haben unseren Patienten gegenüber eine große Verantwortung. Und wir Zahnärzte gehen oftmals wenig akademisch mit unseren Patienten und Materialen um. Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen: Zahnärzte sind sehr leicht für neue Produkte und Materialen aus der Dentalindustrie zu begeistern. Oftmals werden vorschnell Patienten mit diesen Dentalprodukten versorgt. Nach einiger Zeit fällt dann auf, dass das angepriesene Produkt oder ein neues Material qualitativ nicht überzeugen. Wir experimentieren mit unseren Patienten, ohne unsere akademische Ausbildung effektiv zu nutzen. Somit setzen wir uns auf eine Stufe mit einem Handwerker. Ich bin aber keine Handwerkerin, sondern Medizinerin. Da müssen wir als Berufsgruppe aufpassen. Der richtige Weg wäre, erst dann neue Dentalprodukte am Patienten zu verwenden, wenn es dazu auch fundierte Untersuchungen gibt. Das habe ich während des Studiums gelernt. In meiner Masterarbeit „Integration von mobilen Spezialisten in der ’kleinen’ Zahnarztpraxis“ habe ich ein in Deutschland noch selten umgesetztes Modell der Kooperation von Allgemeinzahnärzten mit Spezialisten, die horizontale oder vertikale Integration eines chirurgischen Spezialisten in eine kleine Zahnarztpraxis untersucht. Das Ergebnis hat gezeigt, dass eine mehrfache Win-win-Situation ohne „Verlierer“ existieren kann. Alle vier Beteiligten – Patienten, Mitarbeiter, Praxisinhaber und Spezialist – gewinnen durch die Integration eines Spezialisten viel dazu. Ich fühle mich im Beruf nun viel sicherer.
Zahnärztin Doris Alexandersen M.A.
Schlossgasse 3, 71706 Markgröningen