Privatentnahmen und Eigenkapitalbildung

Wenn die alten Sicherheiten nicht mehr reichen

Michael Vetter
Basel III macht Probleme: Die nach der Finanzkrise gestiegenen Auflagen für die Banken, wonach diese ihre Liquidität stärken sollen, schlagen sich zunehmend durch auf die Kreditvergabe. Im konkreten Fall wurde ein Zahnarzt damit überrascht, dass er plötzlich seine Privatentnahmen besser kontrollieren und mehr Eigenkapital aufbauen soll.

An den seit mehr als einem Jahrzehnt üblichen Gesprächen zwischen Zahnarzt Robert M. und seiner Hausbank hat bisher auch Basel III – die durch den Basler Ausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) formulierten Auflagen – als Synonym für die sich ändernden Eigenkapitalregeln der Kreditinstitute nichts geändert. Zwar wird M. zunehmend deutlich, dass die damit verbundenen Zwänge der Volksbank als Kreditgeber weitaus weniger Freiräume als in den vergangenen Jahren zulassen. Da aber beide Geschäftspartner wissen, was sie aneinander haben, wurden Meinungsunterschiede bisher nahezu ohne Ausnahme jeweils schnell geklärt.

Das galt bis zum letzten Gespräch, das vor einigen Wochen nicht nur mit dem für M. zuständigen Kundenberater, sondern auch mit dem für das Kreditgeschäft verantwortlichen Bereichsvorstand sowie einem weiteren Bankmitarbeiter aus dem Kreditmanagement stattfand. Der Grund vor allem für die Präsenz des Vorstands war schnell geklärt: Zum ersten Mal überhaupt wurde nämlich die aus Sicht der Volksbank „unbefriedigende Eigenkapitalsituation“ von M. ebenso thematisiert wie sein „Entnahmeverhalten“.

M., der mit diesen Tagesordnungspunkten nicht gerechnet hatte, war völlig überrascht und konnte den Bankmitarbeitern nicht so recht folgen. Diese führten aus, dass sich durch die Wirtschaftskrise und eben auch durch Basel III „ebenfalls die Kreditvergaberichtlinien unseres Hauses verändert haben“ und „wir ab sofort vor allem auf eine kontinuierlich steigende Eigenkapitalquote sowie auf ein moderates Entnahmeverhalten achten müssen“.

„Ihr Entnahmeverhalten ist ein Problem!“

Damit nicht genug: Bei einem unbefriedigenden Eigenkapitalaufbau müssten Freiberufler wie M. „im günstigsten Fall“ mit höheren Kreditzinsen rechnen. Auf die Frage von M., was „im ungünstigsten Fall“ passieren würde, erhielt er keine konkrete Antwort. Erst auf sein hartnäckiges Nachfragen hin teilte ihm der Bankvorstand mit, dass „durchaus auch Kreditkürzungen sowie die Ablehnung von Neukrediten möglich seien“. Dies würde eben auch und vor allem damit zusammenhängen, wie sich im Verlauf der Jahre die Entwicklung der Privatentnahmen und damit zusammenhängend der Wille des Kunden nach einer „Verstärkung der Eigenmittel“ entwickelt hat respektive entwickeln wird.

Im Ergebnis bestanden die Bankmitarbeiter darauf, von M. „möglichst zeitnah“ einen Vorschlag zu erhalten, um „diese Probleme mittelfristig in den Griff zu bekommen“. M., der sich mit dieser einseitigen Forderung nicht zufrieden gab, bestand nun seinerseits darauf, die Bank mit ins Boot zu nehmen. Immerhin, so argumentierte er, sei sie für diese Situation schließlich mitverantwortlich, da sie dieses Thema während der vergangenen Jahre nie problematisiert hatte.

Was die Bank will

Die 10-Prozent-Regel

Die Sichtweise der Bank ist klar: Sie pocht auf den „Eigenkapitalpuffer“, um diesen als – offenbar dringend erforderliche – Sicherheit für eventuelle spätere finanzielle Notfälle wie zurückgehende Praxisumsätze oder unvorhergesehene Ausgaben für Renovierungsarbeiten an der Praxisimmobilie einplanen zu können. Für den Praxisinhaber bedeutet das an der „Ausgabenschraube“ zu drehen. Dann könnte er den so ersparten Teil zur Seite legen und ein zumindest kleines Polster aufbauen.

Eine verbindliche Richtgröße für die anzustrebende Höhe des Eigenkapitals gibt es grundsätzlich nicht. Anhaltspunkt: Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben (einschließlich der Zins- und Tilgungsraten) sollte mindestens zehn Prozent betragen und somit ausreichend Raum für den Aufbau einer finanziellen Reserve bieten. Achtung: Eigenkapitalaufbau heißt in diesem Fall und in vergleichbaren Fällen: keine spekulative Anlageform, Tages- und Termingeldkonten sind zu präferieren!

Außerdem bestand er auf mehr Zahlenmaterial bezüglich seiner aus Sicht der Bank übertrieben hohen Privatentnahmen. Nach seinen eigenen Berechnungen, die immerhin jahrelang von seinem Steuerberater als absolut plausibel bestätigt wurden, ist an seinem Ausgabeverhalten nämlich nichts auszusetzen. Wichtig ist M. darüber hinaus, auch dies gab er den Bankmitarbeitern mit auf den Weg, dass es bisher nicht ein einziges Mal Probleme mit der pünktlichen Zahlung seiner Zins- und Tilgungsraten gegeben hat. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Bankmitarbeiter, ebenso übrigens wie M., lediglich auf nur wenig aussagefähige Protokolle oder Gesprächsnotizen beziehen konnten. Durch die verlässliche Geschäftsverbindung hatte es beiden Seiten jahrelang tatsächlich ausgereicht, im Wesentlichen auf die Kreditverträge zu setzen, ohne mögliche Zusatzvereinbarungen ebenfalls schriftlich festzuhalten.

„Die Eigenkapitalquote könnte auch höher sein!“

So verständigten sich beide Parteien darauf, auch zukünftig an einem Strang zu ziehen. Als erster Schritt wird ein kurzfristig zu terminierendes Gespräch zwischen M., seinem Steuerberater und dem für ihn zuständigen Bankmitarbeiter stattfinden, in dem festgelegt werden soll, in welchem Umfang und mit welcher Geschwindigkeit ein Eigenkapitalaufbau in den nächsten Jahren überhaupt möglich ist und welche Voraussetzungen dazu erforderlich sind. Zahlen zum Ausgabeverhalten von M. werde man zeitnah nachreichen und nach Prüfung durch M. dann ebenfalls weitere Verbesserungsmöglichkeiten gemeinsam bereden.

„Wir werden Sie ab jetzt im Auge behalten!“

Basel III, das ist sicherlich nicht übertrieben, wird das Kunde-Bank-Verhältnis vielfach weiter strapazieren. Insbesondere ist zu befürchten, dass das im Praxisfall beschriebene Ausgabeverhalten der Praxisverantwortlichen deutlicher unter die Lupe genommen wird als bisher. Daher sollten die Eigenkapitalbildung und die Privatentnahmen regelmäßig mit dem Steuerberater besprochen und gegebenenfalls optimiert werden, um auf die fast zwangsläufig folgenden diesbezüglichen Gespräche mit den Kreditgebern, die sich zu „Dauerbrennern“ entwickeln dürften, vorbereitet zu sein.

Michael Vetter

Fachjournalist für Finanzen
vetter-finanz@t-online.de

145196-flexible-1900

Michael Vetter

Wirtschaftsautor
Michael Vetter ist seit mehr als zwanzig Jahren als Wirtschaftsautor tätig. Durch seine vorherige, ebenfalls langjährige Tätigkeit bei Bankinstituten kennt er die Finanzprobleme der Zahnärztinnen und Zahnärzte auch aus Sicht der Kreditgeber.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.