Mit Nitrat gegen Gingivitis
Nitrat als die natürlich vorkommende, höchste Oxidationsstufe (+V) des Stickstoffs ist als wichtiger Bestandteil des biologischen Stickstoffkreislaufs in vielen Pflanzen enthalten – in höherer Konzentration insbesondere in diversen Gemüsesorten. Während das Salz und seine Metabolite in der Vergangenheit oft als schädliche Nahrungsbestandteile galten, enthüllen neuere Studien zahlreiche positive physiologische und therapeutische Wirkungen diätetischen Nitrats.
Verschiedene klinisch-experimentelle Untersuchungen belegen: Diätisches Nitra nimmt einen signifikanten Einfluss auf eine Vielzahl von Stoffwechselvorgängen und auf die Ausprägung chronischer Entzündungen. Konsumiertes Nitrat wird durch Keime des oralen Mikrobioms im Organismus zu Nitrit reduziert, das sich dann im sauren Milieu des Magens weiter in Stickstoffmonoxid (NO) und andere bioaktiven Stickoxide umwandelt [Weitzberg E, Lundberg JO, 2013]. Ein Anstieg der NO-Konzentration im Blut wiederum führt zu einer Reduktion des systolischen und diastolischen Blutdrucks [Weitzberg E, Lundberg JO, 2013]. NO und Nitrit wird außerdem eine antimikrobielle Wirkung zugeschrieben, die im Magen als Teil der angeborenen Immunität gegen humane Pathogene wirksam ist [McKnight GM, Duncan CW, Leifert C, Golden MH, 1999;Duncan C et al, 1995] .
Eine von August bis Dezember 2014 zusammen mit dem Lehrstuhl für pflanzliche Ernährung der Universität Hohenheim durchgeführte, placebokontrollierte Interventionsstudie konnte den positiven Einfluss des regelmäßigen Konsums eines nitrathaltigen Salatsaftgetränks auf die Ausprägung gingivaler Entzündungen bei parodontalen Nachsorgepatienten erstmalig nachweisen [Jockel-Schneider Y et al., 2016]: Nachdem die Testgruppe 14 Tage den nitrathaltigen Salatsaft getrunken hatte, waren ihre erfassten Gingival Index (GI)-Werte signifikant um durchschnittlich 52,7 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe gesunken, welche im Beobachtungszeitraum ein identisches Placebo-Salatsaftgetränk zu sich nahm, aus dem das Nitrat vollständig entfernt worden war. Für die Studie wurde ein Kollektiv von 44 (23Test/21Placebo) parodontalen Recall-Patienten mit leichter bis mittelschwerer Gingivitis (GI: 0 ≤ 2 an mindestens drei Zähnen) rekrutiert, die die Abteilung für Parodontologie des Universitätsklinikums Würzburg zur parodontalen Nachsorge aufsuchten. Zu Studienbeginn wurden zur Erstbefundung der gingivale Entzündungsstatus via GI, die Plaquebedeckung der Zähne per Plaque Control Record (PCR) sowie die Nitratkonzentration im Speichel erfasst. Nachfolgend durchliefen alle Probanden eine übliche parodontale Nachsorgetherapie mit supra/subgingivalem Debridement aller Zahnflächen, allerdings ohne dass die Zahnärzte erkennbare Mängel in der häuslichen Zahnpflege ansprachen oder mit den Teilnehmern geeignete häusliche Zahnputztechniken einübten.
Glossar
• ADI: Acceptable Daily Intake (zulässige Tagesdosis)
• FAO: Food and Agriculture Organization of the United Nations (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen)
• Gingiva-Index (GI) Die Beurteilung der Gingivitis aller Zähne erfolgte visuell von bukkal unter Verwendung des Gingiva-Index nach Lobene ( Lobene et al., 1986, Loe et al., 1965).
• Oxidationsstufe/-zahl: gibt die fiktive Ladung an, die Atomen zugewiesen werden, wobei eine positive Oxidationszahl eine verringerte Elektronendichte (gegenüber dem Zustand im Element) und eine negative Oxidationszahl eine erhöhte Elektronendichte anzeigt.
• Plaque Control Record (PCR) nach O´Leary et al. 1972): Anfärben der Plaque, Ausspülen mit Wasser. Das Ablesen erfolgt am Gingivarand (Zahnfleischrand) an vier bis sechs Stellen je Zahn. Der PCR erfasst das Vorkommen von Belägen nicht nur in den Zahnzwischenräumen, sondern auch auf der Zungen- und Wangenseite der Zähne in Nähe des Zahnfleischrandes. Die Plaquemenge wird nicht durch weitere Graduierung erfasst.Der PCR ergibt sich aus der Anzahl der plaque-positiven Flächen im Verhältnis zur Gesamtzahl der beurteilten Flächen. Ziel der Mundhygiene ist ein PCR von unter 10 Prozent.
Danach wurde an alle Teilnehmer mithilfe einer Randomliste ein Vorrat des experimentellen Salatsaftgetränks ausgegeben, das entweder eine definierte Menge an Nitrat enthielt (Test) oder aber frei von Nitrat war (Placebo). Die Probanden wurden instruiert, das Getränk drei mal täglich über 14 Tage hinweg zu trinken, was bei den Patienten der Testgruppe zu einer zusätzlichen Nitrataufnahme von etwa 200 mg/Tag, in der Nähe des von der FAO/WHO empfohlenen Acceptable Daily Intake (ADI) führte. Um die Nitrataufnahme aus anderen Quellen zu minimieren, wurden alle Studienteilnehmer angewiesen, ansonsten eine strikt nitratarme Diät einzuhalten. Nach 14-tägigem Salatsaftkonsum wurden sie wieder einbestellt und alle zum Zeitpunkt der Erstbefundung erhobenen Befunde erneut erfasst.
Ergebnis: Während sich zu Studienbeginn die beobachteten GI- und PCR-Mittelwerte sowie die Nitratkonzentration im Speichel in beiden Gruppen nicht signifikant voneinander unterschieden, wurde nach der 14-tägigen Beobachtungszeit in der Testgruppe ein signifikanter Rückgang der gingivalen Entzündung im Vergleich zum Studienbeginn (p=0.002) wie auch im Vergleich zur Kontrollgruppe beobachtet.
Die Nitratkonzentration im Speichel der Testgruppe zeigte sich am Ende des Beobachtungszeitraums gegenüber der Kontrollgruppe signifikant erhöht (54.0 μg/mL versus 27.8 μg/mL; p0.035). Die per PCR erfasste Plaquebedeckung der Zähne ergab für beide Gruppen zu Beginn und zu Ende nur geringe, statistisch nicht zu verifizierende Unterschiede.
Fazit: Die Resultate dieser Studie legen nahe, dass mit der Nahrung aufgenommenes Nitrat die Ausprägung von Zahnfleischentzündungen bedeutend reduzieren kann. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind im Detail jedoch nur unvollständig bekannt und bedürfen zum vertieften Verständnis weiterer Untersuchungen.
Dr. Yvonne Jockel-Schneider, MSc
Peggy Stölzel
Dr. I. Haubitz
Nicole Petersen
Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf
Universitätsklinikum Würzburg, Ableitung für Parodontologie
Pleicherwall, 97070 Würzburg
Sophia Goßner, MSc
Dr. Ralf M. Schweiggert
Prof. Dr. Reinhold Carle
Universität Hohenheim, Institut für Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel
Garbenstraße 25, 70599 Stuttgart,
Martin Eigenthaler
Universitätsklinikum Würzburg, Ableitung für Kieferorthopädie
Pleicherwall 2, 97070 Würzburg
Nitratgehalt in Lebensmitteln
In den Jahren 2006 bis 2013 hat das LAVES verschiedene Salate. Gemüsesarten sowie Obst auf Nitrat untersucht. Es handelt sich bei der hier vorgenommenen Einteilung nicht um Absolutgehalte. sondern nur um Mittelwerte. da die Dauer und Intensität der Sonneneinstrahlung. die unterschiedlichen Düngemaßnahmen und der Erntezeitpunkt sowie die Sortenwahl die Nitratwerte beträchtlich verschieben können.