Editorial

Adieu freier Beruf?

Betrachtet man die Art und Weise, wie in den letzten beiden Legislaturen in Berlin regiert wurde, kann es einem ob der negativen Wirkung auf die demokratische Kultur nur schaudern. Von alternativlosen europäischen Rettungsschirmen bis hin zu dem nur noch als demokratische Farce zu bezeichnenden Umgang mit TTiP, dem steten wirtschaftlichen Aufschwung verheißenden transatlantischen „Frei“Handelsabkommen. Dieses Abkommen ist so wunderbar in seiner Wirkung, dass gewählte, also vom Volk für sein Wohlergehen bestimmte Abgeordnete dieses Werk nur unter allerstrengsten Auflagen einsehen dürfen. Natürlich nicht jeder Abgeordnete, wo kommen wir denn da hin. Aber darüber abstimmen sollen sie dann schon.

Wer hat also bei Vorhaben mit solch tiefgreifenden Veränderungen und damit auch großen Risiken wen wann worüber zu informieren? Womit wir mitten im Schlachtgetümmel rund um den am 23. Januar stattgefundenen außerordentlichen Ärztetag in Berlin wären, den drei Ärztekammern anlässlich des Bekanntwerdens einiger (!) Details zur neuen Gebührenordnung forderten. Wie weiland Merkel hat auch der Bundesärztekammerpräsident Montgomery das Ganze bereits Anfang 2011 zur Chefsache erklärt und – seitdem sind nur rudimentäre Informationsschnipsel bekannt geworden. Doch dann wurde vor wenigen Monaten, quasi kurz vor Toresschluss, vom ärztlichen Verhandlungsführer Windhorst zur Druckentlastung von fantastischen Steigerungsraten in der monetären Bewertung der jeweiligen Leistungspositionen berichtet, wohl in der Hoffnung, dass ob all der Freude über bessere GOÄ-Umsätze und dem Stand der Wissenschaft angepasster Ziffern und Leistungslegenden die Ärzteschaft die beiden Riesenkröten übersieht oder wenigstens in Kauf nimmt, die da hinter ihm standen: nämlich fixer Preis (Einfachsatz) und EBMisierung der GOÄ. Steigerungen sollen nur noch in Ausnahmefällen möglich sein und nur wenn eine eigens eingerichtete neue Kommission namens GeKo à la GBA-Modell diese genehmigt hat. Klingt fast wie der Abschied von dem Zweisäulenmodell in der Krankenversicherung.

Leider gibt es eine schicksalhaft zu nennende Verknüpfung des neuen GOÄ-Entwurfs mit den Geschicken der Zahnärzteschaft. Und das hat wenig damit zu tun, das der Präsident der Bundeszahnärztekammer Engel den Mumm hatte, auf die enormen mit dieser Gebührenordnung verbundenen Probleme – auch für die Zahnärzteschaft – hinzuweisen. Beliebt hat er sich dabei nicht gemacht, aber Zahnärzte finden wie viele der direkt betroffenen Ärzte den Entwurf als einen ordnungspolitischen Sündenfall. Denn er legt die Axt an die Wurzel der heilberuflichen Tätigkeit, an ihren Wesenskern: nämlich an die Freiberuflichkeit.

Das sagt sich so leicht: Wir sind ein freier Beruf. Das Wesensmerkmal der Freiberuflichkeit ist die eigenständige (und vom Ministerium genehmigte und damit rechtsverbindliche) Gebührenordnung, die ausschließlich das bilaterale Verhältnis zwischen Arzt/Zahnarzt und Patient (oder Architekt und Kunde, …) regelt. Punkt. Im Bereich der GOÄ wie auch der GOZ sind Behandler und Patient Vertragspartner und eben keine Versicherung. Und schon gar nicht das SGB-V-Prinzip des wirtschaftlich, ausreichend und notwendig. Wie nun die Bundesärztekammer auf die Idee gekommen ist, aus bilateralen Gesprächen trilaterale zu machen und die PKV direkt einzubinden, um eine neue = versicherungskompatible – GOÄ zu entwickeln, ist mir schleierhaft. Aber vielleicht ist das ja auch der Preis für ein zügiges Durchwinken der neuen GOÄ seitens der Politik.

Mir kommt der Entwurf GOÄneu eher vor wie ein Trojanisches Pferd, mit dem die Politik die letzte Bastion der verfassten Ärzteschaft schleifen wird. Zahnärzte sind dann halt der Kollateralschaden. Und dann ist da noch etwas: Europarechtliche Regelungen werden, wenn es um das bundesdeutsche Gesundheitswesen geht, gerne vergessen. Erinnert sei an dieser Stelle nur an das Vertragsverletzungsverfahren gegen die BRD wegen der Honorarordnungen der Architekten, Ingenieure, Steuerberater und Tierärzte. Diese seien aufgrund der Fest- bzw. Mindestgebühren wettbewerbsbehindernd. Und nun soll die GOÄneu mit einer quasi festen Taxe kommen. Diese ununterschreitbare Mindestgebühr könnte europarechtlich sehr problematisch sein ...

Dieses Editorial wurde vor dem außerordentlichen Ärztetag verfasst. Die Diskussionen und Abstimmungsergeb nisse finden Sie auf Seite 16.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.