KZBV-Vertreterversammlung

„Dieser Entwurf erschüttert uns im Innersten!“

Normalerweise stellt der Vorsitzende der Vertreterversammlung sicher, dass bei der Veranstaltung alles mit Recht und Ordnung zugeht. Aber normal ist dieser Tage nichts, schon gar nicht dieser Entwurf zum Selbstverwaltungsstärkungsgesetz. Deshalb sprengte Dr. Karl-Friedrich Rommel auf der KZBV-Vertreterversammlung kurzerhand das Protokoll und stellte aus seiner Sicht dar, wie die Selbstverwaltung im Innersten durch die geplanten Bestimmungen bedroht wird.

„Ein wesentlicher Diskussionspunkt der heutigen Vertreterversammlung ist unzweifelhaft der vorliegende Referentenentwurf eines GKV-SVSG. Ohne den standespolitischen Positionierungen des Vorstandes vorgreifen zu wollen, erlauben Sie mir als Vorsitzender der Vertreterversammlung, kurz auf einige Aspekte einzugehen, die die Vertreterversammlung selbst und zum Teil auch meine Person als Vorsitzender der Vertreterversammlung unmittelbar betreffen.

Bereits in den zurückliegenden Gesetzgebungsverfahren sind die Entscheidungskompetenzen und -spielräume der KZBV und auch der Vertreterversammlung zunehmend eingeengt worden. Der Gesetzgeber hat auch bereits mehrfach tief sowohl in die Selbstorganisation der Vertreterversammlung als auch in deren Tätigkeit eingegriffen. Es sei in dem Zusammenhang lediglich an die Reduzierung der Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung oder an die Bestimmung erinnert, dass jeweils zwei Vorstandsmitglieder der KZVen geborene Mitglieder auch der Vertreterversammlung der KZBV sein müssen. Auch ist es nichts Neues, dass Beschlüsse der Vertreterversammlung vom Gesetzgeber beziehungsweise dem BMG als Aufsichtsbehörde nicht nur ignoriert, sondern zum Beispiel in der Form von satzungsändernden Beschlüssen nicht genehmigt werden.

Wenn im vorliegenden Referentenentwurf aber auch bereits genehmigte Satzungsbestandteile von der Aufsichtsbehörde beseitigt und durch beliebige andere ersetzt werden können, wenn auch darüber hinaus jegliche Beschlussfassung der Vertreterversammlung nahezu nach Belieben aufgehoben beziehungsweise ersetzt werden kann und grundsätzlich eine namentliche Abstimmung in der Vertreterversammlung gesetzlich vorgeschrieben werden soll, wenn das Abstimmungsverhalten haftungsrechtliche Bedeutung hat, wird ein weiteres trauriges Kapitel der Demontage der Vertreterversammlung als letztem verbliebenen Selbstverwaltungsorgan der KZBV aufgeschlagen. Mit diesen Maßnahmen wird ganz unverhohlen das Ziel verfolgt, sämtliche Tätigkeit der Vertreterversammlung und damit der KZBV insgesamt zur nahezu beliebigen Disposition der Aufsichtsbehörde zu stellen.

Infolge der Verpflichtung zur namentlichen Abstimmung bei haftungsrechtlicher Bedeutung richten sich diese Maßnahmen auch nicht nur gegen die Vertreterversammlung insgesamt, sondern auch gegen jedes einzelne ihrer Mitglieder. Durch das damit installierte Damoklesschwert der persönlichen Haftung für nach Meinung des BMG rechtswidriges Abstimmungsverhalten soll das einzelne W-Mitglied von vorneherein mürbe und gefügig gemacht werden.

Derartige Maßnahmen zur Gleichschaltung staatlicher Organe sollten wir aus der deutschen Geschichte zu Genüge kennen und fürchten. Ich habe solche Maßnahmen in der DDR selbst erleben müssen und hätte nicht gedacht, solchen Entwicklungen nach dem Mauerfall erneut beiwohnen zu müssen. Es ist für mich nicht nur als W-Vorsitzender, sondern auch persönlich erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit und Nonchalance derartige Regelungen auch in einem vermeintlich freiheitlich demokratischen Rechtsstaat entwickelt und einer parlamentarischen Debatte zugeführt werden können. Dass dann auch das Amt des Vorsitzenden der Vertreteversammlung durch die gesetzliche Normierung einer jederzeitigen Abwahlmöglichkeit mit einfacher Mehrheit relativiert wird, stellt dann fast nur noch eine Randnotiz dar.

Zu allem Überdruss wird die Absurdität dieser Regelungen noch weiter gesteigert, wenn man sich den eigentlichen Anlass hierfür vor Augen führt. Nicht strukturelle Schwächen des Systems der gemeinsamen Selbstverwaltung insgesamt, fundamentale Defizite bei der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung oder auch nur fehlende Kooperationsbereitschaft innerhalb des Systems beziehungsweise der Träger- organisationen mit den Aufsichtsbehörden gaben für diesen Gesetzentwurf Veranlassung, sondern alleine eventuelles, punktuelles Fehlverhalten einzelner Personen innerhalb der KBV.

Meine Damen und Herren, wenn solche Vorkommnisse für das BMG und den Deutschen Bundestag Anlass genug sind, das System der gemeinsamen Selbstverwaltung innerhalb der GKV insgesamt zur Disposition zu stellen, wie gering müssen dann die Anlässe sein, um das BMG zur Anwendung der selbstgeschaffenen Zwangsmaßnahmen gegenüber den Körperschaften zu veranlassen?

Ob durch einen derartigen Staatsdirigismus alles besser wird, ist nicht nur mit Blick auf ähnliche Systeme im internationalen Vergleich zu bezweifeln. Denn wenn sich in einem sicherlich sorgfältig ausgearbeiteten Referentenentwurf noch Bestimmungen wie die zur Zwei-Drittel-Mehrheit für die Wahl des Vorstandsvorsitzenden auch der KZBV befunden haben, die eine schon erschreckende Unkenntnis über die tatsächlichen Gegebenheiten jedenfalls außerhalb der KBV offenbaren, lässt dies noch weniger Gutes für die Tatsachenermittlung und -bewertung durch die Bürokraten im BMG im Tagesgeschäft erwarten. Dass das BMG wenigstens auf unseren Protest reagiert und diese Passage im nun vorliegenden Regierungsentwurf wieder beseitigt hat, ändert daran nichts. Dieser Entwurf erschüttert uns im Innersten! Ohne Not wird an einem funktionierenden System gesägt.

Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass die Vertreterversammlung absolut einig in der Ablehnung dieser beispiellosen Eingriffe in ihr Selbstverwaltungsrecht ist und hierzu die treffenden Worte finden wird."

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