Einmal PKV, immer PKV
Die historisch gewachsene duale Krankenversicherungsordnung aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung ist in die Jahre gekommen. GKV wie PKV stehen vor der großen Herausforderung der demografischen Entwicklung und einem, schon durch den medizinischen Fortschritt bedingten Ausgabenanstieg.
Der bisherige Systemwettbewerb existiert praktisch nicht mehr, weil allenfalls noch fünf Prozent der Bevölkerung tatsächlich ein Wahlrecht haben. Durch die regelmäßige Anhebung der GKV-Pflichtversicherungsgrenze blutet die PKV systematisch aus. Erschwerend kommt hinzu: Während GKV-Versicherte ihre Krankenkasse regelmäßig wechseln können, sind Privatversicherte faktisch lebenslang an ihr Unternehmen gebunden, wollen sie ihre Alterungsrückstellungen nicht verlieren.
Der Lock-in-Effekt
Eine denkbare Lösung wäre eine erweiterte Portabilität, also die Mitnahme der Rückstellungen beim Wechsel eines Privatversicherten von einem PKV-Unternehmen ins andere. Doch in der Realität ist diese Möglichkeit – ohne finanzielle Verluste für den Versicherten – derzeit ausgeschlossen. Zum Hintergrund: Bis zum Inkrafttreten der im Juli 2006 beschlossenen Gesundheitsreform war es in der privaten Krankenversicherung nicht möglich, individuelle Beitragsteile aus den Alterungsrückstellungen beim Versicherungswechsel abzuziehen. Grund war, dass die Rückstellungen nicht individuell, sondern im Gewinnverbund des jeweiligen Tarifkollektivs verbucht wurden.
Je kleiner die Versichertengruppe, desto heftiger die Ausschläge in der Risikoverteilung. Die Folge waren sprunghafte Beitragserhöhungen. Daraus ergab sich für die Versicherten ein sogenannter Lock-in-Effekt: Ab einer gewissen Höhe der Rückstellungen war der Versicherungswechsel durch die Beitragsverluste für den Versicherten unrentabel.
Das wollte der Gesetzgeber 2009 ändern: Seit Einführung des Basistarifs im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (WSG) können PKV-Mitglieder (gemäß §§ 146 und 149 Versicherungsaufsichtsgesetzes, VAG) einen Teil der angesparten Alterungsrückstellungen beim Wechsel mitnehmen. Hier wird unter anderem (über § 146 Abs. 1 Nr. 5 VAG) festgelegt, dass die Alterungsrückstellungen in der Höhe des Wertes mitgegeben werden, die den Leistungen im Basistarif angeglichen dem GKV-Tarif entsprechen. Allerdings schränkt § 152 Absatz 2 Satz 2 VAG die Portabilität für Bestandskunden ein. Die Mitnahme der Alterungsrückstellungen für Verträge mit einem Abschlusszeitpunkt vor dem 1. Januar 2009 ist jetzt ausgeschlossen. Sie war seinerzeit nur (nach § 12 Absatz 1b Satz 2 VAG a.F.) über einen kurzen Zeitraum von sechs Monaten – also bis zum 30. Juni 2009 – möglich.
Eine ewige Bindung
Die PKV setzt seitdem auf verstärkte Kundenbindung: Sie will nach Möglichkeit ihre Versichertenbestände konstant halten und sie nicht mit zusätzlichen unkalkulierbaren Risiken durch gesetzlich verordnete Wechselmöglichkeiten belastet sehen.
In der PKV dürfen die Beiträge allein wegen Alterung des Bestandes nicht steigen. Daher sparen die Versicherten einen gemeinsamen Kapitalstock für ihre Gesundheitsausgaben im Alter an – am 31. Dezember 2014 umfasste dieser 177,7 Milliarden Euro. Dieser Stock ist vertraglich allein für die Versorgung im Krankheitsfall reserviert. So soll die Solidarität der Gesunden mit den Kranken gewährleistet werden.
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Das Kollektiv zählt
Es gibt deshalb aus Sicht der PKV kein individuelles Sparguthaben (Lesen Sie dazu das folgende Interview mit Dr. Roland Weber von der Debeka).
Eine Individualisierung von Alterungsrückstellungen wäre ein Bruch mit der Kalkulation, weil überwiegend Gesunde die Option zum Wechsel nutzen würden. Jeder Wechsel würde das Versichertenkollektiv der zurückbleibenden Alten und Kranken schwächen. Die Folgen wären Beitragssteigerungen bei den wenig wechselgeneigten Alten und Kranken. Sie müssten den infolge der Portabilität verlorenen Teil des Kapitalstocks nach-finanzieren. Ihre Beiträge würden zusätzlich auch aufgrund der dann verschlechterten Risikomischung steigen.
Basistarif wie GKV
Da der Basistarif einen normierten Preis und einheitliche Bedingungen aufweist, ergeben sich für den Kunden beim Wechsel in den Basistarif eines anderen Versicherers keine wesentlichen Vorteile.
Die Zahlen sprechen für sich: Laut Rechenschaftsbericht des PKV-Verbandes hatten bis Ende 2014 lediglich 1.000 Vollversicherte in den Basistarif eines anderen Versicherers gewechselt. Der Übergang in den Basistarif fand also primär beim ursprünglichen Versicherer statt. 12.600 Versicherte hatten davon Gebrauch gemacht.
Hans-Edmund Glatzl, Fachjournalist