EU-Richtlinie zur Vergabe von Immobilienkrediten

Hosen runter!

Michael Vetter
Im März dieses Jahres ist die neue Richtlinie der Europäischen Union zur Vergabe Immobilienkrediten in Kraft getreten: Banken müssen bei der Bewilligung von Baukrediten die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden strenger prüfen. Die Folge: Die Kunden müssen detaillierter als bisher ihre Zahlungsfähigkeit nachweisen.Für Existenzgründer kann dies ein Problem darstellen.

Zum Hintergrund: Mit der EU-Richtline soll vermieden werden, dass sich die immer noch nicht bewältigte Finanzkrise, wie sie 2008 in den USA ihren Ursprung nahm, in Europa wiederholt. Damals wurde in den Staaten bei den dortigen Finanzierungen auf regelmäßige Wertsteigerungen der finanzierten Objekte vertraut. Als die erhofften Wertsteigerungen nicht eintrafen, platzte die sprichwörtliche Blase mit den bekannten, auch Europa betreffenden, wirtschaftlichen Folgen. Daher sollen mit der Richtlinie europäische Banken ihre Kunden besser unter die Lupe nehmen, um sich so besser vor Ausfällen schützen zu können. Mit der Richtlinie stehen die Kreditinstitute stärker als zuvor in der Verantwortung gegenüber ihrer übergeordneten Aufsicht, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Im positiven Sinn soll die Richtlinie als ein Element des Verbraucherschutzes gelten: Häuslebauer und -anschaffer sollen sich nicht mit Finanzierungen belasten, die sie auf Dauer nicht zahlen können. So weit, so gut. Doch insbesondere zwei Bestandteile der Richtlinie dürften für Schwierigkeiten bei Immobilienfinanzierungen sorgen, denn der Druck auf die Banken nimmt damit zu.

Strengere Prüfungen

So müssen Kreditgeber nun noch mehr darauf achten, dass der Zahnarzt als Kunde den Kredit auch tatsächlich über die gesamte Laufzeit zurückzahlen kann. Was auf den ersten Blick vernünftig und sachgerecht erscheint, muss aber erst einmal umgesetzt werden. Die Frage, wie Banken es sicherstellen wollen, die Kreditwürdigkeit oder Bonität ihrer Kreditnehmer über zum Teil 20 und mehr Jahre festzustellen, bleibt offen. Klar zu sein scheint, dass herkömmliche Verfahren zur Einschätzung der Bonität und Kreditfähigkeit von Kunden dazu nicht mehr ausreichen werden. Folge: Noch detailliertere Prüfungen der Liquiditäts- und Rentabilitätsermittlungen, einhergehend mit tiefgreifenderen Analysen der betriebswirtschaftlichen Auswertungen und substanziellere Plausibilitätsprüfungen. Dies dürfte für Normal- und Besserverdiener zwar nervig, aber durchaus möglich sein. Zum Problem kann dies aber für diejenigen werden, die knapper bei Kasse (oder im zahnärztlichen Bereich: Existenzgründer) sind. Kritiker sprechen daher bereits von einer „Kreditverhinderungs-Richtlinie“.

Schärfere Auflagen

Ein zweiter wichtiger Gesichtspunkt der Richtlinie liegt in der Beurteilung des Immobilienwertes. Gewähren Banken einen Kredit, dürfen sie sich nicht mehr hauptsächlich darauf stützen, dass der Wert der Immobilie die ausgegebene Kredithöhe übersteigt. Folge: Die Bewertung der, dem Darlehensvertrag zu Grunde liegenden Immobilie wird seitens des Kreditgebers künftig noch vorsichtiger vorgenommen als bisher. Mit der Richtlinie geht nämlich eine Verschärfung der Gutachtertätigkeit einher: Banken müssen nachweisen, dass sie bei den Gutachtern, die für die Bewertung der jeweiligen Immobilie verantwortlich sind, Personal einsetzen, das nachweislich über die erforderliche fachliche Kompetenz verfügt. Die Gutachter wiederum müssen laut Richtlinie vom Prozess der Darlehensvergabe so unabhängig sein, dass eine objektive Bewertung sichergestellt ist. Da dies explizit so verlangt wird, ist davon auszugehen, dass man bei der Formulierung der Richtlinie von der Notwendigkeit dieser Maßnahme überzeugt war. Und die Banken? Der Kreditgeber wird gegenüber den Aufsichtsbehörden nun selbst nachweisen müssen, umfangreiche Recherchen angestellt zu haben, um die Kapitaldienstfähigkeit des Kunden langfristig nachweisen zu können. Wie, das muss sich ebenfalls noch zeigen. Wird ein Immobilienkredit zukünftig ausfallen und im Bankenjargon „notleidend“, steigt für den Kreditgeber das Risiko, selbst für den finanziellen Schaden aufkommen zu müssen. Die Süddeutsche Zeitung schlussfolgerte: „In der für Banken ohnehin angespannten Lage führt dies dazu, dass manche keine Risiken mehr eingehen. Ihr Motto: Lieber einen Kredit nicht gewähren, als hinterher für ihn haften zu müssen.“

Michael Vetter, Fachjournalist für Finanzen E-mail:

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