Einsatz in Malawi

Eine Zahnbürste ist echter Luxus

Nina Sickenberger, Anja Stengele
Malawi ist kein typisches Urlaubsziel. Das Land, das für sich mit dem Slogan „The Warm Heart of Africa“ wirbt, ist ein wenig entwickelter Binnenstaat im südlichen Afrika. Nina Sickenberger und Anja Stengele, Zahnärztinnen und Vereinsvorsitzende von Planet Action, waren im März zum ersten Mal dort mit einem Team im Einsatz.

Malawi ist ein sehr rohstoffarmes Land und kann aufgrund dessen keine lukrativen Güter exportieren. Da es praktisch keine einheimische Industrie gibt, ist es stark von Importen abhängig. Nahezu alles muss aus dem Ausland eingeführt werden. Die meisten Menschen leben von der Hand in den Mund und versuchen als Selbstversorger durch Landwirtschaft, Viehzucht oder Fischerei ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. So sieht man viele kleine Felder, die von Kleinbauern bewirtschaftet werden. Herden von Ziegen und Zeburindern sowie frei umherlaufende Hühner prägen das Alltagsbild. Die ländliche Bevölkerung ist sehr arm und ernährt sich hauptsächlich von Maisbrei (Nsima).

Umso erstaunter waren wir über den schlechten Mundgesundheitszustand. Wo kommt die Karies her, fragten wir uns am Anfang. Die Antwort: Klein und Groß nagen und nuckeln genüsslich am Zuckerrohr, auch Lollis erfreuen sich großer Beliebtheit. Kein Wunder also, dass die Nachfrage nach zahnärztlichen Behandlungen in den abgelegenen Regionen des Landes riesig ist. In Malawi versorgt ein Zahnarzt statistisch gesehen 450.000 Einwohner, in Deutschland sind es 1.200. Die wenigen Behandler, die es dort gibt, arbeiten hauptsächlich in den drei großen Städten Lilongwe, Blantyre und Mzuzu.

Wo kommt die Karies her?

Die Versuche, Zahnmedizin für die arme umliegende Dorfbevölkerung anzubieten, sind bisher gescheitert. Auf die Ankündigung hin, dass deutsche Zahnärzte für eine Woche kostenlose Zahnbehandlungen anbieten, machten sich deshalb zahlreiche Patienten aus der Umgebung auf den Weg zu uns. Täglich warteten ungefähr einhundert auf eine Behandlung. Viele hatten einen weiten Weg auf sich genommen und übernachteten in der Nähe des Krankenhauses, um am nächsten Morgen wieder vor unserem Behandlungsraum bereitzustehen, so dass uns schon bei Arbeitsbeginn eine große Menschenmenge erwartete. Wir richteten unser Augenmerk auf Schmerzpatienten mit nicht erhaltungswürdigen, beherdeten Zähnen.

Viele Frauen legten kurzerhand ihr Baby zum Stillen an die Brust, während wir gerade mit Hebel und Zange in ihrem Mund am Werk waren.

Am meisten bleibt uns eine etwa 40 Jahre alte Patientin im Gedächtnis, die mit hohem Fieber, Schüttelfrost und einem eigroßen Abszess im Oberkiefer zu uns kam. Die Frau wog nur noch 37 kg, weil sie aufgrund heftiger Zahnschmerzen schon seit Längerem nichts mehr essen konnte. Nach Inzision des Abszesses und  Antibiotikaeinnahme konnten wir an den folgenden Tagen eine deutliche Verbesserung ihres Gesundheitszustands beobachten.

Was uns sehr erschreckte, ist der Umgang mit Medikamenten, insbesondere mit Antibiotika. Beispielhaft dafür steht die Krankengeschichte eines jungen Mannes: Er berichtete von entzündetem und teilweise blutendem Zahnfleisch. Bei der Inspektion zeigte sich eine typische Gingivitis. Der Blick in sein „Medical Book“ (eine Art Patientenakte, die der Patient selbst bei sich trägt) verriet, dass er im vergangenen halben Jahr Amoxicillin, Metronidazol und Ciprofloxacin erhalten hatte. Dieses freizügige, grob fahrlässige Verteilen von Antibiotika ist sicher der unzureichenden Ausbildung des Klinikpersonals zuzuschreiben.

Das Unheil der Kinderehen

Erschütternd ist darüber hinaus die weite Verbreitung von Kinderehen in Malawi, die zwar seit ein paar Jahren offiziell verboten sind, aber dennoch – vor allem in ungebildeten und armen Gesellschaftsschichten – an der Tagesordnung sind. Mädchen im Alter von acht bis 15 Jahren werden gegen eine geringe Bezahlung – Bargeld oder Zeburinder – an einen älteren Mann verkauft. Mittlerweile gibt es Aufklärungskampagnen wie etwa Plakate mit der Aufschrift: „Because I said no to early marriage I am now a doctor“.

Ein weiteres großes Problem ist die hohe Durchseuchung der Bevölkerung mit HIV. Offizielle Statistiken beziffern die Infektionsrate auf 16 Prozent, inoffizielle Statistiken gehen von bis zu 60 Prozent aus. Die Wahrheit wird wahrscheinlich irgendwo dazwischen liegen. Fehlende Aufklärung, Unverständnis und Polygamie sind Gründe für die Infektionen. Die Folge sind viele AIDS-Waisen, die sich als Straßenkinder mit Gelegenheitsjobs oder Prostitution über Wasser halten. Initiativen und Waisenprojekte versuchen diese Kinder aufzufangen, um ihnen ein zu Hause zu bieten und Zukunftsperspektiven aufzuzeigen.

So können Sie helfen!

Zahnärzte, Zahnmedizinstudenten und Zahnmedizinische Fachangestellte können einen Hilfseinsatz im Namen von „Planet Action – Helfende Hände e. V.“ machen.

www.planet-action.de

Oder spenden Sie Geld, Instrumente oder Materialien:

Planet Action – Helfende Hände e. V.
IBAN: DE72 79666548 0007130180
Raiffeisenbank Großostheim-Obernburg

Bei Prophylaxeschulungen in einer Primary School erzählten uns die Kinder übrigens, dass sie zur Reinigung ihrer Zähne Holzstöckchen oder den Finger, dazu Wasser, Asche oder Holzkohle benutzen. Zahnbürste und -pasta kosten in Malawi zusammen rund einen Euro – das sind bei einem monatlichen Einkommen der Eltern von zehn bis 30 Euro echte Luxusartikel. Wenn man dann noch bedenkt, dass malawische Familien aus fünf bis zwölf Kindern bestehen und viele Familien ohne Vater zurechtkommen müssen, wird es unmöglich, Zahnhygieneartikel zu nutzen. Deshalb war es umso schöner, dass wir insgesamt 1.500 Zahnbürsten und -pasten verteilen konnten. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle Spender!

Nach unserem Einsatz sehen wir eine große Notwendigkeit, im St. Gabriel’s Hospital eine zahnmedizinische Abteilung aufzubauen. Ein Raum dafür ist bereits vorhanden. Das Interesse seitens des Klinikpersonals ist groß, es fehlen nur ein Behandlungsstuhl und ein Zahnmediziner, der dort dauerhaft arbeiten möchte. Nach Gesprächen mit dem Klinikdirektor und dem Generaldirektor der luxemburgischen Stiftung Zitha, werden wir das Vorhaben mit „Planet Action – Helfende Hände e.V.“ unterstützen und einen Zahnarztstuhl per Schiffscontainer nach Malawi senden. Außerdem haben wir das Ziel, regelmäßig Zahnärzte und Zahnmedizinstudenten aus Deutschland nach Malawi zu schicken.

Nina Sickenberger,
Anja Stengele

1. und 2. Vereinsvorsitzende
Planet Action – Helfende Hände e.V.
info@planet-action.de

Nina Sickenberger, Anja Stengele

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.