Volker Looman zur Altersversorgung

Karger Ruhestand im goldenen Käfig

Bestimmt wissen Sie, dass Hamburg das Tor zur Welt und München die Weltstadt mit Herz ist. Da ist es kein Wunder, dass Eigenheime ihren Preis haben. Immobilien in Weltstädten gehen nicht ins kleine, sondern große Geld. Unter einer Million, natürlich in Euro, sind in Hamburg und München nur „Hundehütten“ zu bekommen. Die hohen Preise für ordentliche Eigenheime erschrecken zwar viele Leute, doch wenn der erste Schreck verflogen ist, schrecken auch Menschen von Stand und mit Verstand vor dem Kauf solcher Häuser nicht zurück. Das kann fatale Folgen haben, wie in folgendem Beispiel deutlich wird.

Der Vater ist Partner in einer Anwaltskanzlei, und die Mutter ist selbstständige Zahnärztin. Er ist 43 Jahre alt, sie ist 41 Jahre jung, und die Kinder sind fünf und drei Jahre alt. Der Mann müht sich in der Kanzlei, die Frau gibt sich Mühe, Beruf und Haushalt unter einen Hut zu bringen, und die Kinder werden auf Schritt und Tritt behütet. Das sieht doch alles sehr vielversprechend aus oder was meinen Sie?

Nun soll ein Eigenheim gekauft werden. Das Objekt kostet einschließlich der Nebenkosten zwei Millionen Euro, und die beiden Akademiker haben rund 500.000 Euro auf dem Konto. Folglich ist ein Kredit von 1,5 Millionen Euro nötig. Das ist viel Geld, aber die Zinsen sind so niedrig, dass das Ehepaar guter Dinge ist, die Sache zu meistern. Der jährliche Zins beträgt zwei Prozent und ist für 15 Jahre fest. Die Tilgung liegt bei 2,8 Prozent, so dass für Zins und Tilgung monatliche Raten von 6.000 Euro zusammenkommen. Wie es in 15 Jahren weiter gehen wird, weiß kein Mensch, doch beide vertrauen darauf, dass die Zinsen niedrig bleiben werden. Wenn die Kredite ab Sommer 2031 weiterhin zwei Prozent kosten und die Rate von 6.000 Euro beibehalten wird, wird das Haus in 27 Jahren schuldenfrei sein. Bei einem Anschlusszins von fünf Prozent würde die Rückzahlung ungefähr 30 Jahre dauern.

Jetzt werden Sie sich bestimmt fragen, wer sich das leisten kann. Das kann ich Ihnen sagen. Das sind Leute, die 400.000 oder 500.000 Euro im Jahr verdienen, und davon gibt es nicht nur in Hamburg und München, sondern auch in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart eine ganze Menge. Bevor Sie jetzt der große Frust packt, dass bei Ihnen alles ein paar Nummern kleiner ist, will ich Sie trösten: auch Familien mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 17.000 oder 21.000 Euro haben ihre Probleme, um in finanzieller Hinsicht entspannt durchs Leben zu gehen.

Das Haus wird einschließlich der Nebenkosten monatlich 7.000 bis 8.000 Euro kosten, und die restlichen Tausender werden, das bestätige ich Ihnen gerne mit Brief und Siegel, auf dem Konto keine Wurzeln schlagen. Das standesgemäße Leben geht ins Geld, und in solchen Haushalten denke ich oft an Wilhelm Busch, den Meister des geschliffenen Wortes: Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe!

Wagen wir also einen Blick, wie es dieser Familie in 27 oder 30 Jahren – also 2043 oder 2046 – gehen könnte. Der Anwalt wird 70 bis 73 Jahre alt sein, die Ärztin wird zwischen 68 und 71 Jahre jung sein. Die Kinder sollten aus dem Haus sein. Das Eigenheim wird lastenfrei sein. Trotzdem wage ich die Behauptung aufzustellen, dass das Haus mehr Last als Lust sein wird, weil die Altersversorgung der Akademiker mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standesgemäß ausfällt. Die Rente des Anwalts mag 4.000 Euro betragen, und die Versorgung der Ärztin wird bei 3.000 Euro liegen. Das sind zusammen 7.000 Euro, doch wenn Sie die Krankenversicherung, die Pflegeversicherung und die Steuern abziehen, werden dem Ehepaar keine 5.000 Euro bleiben. Damit kommen Sie in Aurich und Zwiesel, falls Sie wissen, wo diese Orte liegen, ganz gut über die Runden, aber ganz bestimmt nicht in Hamburg oder München.

Dumm gelaufen, höre ich den einen oder anderen von Ihnen grummeln, und da haben Sie durchaus Recht. Wer es nicht schafft, von 10.000 oder 15.000 Euro einen ordentlichen Betrag für die private Altersversorgung abzuzwacken, hat kein Mitleid verdient. Trotzdem will ich Sie warnen, über andere Leute den Kopf zu schütteln. Was mit einem Jahresgehalt von 450.000 Euro und einem Haus für zwei Millionen Euro nicht klappt, kann auch mit einem Lohn von 100.000 Euro und einem Objekt für 500.000 Euro schiefgehen. Es ist alles nur eine Frage der Verhältnisse.

In beiden Fällen bleibt, wenn die Ansprüche (zu) hoch sind, kein Geld für die Altersversorgung übrig, und das heißt im Klartext, dass diese Privatleute im Alter im wahrsten Sinne des Wortes im goldenen Käfig leben werden. Das ist nicht besonders prickelnd, wenn ich das einmal so ausdrücken darf, und es wäre ein Wunder, wenn sich solche Rentner zu gegebener Zeit nicht fragen würden, wie das Eigenheim versilbert werden kann. Daher lautet mein Vorschlag kurz und bündig. Kaufen Sie kein Haus in Hamburg, wenn Sie das nötige Kleingeld nicht haben, und lassen Sie in München die Finger von Objekten, die Sie nicht innerhalb von 10 bis 15 Jahren bezahlen können. Das bietet Ihnen eine Freiheit, die mit Geld nicht zu bezahlen ist.

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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