Bericht fordert Einbürgerung von EU-Medizinern in Großbritannien

Britische Pässe für alle im NHS

Fünf Prozent aller Mitarbeiter im britischen National Health Service (NHS) sind EU-Bürger. Falls diese als Folge des Brexit das Land verlassen, kollabiert dasSystem. So prognostiziert es ein Bericht des britischen Wohlfahrtsverbands IPPR, der fordert, allen im NHS beschäftigten Europäern die britische Staatsbürgerschaft anzubieten.

Stolze 1.200 Pfund kostet die britische Staatsbürgerschaft aktuell und ihr Erwerb ist mit verschiedenen Tests belegt. Damit ist es auch für Migranten aus anderen EU- Ländern in Großbritannien weder einfach noch günstig, Bürger des Vereinigten Königreichs zu werden. Das müsse sich dringend ändern, wenn es nach dem britischen Wohlfahrtsverband Institute for Public Policy Research (IPPR) geht. Der hatte Mitte August einen Bericht veröffentlicht, wonach der noch ausstehende Vollzug des Brexit und die damit höchstwahrscheinlich verbundene Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit mittelbar zum Zusammenbruch des heimischen Gesundheitssystems führen würde. Hintergrund: Aktuell sind rund 57.000 der rund 1,2 Millionen Beschäftigten des NHS EU-Bürger, die keine britische Staatsbürgerschaft haben. Etwa 5.000 davon sind Ärzte.

Damit gehören sie zu den rund 3 Millionen EU-Bürgern, die aktuell in Großbritannien leben und deren Zukunft zur Zeit ungewiss ist. Auch wenn eine Abschiebung dieser Personengruppe unwahrscheinlich ist, so der IPPR, habe das Fehlen der behördlichen Zusicherung eines sicheren Verbleibs eine Abschreckungswirkung auf jene, die Jobs, Eigenheime, Kredite oder sonstige langfristige Verpflichtungen haben.

Dass der NHS zunehmend abhängig von EU-Migranten ist, zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahre: So wuchs die Zahl der Beschäftigten mit irischen, spanischen, deutschen, griechischen oder sonstigen Pässen mehreren übereinstimmenden Medienberichten zufolge von 33.420 (2012) auf 41.566 (2014) bis es im Februar 2016 etwas mehr als 57.000 waren. Trotz dieses Trends sei das britische Einbürgerungsrecht seit Dekaden unrefomiert, beklagt das IPPR, ein Fakt der zusammen mit der Votierung der Wähler für den Brexit jegliche Klarheit über die Sicherheit, den Status und Verbleib von Millionen EU- Bürgern in Großbritannien beseitigt hat.

So unklar wie die konkreten Folgen einer möglichen Abwanderungswelle von Fachkräften aus dem Gesundheitswesen ist auch, wohin es diese Arbeitnehmer ziehen könnte. Drei Wochen nach dem negativen Votum beim EU-Mitgliedschaftsreferendum veröffentlichte das Online-Stellenportal Stepstone die Ergebnisse einer internationalen Arbeitsmarktumfrage, für die 40.000 Arbeitnehmer aus Großbritannien, Irland und Deutschland zu ihren beruflichen Plänen nach dem Brexit befragt wurden. Ergebnis: Insgesamt planen rund 600.000 britische Fachkräfte, ihre berufliche Karriere in einem anderen EU-Land fortzuführen, da sie negative Folgen für die britische Wirtschaft und ihre eigene Karriere befürchten. Besonders deutlich zeigte sich die Wechselabsicht unter den sogenannten Expatriates, also deutschen Fachkräften, die in den letzten Jahren für ihren Arbeitgeber in UK im Einsatz waren: Mehr als die Hälfte von ihnen kann sich vorstellen, die Insel zu verlassen – fast 40 Prozent organisieren sogar bereits ihren Jobwechsel. Insgesamt nennen 44 Prozent Deutschland als bevorzugtes Zielland. Laut IPPR sind nun schnelle und fundamentale Reformen dringend nötig, um diesen Missstand im Interesse des Landes zu beseitigen, heißt es in dem Bericht, der seinen Blick auch nach Deutschland richtet. Es sei unglücklich, dass Großbritannien die Regeln zum Erhalt der Staatsbürgerschaft in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich verschärft habe, während Nachbarn wie Deutschland und Frankreich ihre Regeln liberalisierten, heißt es.

Das Regelwerk der Einwanderungspolitik habe sich im Anschluss an den 1981 eingeführten British Nationality Act zunehmend anpassen müssen an sich verändernde Einwanderungsströme und stehe nun vor der größten strukturellen Veränderung seit dem Ende des Empires, urteilt der Verband. Nötig sei heute ein differenzierteres System, das nicht mehr zwei Gruppen von Migranten massiv benachteilige. Dies seien zum einen die extrem gut ausgebildeten Migranten, für die der Einbürgerungsprozess zu lange dauert und durch seine Unsicherheit verhindert, dass diese sich heimisch fühlen, investieren oder langfristige Verbindlichkeiten eingehen. So lange Großbritannien im Wettbewerb um die besten Fachkräfte so schlecht aufgestellt sei, schreibt das IPPR, riskiere man einen „Brain-Drain“ – also einen Talentschwund, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes empfindlich schwächen könne.

Zum anderen stark betroffen von den aktuellen Regelungen ist die Migrantengruppe mit niedrigen Bildungsstand und Einkommen, so das IPPR. Ein britischer Pass, der aktuell für viele unerschwinglich sei, würde die Abhängigkeit des Aufenthaltsstatus von Vermietern und Arbeitgebern aufheben und wäre eine Absicherung dieser Gruppe, „die den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken würde“, prognostiziert der Verband.

Um die Sicherheit und Zukunft der in Großbritannien lebenden EU-Bürger zu sichern, empfiehlt das IPPR darum die sofortige Umsetzung eines Maßnahmenkatalogs, der bei einer Reform der Einwanderungsgesetze berücksichtigt werden sollte.

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