Studie zu Zahnbürsten und Rezessionen

Schadet die elektrische Zahnbürste der Gingiva?

Sonja Sälzer
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Welchen Einfluss haben Hand- beziehungsweise elektrische Zahnbürsten auf die Entwicklung von gingivalen Rezessionen? Können elektrische Zahnbürsten auch Patienten mit bestehenden Rezessionen empfohlen werden?

Rezessionen der Gingiva treten häufig bei Erwachsenen auf und sind gerade auch bei Patienten mit guter Mundhygiene zu finden [Löe et al., 1992; Serino et al., 1994; Albandar and Kingman, 1999]. Sie können zu einem erhöhten Risiko für Überempfindlichkeiten und Karies der Zahnhälse sowie zu parodontalen Problemen führen. Häufig verunsichern sie den Patienten und werden als unästhetisch empfunden.

Zähneputzen ist nur ein sekundärer Risikofaktor

Die Entstehung gingivaler Rezessionen scheint multifaktoriell durch den Einfluss verschiedener anatomischer, pathologischer und physiologischer Ursachen bedingt zu sein. Neben Risikofaktoren wie Plaque, Gingivitis, Rauchen, Geschlecht und Alter [Sarfati et al., 2010] wird das Zähneputzen – vor allem bei unzufrieden stellender Putztechnik – diskutiert [Heasman et al., 2015]. Insbesondere wird ein Zusammenhang von Rezessionen mit der Zahnputzhäufigkeit, der Zahnputzdauer und der Zahnputztechnik sowie der Borstenhärte und der Häufigkeit des Bürstenwechsels festgestellt [Heasman et al., 2015], wobei horizontales Schrubben am stärksten mit hohen Rezessionswerten in Verbindung gebracht wird [Tezel et al., 2001].

In einer Fünf-Jahres-Studie zeigten Zahnmedizinstudenten eine Verbesserung der Mundhygiene mit einer gleichzeitig erhöhten Anzahl von bukkalen Rezessionen, obwohl der Grad an „schonender“ Bürsttechnik enorm zu- und die Verwendung von harten Bürsten extrem abnahm [Daprile et al., 2007]. Dies zeigte, dass „Schrubben“ und Bürstenhärte alleine nicht ausreichen, um die Entstehung von Rezessionen zu erklären.

In einer im Jahr 2007 erschienenen Übersichtsarbeit zu Nebenwirkungen des Zähneputzens wurde festgestellt, dass die vorhandenen Beobachtungsstudien keine konkrete Aussage zu der Beeinflussung des Zähneputzens auf die Entwicklung von Rezessionen zulassen [Rajapakse et al., 2007]. Weiterhin zeigt ein kürzlich erschienenes Meta-Review, dass Zähneputzen mit einer rotierenden elektrischen Zahnbürste kein klinisch relevantes Risiko bezüglich der Entwicklung von Rezessionen darstellt [Van der Weijden and Slot, 2015]. Studien, die eine Auswertung der Entwicklung von Rezessionen über den Verlauf von mindestens einem Jahr erlauben, waren zu dieser Zeit jedoch limitiert. Kürzlich wurden hingegen drei Langzeitstudien mit einer Beobachtungsdauer von ein bis drei Jahren von Patienten mit bereits bestehenden Rezessionen und somit in einer Patientengruppe mit einem höheren Risiko für ein weiteres Fortschreiten der Rezessionen veröffentlicht [McCracken et al., 2009; Sälzer et al., 2016; Dörfer et al., 2016].

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Hand- versus elektrische Zahnbürste

In einer prospektiven randomisierten Studie mit zwei parallelen Gruppen und der Dauer von einem Jahr wurden die Veränderungen vorhandener Rezessionen beobachtet, zum einen bei Probanden, die ihre Zähne mit einer multi-direktionalen elektrischen Zahnbürste putzten (n = 55), zum anderen bei einer Kontrollgruppe (n = 52), die mit einer Referenz-Handzahnbürste der American Dental Association (ADA) geputzt hatten [Sälzer et al., 2016]: Alle eingeschlossenen Probanden wiesen mindestens zwei Zähne mit einer bukkalen Rezession von mindestens zwei Millimetern, jedoch keine Parodontitis auf. Während des Untersuchungszeitraums von zwölf Monaten reduzierten sich die zuvor bestehenden Rezessionen von 2,2 mm leicht auf 2,1 mm (p 0.05) in beiden Gruppen. Dabei konnte kein Unterschied zwischen der Gruppe mit der elektrischen und der mit der Handzahnbürste beobachtet werden.

Zur Überprüfung der Daten wurden die Rezessionen von einem unabhängigen Behandler zusätzlich an Gipsmodellen gemessen. Diese Ergebnisse entsprachen den klinischen Daten. Betrachtet man den Verlauf der Rezessionsentwicklung auf Zahnebene, zeigte keine der zuvor bestehenden Rezessionen eine Verschlechterung von 2 mm und mehr. Eine Verbesserung der Rezession um 2 mm konnte dagegen an zwei Stellen der Patienten, die mit der Handbürste, beziehungsweise an vier Stellen, bei Patienten aus der Gruppe der elektrischen Zahnbürstenputzer, beobachtet werden (Abbildung 1). Somit wurde gefolgert, dass weder die tägliche Anwendung von elektrischen noch die von Handzahnbürsten zu einer Verstärkung von zuvor bestehenden gingivalen Rezessionen führt.

Mit einem ähnlichen Studiendesign und gleicher Dauer wurden Probanden beobachtet, die entweder mit einer Schall- (n = 26) oder mit einer Handzahnbürste (n = 26) putzten [McCracken et al., 2009]. Auch hier wurde weder mit der elektrischen noch mit der Handzahnbürste eine Verschlechterung der Rezessionen beobachtet.

Die mittleren Rezessionswerte unterschieden sich zu keinem Zeitpunkt zwischen den beiden Gruppen. Eine Stelle in der Testgruppe (elektrische Zahnbürste) zeigte eine Verbesserung der Rezession von 2 mm. Die Anwendung der Schallzahnbürste wurde somit von den Autoren als sicher angesehen, erwies sich aber ebenfalls als der Handzahnbürste nicht überlegen.

Die Studie mit der längsten Laufzeit beobachtete die Entwicklung der Rezessionen prospektiv über eine Dauer von drei Jahren. Analog der anderen beiden Studien wurden ebenfalls Patienten mit mindestens zwei bestehenden Rezessionen von mindestens 2 mm beobachtet, die wiederum randomisiert entweder mit einer rotierend oszillierenden Zahnbürste (n = 55) oder mit einer Referenz-Handzahnbürste putzten (n = 54) [Dörfer et al., 2016]. Auch in dieser Studie konnte kein Unterschied der mittleren Rezession zwischen den beiden Gruppen gefunden werden. Ebenso fand sich wieder in beiden Gruppen eine signifikante Reduktion der zuvor existierenden Rezessionen (p 0.001) von 2,4 ± 0,4 mm auf 1,9 ± 0,6 mm in der Gruppe mit elektrischer und von 2,3 ± 0,3 mm auf 1,8 ± 0,7 mm in der Gruppe mit Handzahnbürste.

Die Autoren folgerten, dass ein erhöhtes Bewusstsein der Teilnehmer während der Studie hinsichtlich eines sanfteren Putzens möglicherweise für die unerwartete Reduktion der Rezessionen in beiden Gruppen verantwortlich war. Somit scheint bei richtiger Anwendung weder die elektrische noch die manuelle Zahnbürste eine negative Auswirkung auf bereits bestehende Rezessionen zu haben.

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Fazit für die Praxis

In der Praxis kann eine elektrische Zahnbürste Patienten auch bei bestehenden Rezessionen sicher empfohlen werden, wobei auf ein sanftes kraftloses Putzen hingewiesen werden sollte. Die Daten weisen aus, dass weder die Schallzahnbürsten den Handzahnbürsten überlegen sind noch die oszillierend rotierenden Zahnbürsten gegen über den Handzahnbürsten ein höheres Risiko darstellen. Es scheint so, als ob nicht die Bürste selbst, sondern die Art der Anwendung darüber entscheidet, ob Traumatisierungen stattfinden. Digitale Feedbacksysteme, die den Anpressdruck [Janusz et al., 2008] und gleichzeitig auch Zahnputzbewegungen [Graetz et al., 2013] feststellen, könnten dabei helfen, traumatisierende Putzgewohnheiten zu reduzieren.

Dr. Sonja Sälzer, Anna Plaumann, PD Dr. Christian Graetz, Prof. Dr. Christof DörferUniversitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus KielPoliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Sektion ParodontologieArnold-Heller-Str. 3, Haus 26, 24105 Kiel E-mail:

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