Otto Walkhoff – Erkämpfer des Dr. med. dent.
Friedrich Otto Walkhoff wurde am 23. April 1860 als Sohn des Landesökonomierevisors Friedrich Julius Walkhoff (1813–1884) in Braunschweig geboren [Groß, 2017; Rohrmeier, 1985; Tschernitschek/Geurtsen, 2014]. Seine Mutter Christiane Wilhelmine Mathilde Walkhoff, geborene Bruer, verstarb bereits im Januar 1862. An ihre Stelle trat ihre ältere Schwester Elisabeth Henriette Bruer, die Walkhoff 1864 heiratete.
Otto Walkhoff besuchte von 1866 bis 1870 die Volksschule in Höxter. Anschließend wechselte er auf das örtliche Gymnasium, das er 1877 vorzeitig mit dem Erhalt der Primareife verließ. Der Braunschweiger Zahnarzt Wilhelm Niemeyer – ein Freund der Familie – hatte zu jenem Zeitpunkt Ottos Interesse an der damals noch nicht akademischen Zahnheilkunde geweckt. Niemeyer entwickelte sich zu einem wichtigen Mentor: Als Vizepräsident des „Central-Vereins deutscher Zahnärzte“ (CVdZ) – der Vorgängerinstitution der DGZMK – gehörte er zu den einflussreichsten Zahnbehandlern seiner Zeit. Er setzte sich nun dafür ein, dass der nicht minder renommierte Prothetik-Professor Carl Sauer 1878 Walkhoff eine Ausbildungsstelle in seiner Privatpraxis in Berlin anbot. Sauer, von 1885 bis 1891 Präsident des CVdZ, erwies sich nicht nur als exzellenter Lehrmeister, sondern machte ihn auch mit seiner Tochter Gertrud bekannt. Walkhoff und Gertrud Sauer verliebten sich und heirateten 1885 in Berlin [Rohrmeier, 1985].
Parallel zu seiner Praxistätigkeit besuchte Walkhoff um 1880 Vorlesungen an der Charité, namentlich bei dem berühmten Physiker Hermann von Helmholtz, dem führenden Physiologen Emil du Bois-Reymond und dem Begründer der modernen Pathologie, Rudolf Virchow [Rohrmeier, 1985; Tschernitschek/Geurtsen, 2014].
Mit der Primareife zum Professor
1881 legte Walkhoff die zahnärztliche Prüfung ab und arbeitete bis 1885 – nunmehr als Assistent – in der Praxis von Carl Sauer. Unmittelbar nach seiner Eheschließung zog Walkhoff nach Braunschweig. Dort übernahm er die Praxis seines Mentors Niemeyer und entfaltete umfassende wissenschaftliche Aktivitäten in einem eigens errichteten Forschungslabor. Rund 15 Jahre – von 1885 bis 1900 – blieb Walkhoff in Braunschweig der eigenen Praxis treu [Groß, 2017; Rohrmeier, 1985; Tschernitschek/Geurtsen 2014].
Da die Zahnärzte in jener Zeit noch kein Promotionsrecht im eigenen Fach besaßen, erlangte er 1897 an der Universität Erlangen den Titel des Dr. phil. Seine Dissertation trug den Titel „Beiträge zum feineren Bau des Schmelzes und zur Entwicklung des Zahnbeins“. 1900 habilitierte er sich ebenda. Noch im selben Jahr nahm Walkhoff einen Ruf an das neu errichtete zahnärztliche Institut der Universität München an, obwohl dies für ihn mit deutlichen Einkommensverlusten verbunden war. In München lehrte er das Fach „Konservierende Zahnheilkunde“, zunächst als „II. Lehrer“, und ab 1901 als „I. Lehrer“. 1903 erfolgte dann die Verleihung des außerordentlichen Professorentitels. In dieser Zeit lehnte Walkhoff Rufe nach Freiburg/Br. (1896), Marburg (1897), Breslau (1900), Berlin (1903) und Leipzig (1906) ab. Die Angebote zeigen die wissenschaftliche Bedeutung, die man ihm vonseiten der zeitgenössischen Fachvertreter zusprach [Groß, 2017; Rohrmeier, 1985; Tschernitschek/Geurtsen, 2014].
1922 wurde Walkhoff dann Ordinarius für Zahnheilkunde in Würzburg und zeitgleich Direktor des dortigen zahnärztlichen Instituts. Doch schon 1927 beantragte er seine vorzeitige Emeritierung und kehrte nach Berlin zurück, wo er weiterhin wissenschaftlich tätig blieb, wovon rund 30 weitere Publikationen zeugen. Walkhoff verstarb am 8. Juni 1934 in Berlin-Lichterfelde im Haus seines Schwiegervaters Carl Sauer an Herzversagen. Er fand seine letzte Ruhestätte auf dem Parkfriedhof Lichterfelde (Grabstätte FiW-40) [Rohrmeier, 1985; Tschernitschek/Geurtsen, 2014].
Röntgenbilder im Selbstversuch
Walkhoff gilt als einer der bedeutendsten deutschen Zahnärzte in der Geschichte des Faches – er zählt zu den wenigen Standesvertretern, die eine Aufnahme in die „Neue Deutsche Biographie“ fanden [Groß, 2017]. Auch im internationalen Maßstab wurde Walkhoff stark wahrgenommen [Rezai, 1984 und 1986]. Die Gründe hierfür sind evident: Walkhoff führte die Röntgenstrahlen in die Zahnheilkunde ein. Bereits 1896, also nur kurze Zeit nach den ersten Veröffentlichungen Wilhelm Conrad Röntgens, fertigte er nach Selbstversuchen in seiner Braunschweiger Praxis zahnärztliche Röntgenbilder an. Ebenso erprobte er den Radiumeinsatz in der (Zahn-)Medizin und ging demzufolge – maßgeblich unterstützt von Fritz Giesel – als einer der Initiatoren der klinischen Strahlenforschung in die Medizingeschichte ein. Auch hier erkundete er die Möglichkeiten der Radiumanwendung zunächst im Selbstversuch. Zudem machte er die Fotografie für die zahnmedizinische Diagnostik nutzbar.
Walkhoff zählt aber auch zu den Promotoren der Wurzelkanalbehandlung, wofür er eine noch heute genutzte, nach ihm benannte und mit Chlorphenol-Kampfer-Menthol versetzte Jodoform-Paste entwickelte. Weitere seiner Forschungen betrafen die Kariologie sowie die Wirkung von Vitaminen auf die Zahnentwicklung und den -erhalt. 1921 gab er außerdem ein Lehrbuch der Konservierenden Zahnheilkunde heraus, das rasch zur Standardliteratur avancierte [Walkhoff, 1921].
Besonders erwähnenswert ist Walkhoffs Einfluss auf die zahnärztliche Berufspolitik: Von 1906 bis 1926 wirkte er als Präsident des Central-Vereins deutscher Zahnärzte – länger als jeder seiner Vorgänger in diesem Amt [Parreidt, 1909; Groß/Schäfer, 2009]. Zugleich fungierte Walkhoff als Vorsitzender der „Vereinigung der Dozenten der Zahnheilkunde“, der Vorgängerinstitution der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK). Er stritt für ein zahnärztliches Promotionsrecht und einen eigenständigen Doktortitel. Vor allem sein 1914 erschienener Fachbeitrag „Zur zahnärztlichen Promotionsfrage“ fand große Beachtung [Walkhoff, 1914]. Sein unbeirrter Einsatz hatte Erfolg: 1919 kam es tatsächlich zur Einführung des Dr. med. dent. Besagte Promotionsmöglichkeit führte dem Fach Zahnheilkunde eine rasch wachsende Zahl von Studierenden zu [Maretzky/Venter, 1974; Groß, 1999; Groß/Schäfer, 2009].
Walkhoff setzte sich darüber hinaus für die Etablierung der Schulzahnpflege ein – mit Erfolg, denn von 1902 bis 1915 wuchs die Zahl der Schulzahnpflegestätten von 1 auf über 200 an [Rohrmeier, 1985].
Unbeirrbar und prinzipientreu
Zu Walkhoffs bedeutendsten akademischen Schülern zählt Alfred Kantorowicz (1880–1962), der sich 1912 mit dem Thema „Bakteriologische und histologische Studien über die Caries des Dentins“ habilitierte und Walkhoff auch bei den Aktivitäten im Bereich der Schulzahnpflege nachhaltig unterstützte [Rohrmeier, 1985; Tschernitschek/Geurtsen, 2014].
Betrachtet man die Ehrungen, die Walkhoff zu Lebzeiten bekam, wird deutlich, wie hoch sein fachliches Ansehen gewesen sein muss: 1898 wurde ihm in Braunschweig der Titel des Hofzahnarztes zugesprochen, 1901 folgte die Goldene Medaille des CVdZ. 1903 wurde er in München zum Ehrendoktor ernannt („Dr. med. h.c.“), 1920 in Marburg („Dr. med. dent. h.c.“). Walkhoff wurde Ehrenmitglied des Zahnärztlichen Vereins für München und Oberbayern (1921) und Ehrenpräsident der „Deutschen Gesellschaft für Zahn- und Kieferheilkunde“ (1930), die sich seit 1933 „Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ (DGZMK) nannte. Er war Präsident des „V. Internationalen Zahnärztekongresses“, der 1909 in Berlin tagte, und fungierte von 1915 bis zu seinem Tod 1934 als Herausgeber der im Thieme-Verlag veröffentlichten „Deutschen Zahnheilkunde“. Zudem war Walkhoff Träger zahlreicher internationaler Orden (Albrechts-Orden, Danilo-Orden, Roter Adler-Orden, luxemburgischer Verdienstorden).
Walkhoff galt aber auch zeitlebens als streitbar. So schreckte er in der Kontroverse um die Einführung des zahnärztlichen Promotionsrechts vor heftigen standespolitischen Angriffen gegen Andersdenkende nicht zurück [Groß, 1999]. Und auch als Hochschullehrer zeigte er sich unbequem. Es waren langjährige Querelen in seiner Münchener Zeit, die Walkhoff letztlich zur Annahme des Rufes an die Universität Würzburg bewegten. Doch in Würzburg geriet er ebenfalls bald in Streit, insbesondere mit dem dortigen Prothetiker Gustav Heinrich. Jene Auseinandersetzungen führten letztlich zum vorzeitigen Ausscheiden Walkhoffs aus dem Dienst – eine Entwicklung, die er in einer 114-seitigen, durchaus polemischen Monografie mit dem Titel „Meine Amtsentsetzung durch die Führer der Bayerischen Volkspartei“ öffentlich aufarbeitete [Walkhoff, 1934; Rohrmeier, 1985].
Univ.-Prof. Dr. mult. Dominik Groß
Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin,
Medizinische Fakultät,
RWTH Aachen University
dgross@ukaachen.de