Leistungstuning für Olympia

Zahnmedizin für Spitzensportler

Leistungssteigerung durch Atemwegsoptimierung, Körperhaltungsparameter, Verletzungsprävention und Regenerationseffizienz: Wir zeigen die Chancen und Möglichkeiten der Sportzahnmedizin anhand von Spitzensportlern der Fußball-Bundesliga und des deutschen Olympiakaders beim Leistungstuning im Sportzahnmedizinischen Institut und den Zahnrettern Berlin.

Skoliose, Beckenschiefstand und Hohlrundrücken – bisher bestand kaum eine Möglichkeit einer systematischen Heilung im Sinne einer langzeitstabilen Gesundung (restitutio ad integrum). Die Therapie beschränkte sich in der Regel auf kompensatorische Maßnahmen und eine Symptombekämpfung zur Schmerzlin- derung. Mit einer Vielzahl von Fachgebieten wie etwa der Orthopädie, Osteopathie, Physiotherapie oder der Kinesiologie bietet sich dem Patienten hierfür eine breite therapeutische Palette.

Die Einfluss- und Therapiemöglichkeiten der Zahnmedizin auf diesem Gebiet sind dagegen einzigartig und noch weitgehend unbekannt. Dabei bilden sie die Grundlage für bisher ungeahnte Therapiemöglichkeiten, die hier näher vorgestellt werden.

Der Perspektivwechsel

Bei jedem von uns finden sich körperweit muskulär-orthopädische Kompensationsmechanismen. Sie stehen für den körpereigenen Versuch, die wichtigsten evolutionär-überlebensnotwendigen Körperfunktionen wie Bewegung, Gleichgewicht und muskuläre Belastungsfähigkeit zu sichern (siehe Abbildungen 1a+b).

Wir interpretieren die Befunde eines Patienten mit Beckenschiefstand oder Skoliose nicht schematisch als Erkrankung, sondern akzeptieren sie stattdessen als sinnvolle und notwendige Kompensationsmaßnahme des Körpers. Damit wechseln wir die Perspektive von der reinen Krankheitsbekämpfung hin zu einem Ursachenverständnis. Das heißt, anstatt weiter nach Maßnahmen zur Bekämpfung der Befunde durch Einlagen und Korsette zu suchen, fragen wir uns, weswegen der Körper mit Kompensationsmaßnahmen wie etwa Skoliose oder Beckenschiefstand reagiert. Wenn es uns gelingt, diese Ursache zu beseitigen, wird auch unser Patient mit einer deutlichen Verbesserung der Befundlage reagieren oder sogar wieder dauerhaft gesunden (siehe Abbildung 2a+b).

Es wird noch einige Zeit brauchen, bis trotz des Vorliegens der Vielzahl objektiver und praxisalltäglicher Messparameter Zahn- als auch Humanmediziner für sich erkennen, dass die Ursachen orthopädischer und funktioneller Befunde häufig eine dentosacrale Ursache haben. Genau deshalb ist der Einfluss zahnmedizinischer Faktoren körperweit und einzigartig. Lassen Sie uns zur Verdeutlichung in den Praxisalltag gehen und anhand von Beispielen aus unserer Spitzensportbetreuung auf die wichtigsten leistungsmindernden Gründe und die effektivsten Therapieansätze schauen!

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Beispiele aus der Spitzensportbetreuung

Die Ergebnisunterschiede im Spitzensport sind prozentual gesehen marginal. Der Leistungsunterschied zwischen dem Sieger und einem im Vorkampf ausgeschiedenen Sportler liegt teilweise unter einem Prozent. Stellt man die mehrprozentige Leistungssteigerung der sportzahnmedizinischen Leistungsoptimierung gegenüber, erschließt sich schnell, warum ein Spitzensport ohne Hochleistungsschiene heutzutage nicht mehr denkbar ist. Ein Blick in die großen nordamerikanischen Profiligen von NBA, NFL, MLB und NHL zeigen, nahezu jeder Spieler hat eine Schiene.

Die Effekte der sportzahnmedizinischen Leistungsoptimierung lassen sich in fünf Hauptbereiche gliedern:

1. effektiver atmen

Essenziell für Leistungsfähigkeit – und noch vielmehr für Gesundheit und Leben – ist eine effektive Atmung. Unabhängig davon, ob man durch die Nase oder den Mund atmet, ist die engste Stelle der Luftversorgung fast ausnahmslos im myofunktionellen Einflussbereich der Mundboden-Zungenstruktur lokalisiert. Mit einer für die Leistungsoptimierung und Schlafapnoetherapie revolutionären Diagnostik lassen sich diese Befunde mit faszinierenden 3D-Bildern darstellen. (siehe Abbildungen 3a+b).

Mit einer gezielten myofunktionellen Einstellung und Repositionierung des Unterkiefers lässt sich der effektive Luftröhrenquerschnitt ad hoc vervielfachen (siehe Abbildung 4 a bis f).

Die körperweiten Auswirkungen dieser Mehrversorgung mit Atemluft sind fulminant und rechtfertigen aufgrund ihrer Bedeutung einen eigenständigen Artikel. Im sportzahnmedizinischen Zusammenhang sind insbesondere die respiratorischen, kardio-vaskulären und regenerativen Effekte hervorzuheben: Tatsache ist, dass eine Befundung im Bereich der respiratorischen Zahnheilkunde einen stark negativen Einfluss auf den allgemeinen Gesundheitszustand und die Lebenserwartung des Patienten hat. Die therapeutische Bedeutung übersteigt deshalb die der Sportzahnmedizin und stellt eine dringende medizinische Notwendigkeit dar.

2. mehr Kraft und maximale Belastung

Der Biss erzeugt die mit Abstand größte Kraft- und Druckentwicklung unseres Körpers. Im Molarenbereich steigt der Kaudruck über 1 Tonne pro cm

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. Damit die enormen Kaukräfte keine Gewebestrukturen zerstören, ist der Unterkiefer rein muskulär gelagert. Über dieses komplexe Muskelsystem werden die Kaukräfte großflächig über die Kopf-, Hals- und Schulterstrukturen abgeleitet.

Auch die funktionelle Anatomie des Kiefergelenks unterscheidet sich grundlegend von allen anderen Gelenken unseres Körpers, da hier keine Gelenkpfannen-Gelenkkopfstruktur mit einem definierten Rotationszentrum vorliegt. So erklärt sich der komplette dreidimensionale Bewegungsgrad, den der Unterkiefer als körperweites Alleinstellungsmerkmal aufweist. Als unverzichtbarer Bestandteil für die Schulter- und Rumpfstabilisierung ist die Kaukraftableitung hochfunktionell für den gesamten Hals-, Schulter- und Rumpfbereich. Eine funktionelle, zuverlässige und parametergenaue Biss- und Kiefergelenksoptimierung ist hierbei grundlegend.

Entscheidender Vorteil des funktionstherapeutischen Systems aus Sinfomed K7, Myomonitor J5 und Formetric/Formotion ist die Erfassung auch interdisziplinärer Begleitbefunde. Dieser Zusammenhang zwischen Biss und gesamtkörperlichem Spannungs- und Belastungszustand ist mit Phrasen wie „verbissen aussehen“, „sich durchbeißen“ oder „Biss haben“ seit jeher in unserem alltäglichen Sprachgut verankert und lässt sich seit Einführung der wegweisenden 4-D-Optrimetrielässt auch messtechnisch objektiviert erfassen.

Die Synchronisierung der Kaukräfte durch die funktionstherapeutische Harmonisierung resultiert in der Beseitigung von absteigenden orthopädischen Störfaktorketten mit hochrelevanten körperweiten Effekten und faszinierenden Therapieergebnissen (siehe Abbildungen 6a+b).

Zusätzlich lassen sich unter Vermeidung dentogener Kraftspitzen die Kaukraftableitungswerte erheblich steigern. Der Sportler kann in Belastungssituationen schienengeführt kräftiger zubeißen und damit die Kopf-, Hals- und Rumpfstabilisierung erheblich optimieren. Auffällig ist der diagnostisch relevante Unterschied zwischen den Haltungsparametern im Stand und den dynamischen Bewegungsparametern: In der Regel sind die Haltungswerte im Stand (statisch) umfangreich mit bewussten und unbewussten Kompensationsmechanismen vermischt (zum Beispiel Ausstellen des Beins, Hände hinter oder vor dem Rücken und Ähnliches.). Die therapeutische Beeinflussung dieser Werte ist deshalb erfahrungsgemäß verhältnismäßig leicht.

Von größerer Relevanz – speziell für den Spitzensport – sind jedoch die dynamischen Werte aktiver Bewegungsprozesse. Je näher der Sportler dabei an seine körperliche Belastungsgrenze kommt, desto mehr Kompensationsmechanismen werden aufgegeben und die unverfälschten habituellen Bewegungsmuster kommen zum Vorschein. Die Abbildungen 7 a+b zeigen die therapeutische Wirkung der MSP-Schiene nach myozentrischer Leistungsoptimierung.

Ein zusätzlich sehr positiver Synergieeffekt tritt durch die schienenbedingte Bisssperrung auf: Der Sportler kann gleichzeitig maximal zubeißen und durch den frontal-offenen Biss effektiv durch den Mund atmen.

3. mehr Gesundheit und bessere Bewegung

Nicht nur der Biss, sondern auch der gesamte Kopf hat ein herausragendes Alleinstellungsmerkmal, denn er kann als einzige große anatomische Struktur frei und aktiv repositioniert werden. Wir können nicht dauerhaft das Becken, die Knie oder gar die Füße in ihrer Position oder Stellung verändern – aber unseren Kopf. Grundlegend für das Therapieverständnis ist die Erkenntnis, dass die Mundöffnung keinesfalls ein Abklappen des Unterkiefers, sondern bewegungstechnisch in deutlich größerem Maße eine Kopfbewegung ist. Beim Mundöffnen nehmen wir den Kopf in den Nacken.

Schlussfolgernd sind die kaufunktionellen Muskeln und die Muskeln zur Bewegung und Positionierung des Kopfes identisch. Es bietet sich somit die fantastische Möglichkeit über die kaufunktionelle Therapie die Kopfposition zu beeinflussen und damit körperweite und dauerhafte orthopädische Effekte zu erzielen. Da der Kopf aufgrund seines Gewichts und seiner Mobilität stetig durch den Rumpf und die Wirbelsäule ausbalanciert und kompensiert werden muss, ist der Einfluss der Kopfposition auf die Wirbelsäulenposition enorm.

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Somit ergibt sich ein unvergleichliches therapeutisches Potenzial, denn durch die Feinjustierung der Kopfposition können unter dieser Annahme therapeutische Optimierungseffekte erzielt werden, ohne dass ein eigentlicher pathologischer Störbefund (zum Beispiel eine Funktionsstörung/CMD) vorliegt. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür zeigt Abbildung 8. Hierbei erfolgte eine komplette Bewegungsoptimierung mittels MSP-Schiene, obwohl der Sportler funktionsdiagnostisch vollkommen gesund und befundfrei war. Wir können somit die Frage ’Wie krank ist der Patient?’ durch die Frage ersetzen ’Wieviel gesünder können wir den Patienten machen?’.

4. mehr Erholung und Regeneration

Für jeden Menschen sind Regeneration und Erholung von größter Bedeutung für die tägliche Leistungsfähigkeit. Bei Sportlern mit wöchentlicher Wettkampfsituation wie die Punktspiele der Fußball-Bundesliga erhält dieser Aspekt eine herausragende Bedeutung. Der Großteil der Regeneration geschieht nachts. Die psychoemotionale Kompensation wird dabei durch das nächtliche Träumen unterstützt, in denen Emotionen und Stimmungen verarbeitet werden. Analog dazu stellt das Knirschen und Pressen mit den Zähnen den muskulären Gegenpart dar.

Da die reflexgesteuerte Kaukraftinhibition nachts außer Funktion ist, knirschen und pressen wir während des Schlafens mit einer viel höheren Kraft als tagsüber beim Kauen. Wie oben beschrieben, erfolgt dabei die Ableitung dieser enormen und nächtlich zusätzlich gesteigerten Kaukräfte weitreichend auf das Kopf-, Hals- und Rumpfsystem. Vereinfacht könnte man es so ausdrücken: Sportler und Patienten mit Funktionsstörungen und hoher psycho-emotionaler Belastung haben nach dem Aufwachen bereits eine ganze muskuläre Trainingseinheit hinter sich anstatt sich erholt zu haben. Dieser Zusammenhang lässt sich sehr bildlich durch den Recall des muskulären Grundtonus betreuter Sportler und Patienten verdeutlichen (siehe Abbildungen 9a+b).

Für jeden Sportler oder Patienten mit Spitzenbelastungen ist die Notwendigkeit eines Bruxismusmanagements hochwahrscheinlich. Auch hierbei wurde bewusst nicht das Wort „Therapie“ verwendet, da der Bruxismus in unseren Augen ein akzeptierter und körpereigener Kompensationsmechanismus ist. Eine effektive Ursachentherapie besteht hierbei in der interdisziplinären Betreuung durch ein mentales Coaching.

5. Schwächen als Potenzial zur Leistungssteigerung

Von größter taktischer Bedeutung sind die Auswirkungen auf die sportlichen Leistungsparameter. Zur Leistungsdiagnostik verwenden wir im Sportzahnmedizinischen Institut und bei den Zahnrettern Berlin einen sportmotorischen Funktionscourt. Mit seiner Hilfe lassen sich sowohl körperliche als auch mental-körperliche Belastungskombinationen simulieren und messen (siehe Abbldung 10).

Das Hauptaugenmerk richtet sich hier auf die Reaktionszeit, die Schnellkraft, die Maximalkraft und die Bewegungsintelligenz. Dabei stellen gesicherte Schwachpunkte stellen ein positiv zu wertendes Potenzial zur Leistungssteigerung dar. Für viele Sportarten sind die Reaktionszeit und die mentale Belastungsausdauer hochrelevante Leistungsmerkmale. Spezielle Hochleistungsschienen entlasten dafür gezielt das suboccipitale Segment, das mit seinen komplexen Nerv- und Gefäßsträngen das Gehirn versorgt. Bei körperlicher, geistiger oder psycho-emotionaler Belastung verkrampft dieser Bereich sehr stark, wodurch die nervliche und durchblutungstechnische Versorgung vermindert wird.

Mit der Hochleistungsschiene erfolgt die Kaukraftableitung des belastungsinduzierten Knirschens und Pressens gezielt unter Schonung des suboccipitalen Segments, wodurch Konzentration und Reaktionszeit erheblich verbessert werden. Die Leistungssteigerungsraten im Bereich der Reaktionszeit können hierbei über 10 Prozent liegen.

Mit bis zu über 100 Prozent sind die Steigerungsraten bei der Bewegungsintelligenz sogar noch größer. Hierbei liegt der Effekt primär in der Bewegungsanalyse, welche in Koordination mit der Mannschaftsleitung trainingstechnisch und trainingstaktisch optimiert wird. Ein hochrelevantes Beispiel hierfür sind Leistungsunterschiede im Seitenvergleich und die Identifikation von leistungsmindernden Bewegungshabits (siehe Abbildung 11).

Die Diagramme zeigen die absoluten Reaktionszeiten des Sportlers im Vergleich zu seinen Mannschaftskollegen (oberes Diagramm), die absoluten Reaktionszeiten im rechts/links-Vergleich und die relativen Reaktionszeiten im rechts/links-Vergleich in Relation zur Mannschaft. In der graphischen Darstellung wachsen die Leistungsunterschiede nach rechts ansteigend zwischen dem starken und dem schwachen Bein bis auf über 100% Leistungsdifferenz an.

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Zusammenfassung

Sieht man den Körper als komplexes Gesamtsystem und erkennt körperweite Zusammenhänge über die Grenzen der einzelnen medizinischen Fachbereiche an, erschließen sich uns Zahnärzten ungeahnte therapeutische Möglichkeiten. Insbesondere im Bereich der orthopädischen Zahnmedizin (Kopf-, Hals- und Rückenschmerztherapie, Gleichgewichts- und Schwerpunktkorrekturen) und der respiratorischen Zahnmedizin (Schlafapnoe, Atmungseffektivierung) sind die heutigen Aussichten faszinierend. Die Therapieerfolge zeigen sich eindrucksvoll in der zahnmedizinischen Spitzensportbetreuung, wo die zahnmedizinisch-therapeutischen Erfolge direkt in eine hochrelevante Leistungssteigerung, Verletzungsprävention und Regenerationseffektivierung münden. Da die Nutzung von medizinischen und technologischen Netzwerken für Zahnärzte noch am Anfang steht, können wir uns auf eine hochspannende und dankbare Zukunft für all unsere Patienten und auf unseren Berufsalltag freuen!

ZA Guido Pawlik leitet das Überweisungszentrum für Endodontie und Funktionstherapie der Zahnretter Berlin und das Sportzahnmedizinische Institut Myosports.ZÄ Johanna Schalbe ist bei Myosports spezialisiert auf Funktionstherapie und dentosacrale Orthopädie und im Bereich der Spitzensportbetreuung tätig.

Zahnretter Berlin, Praxis für Zahnerhaltung, zahnärztliche Orthopädie und Sportzahnmedizin,Kietz 7, 12557 Berlin

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