Ein Statement zur anonymen Kritik auf Portalen

„Bekennt Euch!“

Im März will der BGH sein Urteil im Prozess zur negativen Bewertung eines Zahnarztes auf dem Bewertungsportal jameda bekanntgeben. Hessens KZV-Chef Stephan Allroggen zeigt hier klare Kante.

Bewertungen werden bestellt oder sogar gekauft und im Schutz der Anonymität wird gelobt oder kritisiert, ohne dass der Leser nachvollziehen kann, ob es sich um authentische und seriöse Erfahrungsberichte handelt. Das Spektrum reicht von der Fünf-Sterne-Bewertung über die sachliche Einschätzung bis zu unwahren Behauptungen und zur Verleumdung.

Der Bundesgerichtshof hat sich schon mehrfach mit der Thematik befasst und dabei stets das öffentliche Interesse an der Beurteilung ärztlicher Leistungen über den Persönlichkeitsschutz des Beurteilten gestellt. Ein Anspruch auf Löschung einer Beurteilung wurde lediglich bei unwahren Tatsachenbehauptungen und Schmähkritik zugebilligt. Ansonsten muss sich ein Arzt oder Zahnarzt nach Auffassung des BGH damit abfinden, dass für ihn sogar wirtschaftliche Nachteile aus den Bewertungen entstehen können.

Die Waffen sind aus meiner Sicht dabei ungleich verteilt, denn dem Beurteiler werden weitgehende Meinungsfreiheit und schützende Anonymität zugestanden, während sich der Beurteilte auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit und eventuell auf unberechtigte oder gar unsachliche Kritik einzustellen hat. Eine Lösung könnte darin bestehen, dass sich die Beurteiler namentlich zu ihren Bewertungen bekennen müssen. Den Mut und auch die Zivilcourage für ein solches Umdenken kann ich in unserer Gesellschaft aber noch nicht erkennen.

Stephan Allroggen,Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hessen


Hintergrund

Jameda: Meinungsfreiheit kontra Rechtsschutz

Ein offenbar unzufriedener Patient bewertete einen Zahnarzt 2013 anonym in den Bereichen „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“ jeweils mit der Schulnote „Sechs“. Er könne den Arzt nicht empfehlen und gab ihm deshalb die Gesamtnote 4,8. Der Mediziner sah dadurch sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangte von dem Portal die Entfernung des Eintrags. Dem kam jameda zunächst nach, stellte die Bewertung nach einer Prüfung jedoch wieder ein.

Der Zahnarzt bestreitet, dass der Patient tatsächlich bei ihm war und verlangt einen Nachweis dafür. Die Richter müssen daher klären, ob und wenn ja auf welche Weise die Plattform den Besuch des Nutzers beim Arzt beweisen muss. Denkbar wäre dies etwa durch die Vorlage von Rezepten oder Rechnungen. Grundsätzlich sind Bewertungsportale und ihre User durch das grundgesetzlich gewährte Recht auf Meinungsfreiheit geschützt. Zwar müssen unwahre und stigmatisierende Äußerungen gelöscht werden, sobald das Portal darauf hingewiesen wird, doch die Identität des Bewerters darf verborgen bleiben. Löschung ja, Enttarnung nein, lautet bislang die Richtlinie der obersten Richter.

Das Telemediengesetz garantiere die Anonymität der Nutzer, darüber könne sich auch der BGH nicht hinwegsetzen, argumentieren sie. Selbst wenn ein Anspruch auf Herausgabe der Nutzerdaten „wünschenswert“ sein möge. Bei diesem neuen Fall ist aber nicht klar, ob die schlechte Beurteilung von einem unzufriedenen Patienten oder von einem Troll stammt. Der Rechtsschutz des Zahnarztes ist also ausgehebelt: Er könnte das Portal belangen, wenn die Vorwürfe unrichtig wären. Das aber kann er nicht beweisen, solange der angebliche Patient anonym bleibt. Ihre Entscheidung wollen die Richter am 1. März bekanntgeben (Az.: VI ZR 34/15).

zm

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