Abseits der Praxis

Der Ironman

3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42 km Laufen – wer das schafft, darf sich „Ironman“ nennen. Wie Zahnarzt Demian Barrenstein aus Schwelm. Über seinen Wettkampf beim weltweit bedeutendsten Triathlon auf Hawaii und eine Leidenschaft, die mehr ist als ein Work-out – nämlich ein kompletter Lebensentwurf.

„You are an ironman!“ – dieser Satz des Kommentators beim Übertreten der Ziellinie lässt jeden Schmerz vergessen. „Das ist ein irres Gefühl. Es war unglaublich und zum Teil einfach surreal. Das Event war alles Vorherige wert. Die Höhen, die Tiefen, unbeschreiblich!“ Zahnarzt Demian Barrenstein schwelgt in Erinnerungen. Er hat es geschafft: Bei der Ironman-Weltmeisterschaft in Kona/Hawaii im Oktober 2016 durfte er sich mit den besten Triathleten der Welt messen.

Barrenstein ist 35 Jahre alt, verheiratet, hat zwei kleine Töchter und gemeinsam mit seiner Frau betreibt er eine Zahnarztpraxis in Schwelm. Außerdem ist Barrenstein seit über 20 Jahren Triathlet und hat den Sport schon während des Studiums in Witten leidenschaftlich betrieben – zeitweise in der 2. Bundesliga. Dann kam die Suche nach einer neuen Herausforderung. „Ich war schon immer sehr zielstrebig und kann mich gut quälen“, erzählt Barrenstein, „außerdem hat man als Triathlet immer im Kopf, einmal über diese lange Distanz zu gehen. Das gehört sozusagen zum guten Ton.“

20 Stunden Training pro Woche sind ein Muss

Marathons ist Barrenstein schon einige gelaufen. Den ersten mit 18 Jahren. Und Schwimmen über größere Distanzen ist für den ehemaligen Leistungsschwimmer auch kein Problem. „Mich reizte die Summe aller Disziplinen. Das ist nicht mal eben gemacht.“

Barrensteins Ziel stand fest: Der Ironman-Wettkampf sollte es werden: 3,86 km Schwimmen, 180,2 km Radfahren, 42,195 km Laufen. Also hat er hart trainiert. „Es ist alles eine Frage der Organisation“, sagt Barrenstein. Und eines guten Zeitmanagements: Während der Wettkampfvorbereitung sind seine Tage streng durchgetaktet: 06:30 Uhr Aufstehen, Kinder fertig machen, zum Kindergarten bringen. Von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr Arbeiten, Mittagspause, Kinder vom Kindergarten abholen. Dann, von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr, wieder Arbeiten, Abendessen um 19:00 Uhr. Danach Kinder ins Bett, ab zum Sport – je nach anstehender Disziplin ein bis drei Stunden, inklusive Stretching und Krafttraining. „Alle langen Einheiten konnte ich mittwochsvormittags absolvieren, da habe ich frei, ansonsten natürlich viel am Wochenende“, erzählt Barrenstein. In intensiven Phasen kommen so bis zu 20 Stunden Training pro Woche zusammen. „Vor allem meiner Frau verdanke ich es, dass ich neben der Arbeit und den Kindern noch so viel Zeit für meine ambitionierten Ziele finde“, sagt der 35-Jährige. „Petra ist eine tolle Zahnärztin und wir ergänzen uns nicht nur in der Praxis super. Wir sind ein Spitzenteam und versuchen, uns so viel wie möglich gegenseitig zu unterstützen. Sie hat mir letztes Jahr in der Praxis oft den Rücken freigehalten. Ohne sie wäre das nicht machbar gewesen.“

Im Juni 2016 ist Barrenstein dann in Bestform: In Maastricht belegt er beim niederländischen Ironman-Wettkampf den ersten Platz in seiner Alterklasse. Das ist sein Ticket für Hawaii – Barrenstein ist für die Ironman-Weltmeisterschaft 2016 qualifiziert.

Anfang Oktober bricht er auf: Mit dem eigenen Fahrrad im Gepäck reist er eine Woche vor dem Wettkampf auf die Insel im Pazifischen Ozean, um sich zu akklimatisieren, um den Jetlag zu verarbeiten und um die einmalige Stimmung vor Ort zu erleben. „Man stelle sich einen Ort vor, der nur aus Triathleten, deren Begleitern, Trainern, freiwilligen Helfern und extra dafür aufgebauten Sportgeschäften besteht“, erzählt Barrenstein. „6.000 freiwillige Helfer, 2.400 Teilnehmer und davon 100 Profis!“ Sein Ziel für den Wettkampf liegt bei 10 Stunden und 30 Minuten.

Es geht los: Schwimmen im offenen Meer

Am 8. Oktober 2016 um 7:10 Uhr ertönt dann der Startschuss: Schon während der ersten Disziplin, Schwimmen über 3,8 km, wirft Barrenstein alle Zweifel über Bord. Von vielen Wettkampfteilnehmern wurde zuvor behauptet, es sei zu schwierig, im offenen Meer unter den hawaiianischen Bedingungen unter einer Stunde zu schwimmen – doch Barrenstein schaffte es in 55 Minuten. Zum Vergleich: Der Silbermedaillengewinner des Triathlons ist nur zwei Minuten schneller geschwommen und der schnellste Schwimmer gerade einmal sieben Minuten.

Danach mit dem Rad 180 km durch die Ödnis

Nach dem Schwimmen geht es bei über 30 Grad auf die 180 km Radstrecke – 90 km über einen Highway nach Hawi zum Wendepunkt und wieder zurück. „Sehr eintönig, keine Menschen zum Anfeuern, schwarzes Lavagestein und viel Wind. Für mich der härteste Teil des Wettkampfs. Normalerweise liebe ich das Radfahren, aber zwischendurch habe ich Sternchen gesehen“, erzählt Barrenstein.

Und doch ist es nichts im Vergleich zu einem Triathlon in Südafrika, als er nach einem Sturz mit dem Rad einfach weiterlief – 42 km mit gebrochenem Wadenbein. „Das war die Hölle. Seither hat sich aber mein Schmerzempfinden total geändert, ein positiver Nebeneffekt.“

Ob Barrenstein verrückt ist, fragt man sich? Nein, sagt er. „Ohne Sport fühle ich mich schlecht, bin oft mental überspannt. Nach einer Runde Laufen bin ich für alle Mitmenschen wieder total umgänglich. Meine Frau hat mich mit meinen vielen Hobbys kennengelernt und es für sich adaptiert. Durch den gemeinsamen Beruf können wir uns gegenseitig Freiräume schaffen, um unseren Aktivitäten nachzugehen. Außerdem sind wir Freunde einer guten Work- Life-Balance. Da wird die Praxis schon öfter mal zugemacht.“

Zuletzt: Der Marathon

Zurück zum Wettkampf in Hawaii: Für Barrenstein steht die letzte Disziplin an: 42 km Laufen. „Ich war einfach nur froh, endlich in die Laufschuhe zu wechseln“, erinnert er sich. Die ersten 15 km läuft er ambitioniert an – endlich mit Zuschauern, insbesondere sein mitgereister Bruder, zwei Freunde und sein Trainer feuern ihn an. Danach verläuft die Strecke aber wieder über den einsamen Highway bis zum Wendepunkt im sogenannten „Energylab“, der heißeste Ort der Insel mit 35 Grad. „Das ist für viele der Knackpunkt, das macht keinen Spaß“, gibt der Zahnarzt zu.

Wie viele andere Spitzensportler sagt auch Barrenstein, „Rennen werden im Kopf entschieden – und über die Erfahrung“. „Mit 20 Jahren hätte ich das so nicht geschafft. Außerdem hätte mir damals das nötige Kleingeld gefehlt. Mit 35 Jahren auf dem Höhepunkt der Leistungsfähigkeit zu sein ist ein tolles Gefühl. Das färbt auf den ganzen Alltag und den Job ab.“ Denn auch beruflich hat Barrenstein klare Ziele – von Ehrgeiz zerfressen ist er deshalb aber nicht. „Beruflich läuft es sehr gut, aber mehr brauche ich da nicht. Ich habe keinen Porsche in der Garage stehen und das mit voller Absicht. Da stehen allerdings echt viele Fahrräder, muss ich gestehen“, lacht Barrenstein.

Auch in der Praxis ist Barrensteins Leidenschaft ein Thema. „Schwelm ist relativ klein, ich bin hier geboren und durch den vielen Sport ein bunter Hund. Alle finden das super. Es scheint eine sehr sympathische Art der Selbstvermarktung zu sein. Die Praxis profitiert sehr stark von den Berichten in der lokalen Presse. Das ist ein klasse Nebeneffekt, außerdem hat man immer ein schönes Thema, um Small Talk zu halten“, berichtet der Zahnarzt. „Der Beruf ermöglicht uns sehr viel, das wertschätzen wir sehr, wir arbeiten gerne und können Menschen sogar noch tagtäglich helfen. Was will man mehr?“ Vielleicht noch das: als Sportler seine Bestzeit überbieten. Für Zahnarzt Demian Barrenstein ist auch das kein Problem.

Nv

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