Die Belastung der Körperschaften bleibt
In dem – gegenüber dem Referentenentwurf – inzwischen modifizierten Regierungsentwurf sind wesentliche ursprünglich vorgesehene Belastungen der Selbstverwaltung nicht mehr vorgesehen: Verbindliche Inhaltsbestimmungen durch die Aufsichtsbehörde, die Aufhebbarkeit von genehmigten und rechtmäßigen Satzungsbestimmungen, die ausgeweiteten Bestellvoraussetzungen für den „Staatskommissar“ oder die Zweidrittelmehrheit für die Wahl des Vorstandsvorsitzenden konnten allesamt abgewendet werden. Dennoch enthält der Entwurf laut KZBV immer noch zahlreiche Regelungen, welche die Funktionsfähigkeit der Selbstverwaltung erheblich belasten.
In einem Brief an Gröhe hat der KZBV-Vorstand nun die zentralen Kritikpunkte vorgebracht. Neben der Möglichkeit, einen Entsandten für besondere Angelegenheiten einzusetzen, sind das vor allem zwei Regelungen, die sich einschränkend auf das Tagesgeschäft der Organisation auswirken würden – und die aus rein präventiven Zwecken Verschärfungen vorsehen, um eventuell eintretenden Missständen von vorneherein entgegenzuwirken. Missstände, die jedoch bei der KZBV bisher gar nicht aufgetreten sind. Konkret geht es um
• die Pflicht zur namentlichen Abstimmung in der VV bei haftungsrechtlicher Bedeutung des Abstimmungsverhaltens und
• um haushaltsrechtliche Vorgaben.
Auch der aktuelle Entwurf sieht vor, dass künftig in der VV zwingend namentlich abzustimmen ist, wenn die Abstimmung haftungsrechtliche Bedeutung hat. Das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen VV-Mitglieds soll so zurückverfolgt werden können, um es dann gegebenenfalls haftungsrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Nach Auffassung der KZBV führt dies zu einem Defensivverhalten bei Abstimmungen – die Gefahr einer Lähmung der VV-Tätigkeit sei groß.
Zweitens sind umfangreiche Vorgaben für den KZBV-Haushalt vorgesehen, die eine unzulässige Vermögensbildung verhindern sollen. Insbesondere die Spielräume für den Ausgleich von Einnahmen- und Ausgabenschwankungen sollen verengt werden. Aus Sicht der KZBV besteht dafür keinerlei Notwendigkeit.
Der Vorstand der KZBV plädiert deshalb dafür, vor allem auf diese beiden Hauptpunkte ersatzlos zu verzichten.
Stimmen aus der Politik
Kathrin Vogler, Gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestags-Gesundheitsausschuss:„Die Selbstverwaltung hat den gesetzlichen Auftrag, im Sinne des Sozialstaats Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge zu erfüllen, die der Staat an sie delegiert hat. Nicht jede Detailregelung im Gesundheitswesen kann von der Legislative oder der Exekutive ohne die in der Selbstverwaltung vorhandene Expertise entschieden werden.
Angesichts zunehmender Kommerzialisierung und Wettbewerbsorientierung im Gesundheitswesen brauchen wir eine Rückbesinnung auf das Allgemeinwohl. Doch selbst Körperschaften des öffentlichen Rechts wie die gesetzlichen Krankenkassen oder die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen agieren zunehmend marktförmig und an eigenen wirtschaftlichen Eigeninteressen orientiert. Dubiose Geschäftspraktiken bei der KBV-Spitze, untätige Aufsichtsbehörden, ein als versichertenfeindlich und krankenkassennah erlebter MDK, illegales Upcoding bei Krankenkassen, Leistungsbeschränkungen und -verweigerungen erzeugen Unmut in der Bevölkerung. Die Verbesserung der Transparenz und Kontrolle in der Selbstverwaltung ist ein sinnvolles Anliegen, fraglich ist aber, ob das GKV-SVSG das erreicht. Ohne eine grundsätzliche Abkehr von der Ökonomisierung und Wettbewerbsorientierung im Gesundheitswesen und ohne stärkere Patientenorientierung in den Strukturen bleibt das Gesetz ein bürokratisches Stückwerk, das seinem Namen nicht gerecht wird. Und viele Fragen zum Verhältnis von Gesellschaft, Staat und Selbstverwaltung wie zur demokratischen Legitimation von Entscheidungen bleiben unbeantwortet.“
Hilde Mattheis, Gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestags-Gesundheitsausschuss:„Der Ursprung dieses Gesetzes sind die Verfehlungen und Korruptionsvorwürfe in einer Körperschaft der Selbstverwaltung. Als SPD-Fraktion fordern wir hier lückenlose Aufklärung durch die zuständige Aufsichtsbehörde, das Bundesgesundheitsministerium. Diese kann mit den bisherigen Instrumenten auch erfolgen. Die Antwort des Ministeriums, das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz, war ein Schlag gegen die gesamte Selbstverwaltung und hätte die Beziehung zwischen Ministerium und Selbstverwaltung grundlegend geändert. Der Schritt von einer Rechts- zur Fachaufsicht hätte die Körperschaften im Gesundheitswesen in ihren Aufgaben zu stark beschnitten. Gerade in Hinblick auf die anstehenden Sozialwahlen war dies nicht tragbar. Daher war die Kritik berechtigt. Der Gesetzentwurf ist besser als der Referentenentwurf, aber nicht optimal. Als Gesetzgeber werden wir selbstverständlich unserer Aufgabe nachgehen und gemeinsam mit dem Koalitionspartner weitere Verbesserungen anstreben.“