Wir sind Parodontologie
Was hat die aktuelle Situation in der Parodontologie mit der wichtigsten Nebensache der Welt zu tun? Auch wenn die Dauerpräsenz der Fußballeuropameisterschaft in Frankreich ob der vielen Spiele zu einem gewissen Abnutzungseffekt führte – mir die haben die Matches, die folgenden (Streit)-Gespräche, die mehr oder minder fundierten Kommentare zu den Taktiken der jeweiligen Mannschaften am meisten Spaß gemacht, vor allem die um das Abwehrverhalten. 3er-, 4er- oder 5er-Kette, Räume schließen, Umschaltspiel, Gegenpressing und der Wortschöpfungen mehr etc. Die Metapher eignet sich aber auch zur Beschreibung des aktuellen Parogeschehens, denn der Gedanke, welche der beteiligten zahnärztlichen Organisationen BZÄK, DG PARO, DGZMK , KZBV und FVDZ welche Rolle auf dem Spielfeld einnimmt, ist reizvoll.
Wer dabei im Tor, in der Verteidigung, im defensiven oder offensiven Mittelfeld spielt, überlasse ich ganz Ihrer Fantasie. Litten in 2005 noch 8 bis 11 Millionen Bundesbürger an einer behandlungsbedürftigen schweren Parodontalerkrankung (ST 6mm), so stellt sich die Situation zehn Jahre später deutlich besser dar. Es wäre ein fantastisches Ergebnis, wenn der langjährige Vorsitzende der DG PARO, Prof. Peter Eickholz, Frankfurt, bei der Übergabe an den neuen Präsidenten Prof. Christof Dörfer, Kiel, am Ende seiner Amtszeit berichten kann, dass auch durch die systematische Arbeit der wissenschaftlichen Fachgesellschaft und ihrer 4.800 Mitglieder die Prävalenz der schweren behandlungsbedürftigen Parodontitis fast halbiert werden konnte. So jedenfalls die Verlautbarung der Pressemeldung der DG PARO*. Ein großartiger Erfolg.
Alles gut? Mitnichten. Die nach momentaner Schätzung circa 5,5 Millionen Betroffenen* rechtfertigen nach wie vor, von einer Volkskrankheit – so Dr. Wolfgang Eßer – zu sprechen. Um die Parodontitis in den Griff zu bekommen, bedarf es daher einer geschlossenen Mannschaftsleistung und einer Spielidee, also moderner Konzeptfußball aller Mannschaftsteile. Diese wurde anlässlich der Vertreterversammlung der KZBV Anfang Juli in Köln gemeinsam von den vorgenannten Organisationen präsentiert (siehe Berichte ab S. 24 ff.). Deutlich wurde der Wille aller Beteiligten, die Behandlung der Parodontitis gemeinsam weiter zu verbessern.
Zwar gibt es noch einige Schwierigkeiten – vor allem im Bereich der verwendeten Begrifflichkeiten und deren Definitionen wie z. B. PMPR („Professional Mechanical Plaque Removal“) bzw. Abgrenzung von PZR und UPT. Jedoch wurde von allen Beteiligten deutlich gemacht, dass man dies gemeinsam lösen wolle. Allerdings verschwimmen mit diesen Begrifflichkeiten auch die „Zuständigkeiten“. Wer darf also in der PAR-Therapie was? Dabei muss über eines nicht diskutiert werden: Die PAR ist eine ureigene zahnärztliche diagnostische und therapeutische Leistung. Daran ändert sich auch nichts, wenn im Zuge der Behandlung bestimmte Leistungen delegiert werden, denn die Verantwortung ist klar geregelt: Sie liegt beim Zahnarzt! Eine Substitution, also die eigenverantwortliche Tätigkeit durch Dritte wie die DH lehnte nicht nur Dr. Peter Engel strikt ab. Bliebe noch die Frage nach einer der zahnärztlichen Aufgabe angemessenen Finanzierung. Aber da gilt die alte Erfahrung: Die Mühlen des G-BA mahlen gründlich, aber eben auch langsam. Manchmal halt jahrelang …
Fakt ist jedoch auch: Ohne aktive Mitarbeit des Patienten gibt es keine erfolgreiche PAR-Therapie. Und ohne Aufklärung der Bevölkerung, dass Zahnfleischbluten eben keine Lappalie ist, die einfach wieder verschwinden wird, wird die Prävalenz der Parodontitis trotz aller zahnärztlichen Klimmzüge auf einem erheblichen Niveau verharren. Deshalb sehen die DG PARO und die europäische Dachorganisation European Federation of Periodontology (EFP), deren Vorsitzender Prof. Søren Jepsen, Bonn, ist, die dringende Notwendigkeit, für mehr Aufklärung über die PAR sowie den Zusammenhang mit Allgemeinerkrankungen in der Bevölkerung zu sorgen. Dies ist auch Gegenstand der geplanten PAR-Kampagne der BZÄK.
Ohne gute Abwehr kann man kein Spiel gewinnen. Das Motto: Die Null muss stehen, schießt aber auch keine Tore. Und ohne Tore wird es mit dem Gewinnen nichts. Wer die Rolle im Sturm spielt, ist klar. Das sind Sie!
* Pressemeldung der DG PARO vom 5.7.2016