Editorial

Was die Barmer-GEK mit Amazon gemein hat

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Ende August ließ eine ungewöhnliche Nachricht aufhorchen. „Krankenkassen: Die Barmer-GEK wird Risikokapitalgeber für Start ups“, so titelte die FAZ, um das ungewöhnliche Unterfangen einer bundesdeutschen Krankenkasse zu beschreiben, mit Versichertengeldern „neue“ Wege zu beschreiten. Glatte 15 Millionen Euro an Beitragszwangsgeldern steckt die Kasse in einen Fonds für Gesundheitstechnologie, der einmal bis zu 120 Millionen schwer werden und in vielversprechende Firmen oder Start- ups aus dem Bereich Medizintechnik, Digital Health und Diagnostik investieren soll. Verwaltet wird der Fonds von einem erfahrenen Venture-Capital-Spezialisten namens Earlybird aus Berlin. Als weitere Investoren sind bereits die staatliche NRW-Bank, die Bundesregierung, die Versicherungsgruppe Generali sowie die Firma Miele mit an Bord.

Spätestens an dieser Stelle sollte man stutzig werden, auch deshalb, weil das Kapitalverlustrisiko der Barmer-GEK von den Investmentpartnern getragen wird. „Bezahlt“ wird dieses von der Kasse mit einer Begrenzung der möglichen Rendite auf zwei Prozent der Investitionssumme. Da fragt man sich doch, warum die Barmer-GEK diesen Weg geht und nicht den Weg des „cherry picking“? Denn als eine der größten Krankenkassen bräuchte sie doch lediglich den Markt zu beobachten und abzuwarten, welche tollen Apps und andere digitale Segnungen ihr tagtäglich von den Digitalapologeten ins Haus getragen werden. Warum also der deutlich steinigere Weg als Investor? Ich glaube es steckt die simple Erkenntnis dahinter, dass Kostendämpfung und Regulierung nicht mehr lange ausreichen werden, um das zwar alte, aber immer noch ziemlich komfortable „Geschäftsmodell“ in die Zukunft zu retten. Wenn sich aber an den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung nichts wesentliches ändert, müssen die Krankenkassen ihre Vorgehensweise und Verfahren ändern. Was nichts anderes bedeutet als das Kranken- und Gesunden(!)management zu verbessern. Und dafür braucht man als wesentlichen „Treibstoff“ Daten und ein neues Verhältnis zu seinen Versicherten, um mit den passenden Mobile Health Anwendungen die Versorgung chronisch Kranker oder eben die Prävention managen zu können. Dieses wird ohne Big Data und Datenanalytik nicht zu leisten sein. Dabei dürfen wir eines gewiss sein: der jungen Generation jagen diese beiden Worte keine Angst ein…Sollte es in diese Richtung gehen, dann hätte sich in der Tat Fundamentales geändert. Dann sind nicht mehr die Heilkundigen der natürliche Partner des Patienten, sondern die Krankenkasse. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zu einer wertorientierten Vergütung der Heilberufler. Weil eben alles messbar geworden ist. Aus dem Payer wird ein Player.

Da haben die Entscheider der Barmer-GEK bei Jeff Bezos, dem Gründer von Amazon, genau zugehört, der die drei Gründe für den Erfolg eines Unternehmens so beschrieb:

1. „Wir konzentrieren uns auf den Kunden.“

2. „Wir sind langfristig orientiert.“

3. „Wir erfinden gerne Neues.“

Banal? Leider nicht, denn die meisten Unternehmen sind, so Bezos, auf die Konkurrenten konzentriert, anstatt auf den Kunden. Sie arbeiten an Dingen, die Dividenden in zwei oder drei Jahren bringen sollen und wenn das nicht in dieser Zeit funktioniert, dann machen sie etwas Anderes. Und sie ziehen es vor, bekannten Strömungen zu folgen, anstatt etwas Neues zu erfinden, weil es sicherer ist.

Ersetzt man die Worte Unternehmen mit Kassen, Konkurrenten mit Heilberufler- Körperschaften, Kunden mit Patienten, Dividenden mit Beitragssatz, bekannte Strömungen mit Kostendämpfung, dann geht die Barmer-GEK tatsächlich einen neuen Weg. Ob dieser für das Gesundheitswesen ebenso disruptiv sein wird wie Amazon für den ehemals etablierten Einzelhandel? Für die Zahnärzteschaft sind die Signale für Veränderungen bereits deutlich zu sehen, z.B. die unverhohlene Empfehlung von Krankenkassen an Patienten, den Zahnersatz doch für die Hälfte des HKP-Betrages in Polen machen zu lassen. Das sollte aber nicht entmutigen, denn die Zahnärzteschaft war bereits disruptiv, als Selbstbeteiligungen und Präventionsboni eingeführt wurden. Diesen Weg gilt es aus meiner Sicht konsequent weiter zu gehen. Auch dann, wenn der Erfolg nicht sofort sichtbar ist.

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