Gesetzentwurf zur Neuregelung des Arztgeheimnisses

Der Paragraf ist hundert Jahre alt!

Wer das Arztgeheimnis verletzt, dem droht eine Freiheitsstrafe in Höhe von bis zu einem Jahr. Sie fühlen sich nicht angesprochen? Nun, das sieht der Gesetzgeber anders. Es bestehe derzeit ein „konstantes rechtliches Risiko“, dass sich Zahnärzte nach Paragraf 203 Strafgesetzbuch strafbar machen. Die Rechtslage ist so schwammig, dass vermutlich auch Sie sich in einer Grauzone bewegen.

Wer als Zahnarzt, Arzt oder auch Rechtsanwalt unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm in seiner beruflichen Eigenschaft anvertraut oder sonst bekannt geworden ist, macht sich nach Paragraf 203 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Soweit so gut. Doch wussten Sie, dass Sie bereits ein Geheimnis „offenbaren“, wenn eine dritte Person Kenntnis von den von Ihnen geschützten Geheimnissen erlangen könnte – sogar, wenn diese dritte Person zur Verschwiegenheit verpflichtet und durch Sie kontrolliert werden würde?

Ein Beispiel: Wenn ein Zahnarzt seine Software von einem IT-Dienstleister warten lässt, gewährt er ihm Zugriff auf die Computeranlage der Praxis – und Einsicht in Patientendaten. Hat der Patient dem aber nicht ausdrücklich zugestimmt, verletzt der Zahnarzt – streng genommen – in diesem Moment sein Arztgeheimnis. Zumindest geht er ein rechtliches Risiko ein, sein Arztgeheimnis verletzten zu können.

Wenn der IT-Experte zum Problem wird

Einen Weg aus dieser Zwickmühle zu finden, ist schwierig – Lösungen gibt es kaum: Auch wenn neue Patienten bereits bei der Aufnahme einer Datenweitergabe zustimmen (müssen), gibt es immer noch jene, die vor 10 oder 15 Jahren aufgenommen wurden und diese Einwilligung nicht gegeben haben. Zudem können Patienten ihre Einwilligung jederzeit zurückziehen. De facto führt damit derzeit jeder Einsatz eines externen IT-Dienstleisters, der mit geschützten Daten in Berührung kommt, zu einem Strafbarkeitsrisiko für den Zahnarzt – sogar wenn es sich bei dem IT-Dienstleister um ein Unternehmen handelt, das extra auf den Umgang mit sensiblen Daten spezialisiert ist.

„Der Paragraf 203 im Strafgesetzbuch ist nicht für die digitalisierte Welt geschaffen worden“, sagte Eric Hilgendorf, Jura-Professor an der Universität Würzburg. „Die Norm ist hundert Jahre alt und wurde zu einer Zeit formuliert, in der man an Digitalisierung noch gar nicht denken konnte.“ Auch der Gesetzgeber hat erkannt, dass es derzeit keinen rechtssicheren Weg gibt, um das Arztgeheimnis zu wahren, sobald Dritte hinzugezogen werden. Deshalb – so lautet der Vorschlag des Gesetzgebers – soll das strafrechtliche Risiko durch die Mitwirkung Dritter reduziert werden.

Die Neuregelung soll Rechtsicherheit schaffen

Im Kern sieht die Neuregelung des Paragrafen 203 StGB eine Einschränkung der Strafbarkeit vor: Wenn also „der Berufsgeheimnisträger“ – der Zahnarzt – „eine dritte Person zur Mitwirkung an seiner Berufsausübung hinzuzieht“ – einen IT-Dienstleister beauftragt –, „der bei ordnungsgemäßer Ausübung seiner Tätigkeit Kenntnis von geschützten Geheimnissen erlangt“ – also Einblick in Patientendaten erhält –, „sieht der Gesetzgeber nunmehr keine Strafbarkeit für den Fall vor“ – der Zahnarzt bleibt straffrei!

Allerdings gibt es zwei Bedingungen: Erstens muss die Inanspruchnahme der Tätigkeit dieser dritten Person „erforderlich sein“. „Dieses Kriterium ist zu unbestimmt“, kritisiert die Bundeszahnärztekammer (BZÄK). Vermutlich werde es künftig von Gerichten entsprechend ausgelegt werden. „Es sollte aber primär Aufgabe und Verantwortung des Zahnarztes selbst sein, zu entscheiden, was erforderlich ist und was nicht.“

Zweitens wird Zahnärzten und Ärzten ausdrücklich eine neue strafrechtliche Verantwortung ins Gesetz geschrieben: Sie müssen dafür sorgen, dass sich Dritte zur Geheimhaltung verpflichten. So heißt es im Gesetzentwurf Absatz 4 des § 203 StGB-E: „Bestraft wird, wer nicht dafür Sorge getragen hat, dass eine sonstige mitwirkende Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, zur Geheimhaltung verpflichtet wurde.“

Insgesamt werden die Initiative und die Zielrichtung des Gesetzgebers jedoch ausdrücklich begrüßt, lautet das Fazit der BZÄK. Es sei „absolut notwendig“, die bisherigen Möglichkeiten für Zahnärzte so zu erweitern, das diese sich im Rahmen ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit ohne strafrechtliches Risiko der Mitwirkung dritter Personen bedienen können.

Vom Referentenentwurf zum Regierungsentwurf

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen“ wurde im Dezember 2016 vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz veröffentlicht. Sowohl Bundeszahnärztekammer (BZÄK) als auch Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) haben zu diesem ersten Referentenentwurf Stellung bezogen.

Die Hauptkritik bezog sich darauf, dass der Zahnarzt dafür hätte Sorge tragen müssen, dass sich auch „berufsmäßig tätige Gehilfen“ zur Geheimhaltung verpflichten. Der Zahnarzt wäre als künftig verpflichtet gewesen, die Tätigkeit des Praxispersonals explizit zu überwachen. „Hier wird ein zusätzlicher Straftatbestand für Zahnärzte geschaffen, den sie nur eingeschränkt beherrschen können“, kritisierten BZÄK und KZBV damals in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Im nun vorliegenden Regierungsentwurf hat der Gesetzgeber dies „sinnvollerweise und damit richtig ersatzlos gestrichen“, freut sich die BZÄK. „Es bleibt eine Strafbarkeit des Berufsgeheimnisträgers, wenn er nicht dafür Sorge getragen hat, dass eine sonstige mitwirkende Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Geleggenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, zur Geheimhaltung verpflichtet wurde.“

Das Gesetzgebungsverfahren läuft nun seit dem 15. Februar 2017. Der Bundesrat will Anfang Juli dazu Stellung nehmen.

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