„Eine Frauenquote packt das Problem nicht an der Wurzel“
Zum Ende des Deutsche Zahnärztetages gab es einen Führungswechsel bei der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Prof. Dr. Michael Walter aus Dresden – er hatte seit drei Jahren die Präsidentschaft elect inne – übernahm den Staffelstab von Prof. Bärbel Kahl-Nieke. Anlass genug, ihn zu befragen, wo er die DGZMK hinsteuern wird.
Herr Prof. Walter, welche Themen haben Sie auf der Agenda für Ihre Amtszeit platziert?
Prof. Dr. Michael Walter: Die DGZMK soll die deutlich vernehmbare Stimme der Wissenschaft in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde als Ganzes sein. Diese Klammerfunktion möchte ich so erfolgreich wie bisher wahrnehmen, denn sie macht unser Fach auch nach außen stark. Natürlich werde ich alle laufenden Aktivitäten und Projekte in Kontinuität weiterführen. Dabei sehe ich die Forschungsförderung als eine zentrale Aufgabe. Die wissenschaftliche Basis für die Zahnmedizin der Zukunft muss durch experimentelle Forschung, klinische Forschung und Versorgungsforschung weiter ausgebaut werden.
Genauso gehört aber auch der Transfer des aktuellen Wissens in die Praxis zu unseren Kernkompetenzen. Wir tragen dem mit Leitlinien und Wissenschaftlichen Mitteilungen Rechnung, aber natürlich auch durch qualitativ hochwertige Fortbildung, die wir über die Akademie Praxis und Wissenschaft anbieten. Ich möchte natürlich auf die neue Wissensplattform owidi der DGZMK hinweisen, mit der wir ein umfassendes Wissens- und Fortbildungsangebot machen wollen. Die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde als medizinische Disziplin unter Berücksichtigung unserer Eigenständigkeit und Spezifika fortzuentwickeln, ist eine weitere Herausforderung.
Last, but not least möchte ich betonen, dass ich die gemeinsame und erfolgreiche Arbeit mit der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung fortsetzen werde. Nur wenn BZÄK, KZBV und DGZMK konstruktiv zusammenarbeiten, können wir langfristig optimale Ergebnisse für die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, die Zahnärzteschaft und natürlich Bürger und Patienten erreichen.
Wie beurteilen Sie denn den Entwurf zur Novellierung für die 60 Jahre alte Approbationsordnung?
Die DGZMK begrüßt ausdrücklich, dass das Verfahren zur Einführung einer neuen Approbationsordnung nun so zügig vorangetrieben wird. In der Grundstruktur und der geforderten Anpassung der Betreuungsrelation im klinischen Unterricht wurde weitgehend den Vorschlägen der Zahnärzte gefolgt. Wenn man sich näher mit dem Entwurf beschäftigt, zeigt sich noch eine Reihe von Problemen, die es im weiteren Verfahren zu beheben gilt. Dabei muss ganz klar gesagt werden, dass eine kostenneutrale Umsetzung der neuen Approbations- ordnung sowohl in der Übergangsphase als auch danach kaum realisierbar erscheint.
Sicher ist die nunmehr angestrebte Angleichung der Curricula von Medizin und Zahnmedizin in der Vorklinik grundsätzlich wünschenswert. Sie führt allerdings auch zu einer reduzierten praktischen Ausbildung in dieser Phase des Studiums. Das war bekannt. Das zentrale Problem liegt doch auf der Hand. Ein Medizinstudium dauert sechs Jahre, das Zahnmedizinstudium fünf. Wir haben also ein Jahr weniger zur Verfügung und müssen zusätzlich eine sozusagen fachärztliche Grundausbildung mit operativen Anteilen leisten. Eine postgraduale Facharztweiterbildung gibt es bei uns nur in sehr eingeschränkter Form. Wenn man das Gesamtpaket von Aus- und Weiterbildung betrachtet, ist eigentlich klar, dass man an Grenzen stoßen und Kompromisse eingehen muss. Manchmal erinnert mich das Ganze an die Quadratur des Kreises.
Mit Ihrem Amtseintritt beginnt auch eine neue Ära der Akademie Praxis und Wissenschaft – kurz APW. Inwieweit steht die Akademie, die früher die einzige Fort- und Weiterbildungsinstanz war, in Konkurrenz zu anderen – vor allem zu Master- Angeboten?
Eine neue Ära würde ich nicht sagen. Aber natürlich wird ein neuer APW-Vorsitzender auch seine eigenen Akzente setzen wollen. Das ist auch gut so. Grundsätzlich gehe ich aber davon aus, dass Herr Dr. Dr. Tröltzsch die sehr erfolgreiche Arbeit seines Vorgängers Dr. Grosse fortsetzen wird. Gemeinsame Ziele des APW-Vorsitzenden, des Geschäftsführenden Vorstands und des Präsidenten sind eine kontinuierliche Anpassung des Angebots der APW an die sich wandelnden Bedarfe. Chancen bieten neue Kurs- und Unterrichtsformate und die Nutzung der immer größeren Möglichkeiten der digitalen Welt. Ich verweise hier erneut auf unsere Plattform owidi, die für die Kursorganisation, aber auch die Einrichtung von Kursräumen und für die Vermittlung von Inhalten für die APW-Kurse genutzt wird. Natürlich besteht die Konkurrenz zu den vielfältigen Masterangeboten. Das ist Ausdruck eines umkämpften Marktes. Aufgabe der APW wird es sein, attraktive alternative Angebote vor allem jenseits der Masterebene zu machen. Eine verlässlich hohe Qualität und wissenschaftliche Seriosität sind uns dabei wichtig und sollen unser Markenzeichen sein.
Stichwort „Privat-Universität“: Krems besteht schon länger, nun gibt es auch in Nürnberg eine „Privatschmiede“, in der demnächst die Zahnmediziner an den Start gehen. Wie sehen Sie das?
Wir leben in einer freien Gesellschaft und in einer Europäischen Union. Das hat zur Folge, dass sich auch private Anbieter etablieren können, sofern ein entsprechender Bedarf besteht und die gesetzlichen Rahmenbedingungen dies hergeben. Das deutsche Zahnmedizinstudium und der Zugang dazu sind seit Jahrzehnten stark reguliert. Dass eine große Nachfrage nach Studienplätzen vorhanden ist, steht außer Frage. Studienmöglichkeiten in internationalen Studiengängen im Ausland bestehen seit langer Zeit und werden rege in Anspruch genommen. Konkrete Einflussmöglichkeiten sehe ich hier nicht.
Aus meiner Sicht ist die Qualität eines Studiengangs entscheidend. Staatliche Hochschulen und Wissenschaft sollten die Situation an den privaten Universitäten in Deutschland und die Akkreditierung von Studiengängen genau im Auge behalten, um die Politik gegebenenfalls auf Fehlentwicklungen hinweisen zu können. Zu Eckpunkten zur nichtstaatlichen Medizinerausbildung und Qualitätssicherung hat sich der Wissenschaftsrat Anfang des Jahres positioniert. Er hat dabei auch auf die Chancen hingewiesen, die in dieser Entwicklung liegen. Mir würde es persönlich allerdings nicht gefallen, wenn Privatanbieter in Deutschland gegen hohe Studiengebühren eines Tages attraktivere Angebote als die staatlichen Hochschulen unterbreiten können. So weit sind wir aber noch nicht.
Apropos. Die Studierenden der Zahnmedizin zeigen eine geringe Forschungsaffinität als die Kommilitonen aus der Humanmedizin. Wo liegen aus ihrer Sicht die Gründe?
Man muss festhalten, dass sich Studierende der Zahnmedizin und der Medizin in ihren Einstellungen und Zielen unterscheiden. Die meisten Zahnmedizinstudenten sind von Anfang an auf klinisch-praktische Tätigkeit ausgerichtet und werden zu einem großen Prozentsatz später kurativ zahnärztlich tätig werden. Das ist in der Medizin so nicht der Fall. Wir haben hier ein sehr breites Fächerspektrum und dies bildet sich auch in einer unterschiedlichen Interessenlage bei den Studierenden ab. Unter Ihnen ist auch immer ein substanzieller Anteil mit Forschungsinteressen. Traditionell hat die medizinische Forschung einen guten Namen, eine hohe Attraktivität und wird auch erheblich besser gefördert als die Forschung in der Zahnmedizin. Wir müssen versuchen, die Forschung in der Zahnmedizin attraktiver zu machen und den jungen Absolventen auch attraktive Karrierewege aufzeigen. Die Feminisierung der Zahnmedizin mit über 70 Prozent weiblichen Studierenden verstärkt das Problem des Nachwuchsmangels in der zahnmedizinischen Forschung noch zusätzlich. Die aktuellen Formate einer Forschungslaufbahn sind nämlich mit den Lebensmodellen vieler junger Frauen immer noch nicht kompatibel.
Würde denn eine Quote Sinn machen, um den Frauenanteil unter den Professoren in der Zahnmedizin zu erhöhen?
Ich möchte mich klar gegen eine Frauenquote aussprechen, da sie der Problemlage nicht gerecht wird. Unsere weiblichen Studierenden sehen zu einem erheblichen Anteil die Attraktivität des zahnärztlichen Berufs in einer relativ hohen Flexibilität bei der Arbeitszeit und der Lebensplanung. Diesbezüglich hat die Zahnmedizin Vorteile gegenüber der Medizin. Wichtig wäre es, Frauen in der Qualifikationsphase vor der Berufung noch besser zu unterstützen, um eine Hochschulkarriere attraktiver zu machen. Benachteiligungen von Frauen im Berufungsverfahren selbst konnte ich in den vergangenen Jahren nicht ausmachen. Wir sehen einfach zu wenige Frauen, die Professuren anstreben, folglich auch zu wenige Bewerberinnen. Eine Frauenquote ist deshalb nicht zielführend und packt das Problem nicht an der Wurzel.
Ihr Statement zum Schluss?
Ich glaube, dass angesichts der rasanten zahnmedizinischen Fortschritte, aber auch der Herausforderungen, vor denen unser Gesundheitssystem steht, eine starke und umfassende Vertretung der wissenschaftlichen Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde wichtiger denn je ist.