Zurück an Bord
Herr Dr. Arendt, während Ihrer Bundeswehrzeit sind Sie selber zur See gefahren, da lag der Einsatz auf einem Hospitalschiff für Sie natürlich nahe. Wie haben Sie sich dennoch vorbereitet?Vorbereitungsmöglichkeiten bestehen in erster Linie darin, sich allgemein mit dem Kontinent und den speziellen Verhältnissen des jeweiligen Landes zu beschäftigen. Mercy Ships bereitet die freiwilligen Helfer, egal welchen Arbeitsbereiches, meines Erachtens sehr gut und professionell vor. Das fängt bei den im Vorfeld zu erledigenden medizinischen Check-ups inklusive vieler wichtiger Impfungen an, geht dann weiter über die wichtigen „Benimmregeln“ im jeweiligen Land – Guinea ist beispielsweise muslimisch geprägt – und natürlich den wichtigen Regeln, die auch innerhalb der Gemeinschaft an Bord der Africa Mercy und dem zugeteilten Arbeitsabschnitt gelten.
Was waren häufige und außergewöhnliche Diagnosen an Bord?Allgegenwärtig sind extrem tief kariös zerstörte und parodontal schwerst geschädigte Zähne, die nur selten konservativ zu behandeln sind, leider viel öfter einer chirurgischen Intervention bedürfen. Immer wieder finden sich auch bereits extraorale durchgebrochene Abszesse und Fisteln, die man drainieren muss. Erschreckend sind manchmal fortgeschrittene Osteomyolitiden, die auch über viele Wochen kaum erfolgreich zu therapieren sind.
Inwieweit unterscheiden sich die zahnärztlichen Arbeitsabläufe auf dem Schiff von denen in ihrer Praxis?Alles spielt sich in einem einzigen großen Raum mit neun Behandlungseinheiten ab. Es arbeiten zwei bis vier Zahnärzte, jeweils mit Übersetzern und Assistenten. Dazu sind auch Sterilgutassistenten und auch ein bis zwei Dentalhygientikerinnen im gleichen Raum tätig. Wenn man nun bedenkt, dass wir meist auf zwei bis drei Behandlungs- stühlen Kinder behandeln, die von ihren Eltern begleitet werden, bekommt man vielleicht eine Vorstellung davon, wie anstrengend das unterschiedliche Sprachgewirr und die damit verbundene Lautstärke sein kann. Gleichzeitig laufen noch neun Sauganlagen, Turbinen und Handstücke sowie die Klimaanlage, wenn sie nicht gerade mal wieder bei über 35 Grad Celsius ausgefallen ist. Solch ein Tag kann dann ziemlich an die Substanz gehen.
Was war das schönste aber auch das traurigste Erlebnis für Sie?Es mag sehr pathetisch klingen, aber am schönsten ist tatsächlich das dankbare Lächeln und die tief empfunden Freude der Patienten, die wir nach langer Leidensphase durch einfache chirurgische Eingriffe von Schmerzen befreien konnten. Schlimm war für mich eine Situation in Guinea, wo ein Vater mit seinem zirka achtjährigen Sohn, der einen großen Tumor im Gesicht hatte, vertröstet beziehungsweise abgewiesen werden musste. Wäre die erforderliche OP von den plastischen Chirurgen durchgeführt worden, hätte eine Nachsorge nicht mehr gewährleistet werden können, da das Schiff vier Wochen später den Hafen verlassen sollte. Ich weiß aus Erzählungen, dass solche Situation leider immer wieder vorkommen, wenn die jeweilige Mission nach ungefähr zehn Monaten zu Ende geht.
Was raten Sie Kollegen, die sich ebenfalls auf dem Hospitalschiff engagieren möchten?Man muss außergewöhnlich viel Freude am Umgang mit fremden Menschen und deren Kultur haben sowie eine große Portion Neugier mitbringen. Nicht unerheblich ist sicherlich auch ein erhebliches Maß an Stressresistenz, wenn ich das mal so sagen darf. Weiterhin hilft viel Flexibilität und Improvisationstalent, außerdem grundsätzlich die Eigenschaft zum Teamplayer.
„Neben Stressresistenz und Improviastionstalent sollten engagierte Zahnärzte und ZFA auch gute Englischkenntnisse mit an Bord bringen“, rät Martin Dürrstein, Vorstandsvorsitzender von Mercy Ships und Vorstandsvorsitzender der Dürr Dental AG. Zudem sollte man kein Problem damit haben, mit insgesamt 450 Mitarbeitern auf engem Raum zu leben.
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Das erklärte Hauptziel von Mercy Ships ist es, konkrete medizinische Hilfe für den einzelnen Patienten in den Einsatzländern, in den fachchirurgischen Bereichen, wie beispielweise Orthopädie, MKG-Chirurgie, plastische Chirurgie zu leisten. Zudem möchte die Hilfsorganisation Entwicklungszusammenarbeit in Partnerschaft mit der Regierung und anderen Organisationen vor Ort leisten. Fort- und Weiterbildung von medizinischen Fachpersonal zählt ebenso dazu, wie die Sanierung und Renovierung von Gebäuden zur Nutzung während des Einsatzes und nach der Abfahrt. Mercy Ships möchte die Infrastruktur des einheimischen Gesundheitswesens nachhaltig verbessern und für viele Menschen Zugang zur Gesundheitsversorgung schaffen.
Konkret geht das so, erläutert Dürrstein: „In Zusammenarbeit mit lokalen Entscheidungsträgern, Regierungen und den nationalen Gesundheitsministerien eruieren Teams von Mercy Ships die vor Ort benötigten medizinischen Bedarfe. Die daraus hervorgehenden Projekte unterstützen im Anschluss daran das chirurgische System in den Partnerkrankenhäusern.“ In laufenden und zukünftigen Projekten konzentriert sich die Hilfsorganisation zum Beispiel auf die Entwicklung und Förderung medizinischer Infrastruktur, etwa von Kliniken. Ganz wichtig, auch die Nachsorge der Patienten sei gewährleistet, berichtet Dürrstein: „Mercy Ships betreibt das sogenannte HOPE-Center (Hospital Out-Patient Extension) an Land. Dort werden Patienten nach ihrer Entlassung aus der Krankenstation nachversorgt. Zudem haben sie dort die Möglichkeit physiotherapeutische sowie logopädiosche Maßnahmen in Anspruch zu nehmen.“
Zahnärzte können konkret durch einen ehrenamtlichen Einsatz mit Mercy Ships helfen: „Es werden Zahnärzte, ZFA und Dentalhygieniker sowohl für den Einsatz an Bord als auch für die eigens eingerichteten Zahnkliniken an Land gebraucht“, sagt Dürrstein. Aber auch durch Spendenaktionen, die neben der finanzielle Unterstützung, auch auf die Arbeit von Mercy Ships aufmerksam machen, könnten Kollegen die Hilfsorganisation unterstützen.
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