„Der Prediger soll Zähne im Maul haben!“
Obwohl von Luther unzählige Anekdoten und Sprüche überliefert sind, finden sich keine Hinweise zu seiner Zahnpflege. Man kann aber annehmen, dass ein Mann seines Standes zu Beginn des 16. Jahrhundert Mundhygiene betrieben hat. Als großer Redner, der stets in der Öffentlichkeit stand, wäre ein ruinöser oder sehr schlechter Zahnstatus sicher der Nachwelt überliefert worden.
Ein zeitgenössisches Werk „Zene Artzney Wider allerley gebrechen und kranckheyt der zene“ gibt Ratschläge zur guten Zahnpflege. In dem 1530 in Leipzig geschrie‧benen und 1533 von dem Mainzer Drucker Peter Jordan neu herausgebrachten Buch wurden die Leser zur Pflege der Zähne ermahnt, da man sie nicht nur zum Kauen braucht, sondern auch der guten Aussprache wegen.
Sonderausstellung „Luthers Leiden“
Zum Reformationsjubiläum zeigt das Dentalhistorische Museum in Zschadraß (Sachsen) vom 1. September bis zum 30. November 2017 die Sonderausstellung „Luthers Leiden und die Medizin im 16. Jahrhundert, Aufbruch in die Moderne“. Besucher können den Übergang der (Zahn-)Medizin vom Mittelalter in die Moderne anhand von Exponaten aus dem 16. Jahrhundert verfolgen, darunter Holzschnitte, Schriftstücke und Instrumente.
Während über Luthers sonstige körperliche Gebrechen und Krankheiten ausführliche Schilderungen von seinen Zeitgenossen und von ihm selbst exisitieren, vermisst man Berichte zu seinen Zahnproblemen. Es scheint daher so, als hätte er selten welche gehabt. Eine Ausnahme ist das Jahr 1530, da klagte der Reformator über einen Schub seines „Morbus Menière“ – und über Zahnschmerzen. Da er als immer noch Geächteter nicht am Reichstag in Augsburg teil‧nehmen konnte, war er gezwungen, die für ihn wichtigen Ereignisse aus der Ferne zu verfolgen – von der Veste Coburg aus, wo er Karfreitag mit großem Gefolge eingetroffen war. In Augsburg überreichten derweil die protestantischen Christen dem katholischen Kaiser Karl V. das von Philipp Melanchthon verfasste protestantische Glaubensbekenntnis – die „Confessio Augustana“. Sie verschaffte den Protestanten die rechtliche Anerkennung im Reich. Trotz „psychischer Anspannung und häufiger Krankheit“ [Neumann, 1995] gilt diese Coburger Zeit als eine sehr produktive Schaffensphase Luthers.
„Mich peinigt der Satan mit Faustschlägen!“
Im Ganzen betrachtet war er eben nicht der robuste Reformator oder der „Hercules Germanicus“, wie ihn der Maler Hans Holbein der Jüngere 1520 beschreibt. Im Gegenteil: Luther wurde von einer ganzen Reihe von Krankheiten geplagt: Magenbeschwerden, Nierenkoliken, Gichtanfälle, Morbus Menière, Obstipationen, Hämorrhoiden und Angina pectoris-Anfällen. Luther litt wohl auch unter dem Roemheld-Syndrom, einem gastrokardialen Krankheitsbild. Besonders quälten ihn immer wieder Obstipationen und damit verbundene Hämorrhoiden, für die sein psychisch und physisch unsteter Lebenswandel mit üppigem Essen und zu wenig Bewegung mit verantwortlich waren. Eine weitere Rolle für seine körperliche Leiden in späteren Jahren dürfte auch seine Klosterzeit mit Fasten, Nachtwachen, Predigten und anderen den Körper schwächenden Exerzitien gehabt haben [Neumann, 1995].
Seine Krankheiten hindern Luther immer wieder am Arbeiten, so schrieb er 1531: „Mich peinigt der Satan mit verschiedenen Faustschlägen, so dass er meine körperliche Gesundheit unsicher macht und mich seine Nichtswürdigkeit behindert, obgleich es sehr viel zu schreiben und zu schaffen gäbe, dass ich nur sehr wenig thue und schreibe. Das wird mich wohl in Kurzem noch tödten“ [Neumann, 1995]. Die Krankheiten betrachtete Luther als Teufelswerk oder Strafe Gottes, wie es zu seiner Zeit noch weit verbreitete Auffassung war.
Wie kein anderer hat Martin Luther mit seiner Bibelübersetzung die deutsche Sprache beeinflusst. Im Jahre 1521 begann er auf der Wartburg in Thüringen mit der Übertragung des Neuen Testaments ins Deutsche. Dabei entstanden eine ganze Reihe von Metaphern, die heute aus unserem Wortschatz nicht mehr wegzudenken sind. „Perlen vor die Säue werfen“, „ein Buch mit sieben Siegeln“, „im Dunkeln tappen“, aber auch „die Zähne zusammenbeißen“ stammen aus der Feder von Martin Luther. „Vnd die zeene zu sammen gebissen wider die gedancken“ [Mennecke-Haustein, 1989]. Diesen Ausdruck gebrauchte Luther 1532 in einem Brief an seinen Freund Jonas von Stockhausen, indem er ihn mahnt, gegenüber den Versuchungen des Teufels standhaft zu bleiben.
„An den Zähnen wird die Weiße gepriesen“
Das Wort „Zähne“ benutzt Luther in seinen Schriften meist als Metapher für den Mund und das Sprechen. In der Auslegung des „Hohelieds“, dem Lied der Lieder des Königs Salomo aus dem Alten Testament, finden sich folgende Worte: „An den Zähnen wird die Weiße, an den Augen die Schwärze gepriesen. Gleich wie aber die Haare des Haupts die Eintracht der Lehrer unter sich selbst anzeige; also sehen wir auch die Zähne in einer ordentlichen Reihe stehen und dass sie sich gleichsam untereinander helfen. Deren Zähne Eigenschaft ist aber, dass sie beißen“ [Luthers Werke WA /Weimarer Ausgabe 31, II. Bd., S. 678a, 17.]. An einer anderen Stelle der Auslegung des Hohelieds betont Luther: „Starcke zeen vnd ein weit maul ist signum robusti corporis et longaevi, nisi violenta morte praeripiatur. (… sind Anzeichen eines robusten Körpers und Langlebigkeit, wenn er nicht durch einen gewaltsamen Tod zuvor dahingerafft wird) [Luthers Werke WA TR/ Tischreden 4 Nr. 4324 S. 223–224].
In einem anderen Zusammenhang benutzt der Reformator das Wort „Zähne“ für eine deutliche Sprache von der Kanzel herab: „Jch bin ein prediger, der da sol zeene jm maul haben, beissen und saltzen und jnen die warheit sagen, und wenn sie nicht wollen horen, jnn bann thun, den himel zuschliessen und hellisch feur zu orden und dem Teuffel geben von Gottes wegen &c“ [Luthers Werke WA 32 S. 402 (Reihen‧predigten über Matthäus 5 –7, 1530/32)]. Und nach Luthers Meinung soll derjenige Prediger, der dies nicht vermag, das Maul halten.
Ein Mann der Extreme
Martin Luther absolvierte von 1501 bis 1505 an der Universität Erfurt ein philosophisches Studium, das er mit dem Magister Artium abschloss. Das anschließende Jurastudium brach er ab. Nach einem überlebten Gewittersturm gelobt er, Mönch zu werden, und tritt 1505 mit 21 Jahren in das Kloster der Augustinereremiten ein. In der Zeit fastete Luther mehr, als es die Regeln des Ordens und der Römischen Kirche verlangten. „Ich hätte mich bei Zeiten zu todt gefastet; denn oft nahm ich an 3 Tagen weder einen Tropfen noch ein Krümchen Brod zu mir“ [Neumann, 1995]. In der Fastenzeit war es üblich, dass die Mönche kein Fleisch, aber Pfefferkuchen, Salzbrot, Obst und Salat aßen. Getrunken wurde währenddessen übrigens Wein und Bier. Später war der Reformator ein guter Esser und Trinker. Bei einer Tischrede 1538 sagte er: „Ich eße, was mir schmeckt, und leid darnach, was ich kan“ [Neumann,1995]. Luther stirbt am 18. Februar 1546 von Krankheit gezeichnet in seiner Geburtsstadt Eisleben. Auf dem Sterbebett betet er: „In Deine Hände befehle ich meinen Geist. Du hast mich erlöst, Herr, Du treuer Gott.“ Er wurde 62 Jahre alt.