Dr. Frank Dreihaupt – ein Porträt

"Machen Sie mal Kammer!"

Heftarchiv Gesellschaft
pr
Am 18.6. endet eine Ära. Von Bord geht der Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, Dr. Frank Dreihaupt. Er ist ein Standespolitiker der ersten Stunde nach der Wiedervereinigung, seit der Kammergründung 1990 bis heute an der Spitze der Organisation. Im Rückblick erzählt er über die turbulenten Jahre vor und nach der Wende, als es darum ging, aus dem Nichts Strukturen zu schaffen und den Sprung in die freie Niederlassung zu organisieren.

„Ich kann mit Stolz behaupten, dass ich eher das Gegenteil von Rot war.“ Dr. Frank Dreihaupt, Jahrgang 1946, ist überzeugter Demokrat, ein politisch Konservativer mit klaren Zielen. 1966 bis 1971 hat er in Rostock Zahnmedizin studiert, 1971 bis 1976 folgte die Fachzahnarztausbildung Allgemeine Stomatologie in der Zentralpoliklinik Brandenburg/Havel und der Poliklinik in Tangerhütte. Dann kam die Promotion zum Thema „Auswirkungen von Staub und Hitze auf das Parodontium“, verteidigt 1985.

Warum er einen Heilberuf ergriffen hat? „Ich hatte immer den Wunsch, Zahnarzt oder Tierarzt zu werden. Mein Vater war Maschinenbauingenieur. Er empfahl mir, einen Beruf zu suchen, bei dem Staat und Regierung nicht hineinreden können. Das war in der Medizin noch gut möglich. Im Gesundheitswesen hatten wir relative Narrenfreiheit.“

Zahnarzt war und ist Dreihaupt mit Leidenschaft. Zunächst war er Abteilungsleiter der Stomatologischen Abteilung in der Poliklinik Tangerhütte, später dort Stellvertretender Ärztlicher Direktor. Bis zur Wende. Den Chefposten hatte er 1978 seinerzeit abgelehnt, denn dazu musste man parteipolitisch aktiv sein. Was Dreihaupt aber nicht wollte.

„Wir hatten relative Narrenfreiheit“

Stattdessen engagierte er sich als Mitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an der Universität Halle-Wittenberg. Dreihaupt interessierte hier vor allem das kollegiale Miteinander: „Wissenschaftliche Gesellschaft – das war im Prinzip die Zahnärztekammer der DDR. Man musste nicht drin sein – man konnte. Einmal im Jahr wurde eine Fortbildung von der Poliklinik bezahlt, die Zimmer zur Übernachtung teilte man sich mit anderen Kollegen. Es gab auch einen Kollegentreff. Ein wichtiger Bestandteil war der kollegiale Austausch.“ Für die Kollegenschaft gestalten – das war und ist sein Ding. Mitte der Siebzigerjahre hatte er einen Arbeitskreis Parodontologie im Bezirk Magdeburg gegründet. Ziel war, den Kollegen vor Ort Fortbildungen anzubieten.

Dass es mit dem DDR-Gesundheitswesen bergab ging, war Dreihaupt in den Jahren vor der Wende schon lange klar: „Ich stand zwar damals dem Staat konträr gegenüber, war aber zunächst der Meinung, so schlecht ist das nicht, dass das Gesundheitswesen kostenlos ist ... Bis ich gesehen habe – so wird das nichts! Ein Beispiel: Um ein CT zu erhalten, musste man ein Jahr Wartezeit einkalkulieren. Hatte man gute Beziehungen, ging es auch schneller. Wenn die nicht endlich anfangen, für die Versorgung Geld zu geben, geht das hier den Bach runter. Man musste ja auf alles warten. Reparaturen fürs Auto wurden gegen Zahnarzttermine aufgewogen.“ Dreihaupt stand gedanklich immer wieder davor, die DDR zu verlassen.

###more### ###title### „Das geht hier den Bach runter“ ###title### ###more###

„Das geht hier den Bach runter“

Die Wende 1989 war für alle Zahnärzte der DDR eine große Herausforderung. Es lag nahe, dass engagierte Männer wie Dreihaupt in der Umbruchzeit eine besondere Rolle einnahmen. Nach dem Mauerfall hatte er mit einigen Kollegen und Ärzten auf Landesebene den Rudolf-Virchow-Bund als Interessenverband der DDR-Ärzte und Zahnärzte gegründet. Dreihaupt bilanziert: „Ich hatte von nichts Ahnung.“ Im Dezember 1990 fuhr er mit den Kollegen nach Berlin, um dort den Virchow-Bund für die fünf neuen Bundesländer zu gründen: „Alles wurde von den Berlinern dominiert. Wir waren als Provinzler arg geschädigt.“ Doch die neue Organisation hielt sich nicht lange. Es folgte der Zusammenschluss mit dem „NAV – Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands“ aus dem Westen zum heutigen NAV-Virchow-Bund.

Parallel dazu liefen seine persönlichen Herausforderungen. Es galt, selbst eine Praxis zu gründen und aufzubauen, und ein Haus dafür zu kaufen – das Haus in Tangerhütte, in dem er heute noch seine erste Praxis hat. Seine zweite Praxis steht heute im Ortsteil Grieben, ein barrierefreier Neubau, dessen Mittelpunkt ein beidseitig begehbarer Steri-Raum bildet.

Im Februar 1990 erhielt er vom damaligen Bundesverband der Deutschen Zahnärzte (BDZ, der heutigen Bundeszahnärztekammer) eine Einladung in den Grunewald. Organisiert war ein Treffen, um in zwei Tagen den Ostzahnärzten das westdeutsche Kammer- und KZV-System zu erklären. Dreihaupt erinnert sich an die Aufforderung dort: „Sie müssen Körperschaften gründen ... doch: Was ist das?“ Dreihaupt und seine Kollegen machten sich schlau, mit der Gründung der Körperschaften ging es rasch voran – anfangs sehr hemdsärmelig: „Mein Kollege Hans Hünecke war in der DDR Privatzahnarzt. Er war Leiter der Abrechnungsstelle der privaten Zahnärzte des Bezirks Magdeburg, die in die KZV übergehen sollte. Also machte er KZV. Er forderte mich dann auf: Machen Sie mal Kammer!“

Dreihaupt erinnert sich: „Wir Kollegen haben uns Satzungen aus diversen West-Kammern besorgt und eine eigene Satzung für eine vorläufige Zahnärztekammer e. V. erarbeitet. Unterstützt wurden wir von der Partnerkammer Niedersachsen.“ Dann wurde es abenteuerlich: Deutlich wurde, dass auch der stellvertretende SED-Bezirkszahnarzt bestrebt war, eine Kammer zu gründen. Da hat Dreihaupt nachts Unterschriften gesammelt, fuhr morgens nach Stendal zum Kreisgericht, ließ den Verein für die Kammer eintragen und kam so dem Bezirkszahnarzt knapp zuvor. Am 14. Mai erfolgte die Anmeldung der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt e.V. beim Kreisgericht Stendal. Vorsitzender des 17 Mitglieder zählenden Vereins (aus dem ehemaligen Bezirk Magdeburg) wurde Dreihaupt.

Ein Crashkurs in Sachen Kammern und KZVen

Dann ging es Schlag auf Schlag. Am 13. Juni wählten die stimmberechtigten Delegierten aus den Bezirken Magdeburg und Halle in Magdeburg den Vorstand der Zahnärztekammer e.V., mit Dreihaupt als Präsidenten. Am 15. August wurden der ZÄK e.V. mit Schreiben des DDR-Gesundheitsministers Jürgen Kleditsch die Aufgaben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts übertragen. Nach dem 3. Oktober erhielten die Körperschaften eine Frist bis zum 30. Juni 1991, sich als Körperschaft neuen Rechts zu konstituieren. Am 29. Juni fand die konstituierende Sitzung der Versammlung der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt statt. Präsident wurde erneut Dreihaupt.

Er erinnert sich: „Wir bekamen die Räume für die Kammer von der Commerzbank gestellt. Zwei Räume in der Julius-Bremer-Straße. Wenn der Vorstand tagte, mussten die Mitarbeiter nach Hause gehen. Das Startkapital zur Kammergründung kam aus der Kammer Niedersachsen – 40.000 DM, zinslos. Wir mussten uns damit befassen, von den Mitgliedern Kammerbeiträge zu erheben.“

Und für den frisch gewählten Kammerpräsidenten ganz wichtig: „Ich bekam ein Handy gekauft, musste ja erreichbar sein. Ich war stolz wie Oskar, kein Mensch hatte ein Funktelefon – ich hatte eins so groß wie ein Koffer. Es fand eine erste Telefonkonferenz statt, aus den Räumlichkeiten einer Kneipe heraus ...“ Und weiter: „Ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Meine Wahl war im Juni. Nach vier Jahren, dachte ich, wird’s ruhiger – mitnichten!!!“

###more### ###title### Glücklich vereint in die Trennung ###title### ###more###

Glücklich vereint in die Trennung

Kurz nach Beginn seiner Amtszeit - Dreihaupt wurde mit der Kammerpräsidentschaft gleichzeitig Mitglied im Vorstand des BDZ – erlebte er das Desaster der Bundesversammlung in Timmendorfer Strand am 27.9.1990: Die Wiedervereinigung war quasi vollzogen - doch bei der Bundesorganisation standen die Zeichen auf Trennung. Drei Kammern – Bayern, Niedersachsen und Nordrhein – traten aus dem Bundesverband aus und gründeten die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Zahnärzte (ADZ). Sachsen-Anhalt war damals den Niedersachsen angedockt. Für Dreihaupt, wie für die anderen frisch gebackenen BDZ-Delegierten der Ostkammern, ein schockierendes Erlebnis. Erst nach fast drei Jahren, am 23.1.1993, sollte die „zahnärztliche Wiedervereinigung“ erfolgen – die drei Kammern traten wieder in die mit neuen Strukturen aufgestellte Bundeszahnärztekammer ein.

Derweil ging auf Landesebene die Arbeit weiter. Dreihaupt: „Die größte Herausforderung war, die Kollegen gleich nach der Wende in die freie Niederlassung zu schicken. Wir hatten viele Fachzahnärzte für allgemeine Stomatologie und Kinderstomatologie. Die arbeiteten alle in Polikliniken. Viele waren im Nachhinein dankbar, dass wir ihnen zur Niederlassung geraten hatten – statt zu warten, bis die Patienten verteilt sind und für die Polikliniken dann nichts mehr übrig bleibt.“ Hinzu kam, dass die Zahnärzte wirtschaftliches, unternehmerisches Denken erst einmal erlernen mussten. Dreihaupt: „Für viele war die Botschaft fremd: Umsatz ist nicht gleich Gewinn. Da gab es Denkprobleme.“ Während der Anfangszeit der Kammerarbeit erfolgte eine intensive Beratung durch die Kammer Niedersachsen. Deren Geschäftsführer arbeitete zeitweise, für zwei Tage in der Woche, in Magdeburg. Die Kosten trug die Kammer Niedersachsen. Dreihaupt erzählt mit einem Augenzwinkern: „Teilweise hatten die natürlich auch ein Eigeninteresse, damit nicht alle unsere Zahnärzte nach Niedersachsen rübergingen.“

1993 kam dann die Bundesebene hinzu. Der Präsident wurde - nach dem Wiedereintritt der drei Kammern in die neue BZÄK – Mitglied im Vorstand der Bundeszahnärztekammer. Er beschäftigte sich mit GOZ-Fragen. Sein festes Ressort war das Thema Gleichwertigkeitsprüfung, wo er sich intensiv engagierte. Was er dort bewirkt hat? Klare Regeln für die Zulassung zur Berufsausübung. Dreihaupt: „Zuerst konnten die ausländischen Kollegen durch die Lande ziehen und unbegrenzt Prüfungen machen. Erreicht wurde, dass es – wie bei der Approbationsordnung auch – nur eine Nachprüfung gibt. Wenn sie dort durchfallen, dann sind die Würfel gefallen.“

"Wirtschaftliches Denken mussten wir erst lernen"

Am 18.6. gibt es in Magdeburg einen Festakt. Tagsüber tagt der BZÄK-Bundesvorstand,dort wird Dreihaupt das letzte Mal dabei sein. Am Abend wird er offiziell verabschiedet, am 18.6. wählt die Kammer Sachsen-Anhalt einen neuen Präsidenten.

Wie geht es für ihn weiter? Für einen Mann, der mit seiner Lebensleistung im Reinen ist und der die meisten seiner hochgesteckten Ziele erreicht hat? Er wird sich im Landesverband für Freie Berufe engagieren – und für den Denkmalschutz. Der Erhalt denkmalgeschützter Objekte in Tangerhütte ist ihm eine  Herzensangelegenheit. Und: „Ganz zufrieden kann man nie sein, dann hätte man sich seine Ziele zu niedrig gesteckt.“

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.