Zehn Jahre Normenkontrollrat

Fast 100 Tage für Informationspflichten

Bürokratie ist einer der Stressoren im Arbeitsalltag von Medizinern. Einige wandern deshalb gar ins Ausland ab. 2006 hat die Bundesregierungden Nationalen Normenkontrollrat eingesetzt – auch gedacht als eine Art Firewall gegen den Bürokratieanstieg. Hat’s Zahnärzten was gebracht?

Die Bilanz des Normenkontrollrates (NKR) ist nach zehn Jahren doch nicht so rosig, wie von Bundeskanzlerin Angela Merkel dargestellt. Im Jubiläumsgrußwort schreibt sie: „Als der Nationale Normenkontrollrat vor zehn Jahren eingesetzt wurde, war mitunter zu hören: Wir schaffen Bürokratie, um Bürokratie abzubauen – für was soll das gut sein? Inzwischen ist die Kritik längst verstummt. Nachdem sich die Bundesregierung im Jahr 2006 der Themen Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung erstmals systematisch angenommen hat, sprechen bisherige Erfolgsbilanzen für sich.“

Der Tenor des NKR-Jahresberichts 2016 liest sich jedoch ganz anders. Dort heißt es, die Folgekosten von Gesetzen würden wieder steigen – allein in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt um 453 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im vorangegangenen Berichtszeitraum waren die Folgekosten im Saldo um 685 Millionen Euro gesunken. Konstanter Bürokratieabbau geht anders.

Die Zahnärzte hat die Arbeit des NKR ganz konkret berührt. Vor etwa einem Jahr hat der Rat zusammen mit dem Statistischen Bundesamt den Abschlussbericht zum Projekt „Mehr Zeit für Behandlung-Vereinfachung von Verfahren und Prozessen in Arzt- und Zahnarztpraxen“ veröffentlicht. Behandler hatten dafür freiwillig Auskunft über ihre Bürokratiebelastung – konkret Informationspflichten genannt – in einigen Bereichen des Praxisalltags gegeben. Das Ergebnis war mehr als ernüchternd: Beinah 100 Tage müssen Zahnmediziner pro Jahr investieren, um ihren Informationspflichten nachzukommen. Die Frage, die sicht stellt: Ist das alles notwendig oder ist ein Teil vielleicht auch das fragwürdige Konstrukt einer „Verwaltungsindustrie“, die – womöglich, ohne sich in die Rolle des Medziners zu versetzen – für ihn immer neue, immer diffizilere Informationspflichten entwirft? Zum Abschluss des erwähnten Projektes verständigten sich die Beteiligten – darunter auch Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) – zwar auf 20 konkrete Empfehlungen zum Bürokratieabbau – allerdings völlig unverbindlich. Für Zahnärzte relevant war etwa die Empfehlung zur sogenannten Negativdokumentation bei der Aufbereitung von Medizinprodukten oder die der Vereinfachung von Archivierungspflichten zur Erfüllung der Aufbewahrungsfristen. Vertreter von BZÄK und KZBV wählten in ihrem Teil des Abschlussberichtes des Projektes dann auch sehr deutliche Worte, die erahnen lassen, wie kompliziert die praktische Umsetzung von Bürokratieabbau im Gesundheitswesen de facto ist, wenn im Hintergrund handfeste Interessen einzelner Player stehen. Dort heißt es nämlich: „Im Projektverlauf zeigte sich jedoch sehr deutlich, dass die gesetzlichen Krankenkassen gemeinsam mit ihrem Spitzenverband (GKV-SV) zurzeit nur bedingt bereit sind, sich für das Thema ’Bürokratiebelastung der zahnärztlichen Praxen’ zu öffnen“. Bei den gesetzlichen Krankenkassen müsse ein Umdenken dahingehend erfolgen, dass weniger Bürokratie in den Zahnarztpraxen im Sinne ihrer Versicherten ist. Bürokratieabbau sei aber auch nur in Zusammenarbeit aller Beteiligten, sowohl des Gesetzgebers und der ausführenden Behörden, als auch der Vertreter der gemeinsamen Selbstverwaltung zu erreichen.

Was bleibt also als greifbares Ergebnis von der Arbeit des NKR? Nun, als (Transparenz-)Instrument wurde im Rahmen des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates unter anderem der Bürokratiekostenindex (BKI) beschlossen. Seit 2012 zeigt er die Entwicklung der anfallenden Bürokratiekosten in Firmen an.

Auch im Hinblick auf das geplante sogenannte Selbstverwaltungsstärkungsgesetz wird das Thema „Bürokratieabbau“ für Zahnärzte relevant bleiben, könnte das geplante Gesetz mit dem lieblichen Namen doch die Erfüllung von neuen – teils fragwürdigen – Informationspflichten beinhalten. Die Vertreterversammlung der KZBV hat sich bereits mit einem „Nein zur Entmündigung der Selbstverwaltung!“ geäußert und am 1. Juli dieses Jahres eine Resolution gegen Pläne des BMG verabschiedet. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung würden massiv eingeschränkt und durch sinnfreie Bürokratie behindert, warnte in diesem Kontext Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV.

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