Wie funktioniert das „Modell Bayern“?
Interview mit ZA Christian Berger und Dr. Rüdiger Schott
Wie muss man sich Ihre Arbeit als Kammerpräsidenten und KZVB-Vorsitzende vorstellen? Reicht ein 8-Stunden-Tag für die vielfältigen Aufgaben aus? Oder anders gefragt: Lässt das Hauptamt in der KZVB noch Zeit für das Ehrenamt in der BLZK?
Dr. Rüdiger Schott: Die Aufgabe in der KZVB lässt sicher noch Spielraum für das Ehrenamt in der BLZK und dem ZBV. Ich bin es aus meiner Klinikzeit und aus meiner Praxis gewohnt, am Tag 12 bis 14 Stunden zu arbeiten.
Das mache ich jetzt auch hier in München. Seien Sie versichert, wir bekommen die Aufgaben durchaus unter einen Hut.
Christian Berger: Zahnärzte in eigener Praxis haben auch keine 35- oder 38-Stunden-Woche, sind das auch gar nicht gewohnt. Rüdiger Schott und ich haben jetzt einen neuen Hauptberuf als Angestellte der KZVB. Dennoch führen wir unsere Praxen in dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Rahmen weiter, weil es uns wichtig ist, das Ohr eng am Patienten zu haben und an der viel beschworenen Basis. Das Ehrenamt in der BLZK bleibt wie es war. Aber so, wie wir beide die Woche über in München präsent sind, ziehen wir und auch beide Körperschaften Nutzen aus den neu entstehenden Synergien.
In Ihrem ersten Editorial als KZVB-Vorsitzende schreiben Sie beide im Bayerischen Zahnärzteblatt, dass Sie die Selbstverwaltung „vom Kopf auf die Füße“ stellen wollen. Was meinen Sie damit?
Berger: Es war sicher so, dass zahnärztliche Selbstverwaltung in Bayern in den vergangenen Jahren auch im Ausleben von persönlichen Konflikten bestand. Und es gab eine Konkurrenzsituation zwischen Kammer und KZV, die weit zurück reicht. Damit muss Schluss sein. Wir wollen, dass sich die Selbstverwaltung wieder mit dem beschäftigt, was sie eigentlich tun sollte, nämlich den Zahnärztinnen und Zahnärzten draußen unter die Arme zu greifen, ihnen bei der Praxisführung behilflich zu sein, zu unterstützen, wo immer es geht. Und das geht nicht, so lange man interne Konflikte in der Standespolitik austrägt.
Welche Pläne gibt es für die Zusammenarbeit zwischen den Schwesterkörperschaften BLZK und KZVB, und was haben Sie bereits in Angriff genommen?
Schott: Den Auftakt bildete eine Tagung für unsere Führungskräfte in Oberstaufen, wo alle Abteilungsleiter anwesend waren. Dort haben wir sowohl mit den Kammer- als auch mit den KZV-Mitarbeitern diskutiert und eruiert, wo es Schnittmengen gibt. Wir haben festgestellt: Es gibt sehr viele Schnittmengen, wobei die Vergangenheit ja leider geprägt war durch Sprachlosigkeit und Nichtkommunikation. Typische Beispiele für eine Zusammenarbeit sind die Fortbildung, die Praxisberatung, die Abrechnungsberatung, also KZV-seitig BEMA und kammerseitig GOZ. Gerade hier ist eine Zusammenarbeit besonders sinnvoll, weil viele Versorgungen für Patienten sowohl den GKV- als auch den privatzahnärztlichen Bereich betreffen.
Wir haben Schnittmengen auch in der berufspolitischen Bildung gefunden. Wir haben quer durch das ganze Programm festgestellt, dass es viele Schnittmengen gibt, die zu einer Zusammenarbeit führen können und die letztlich den Kolleginnen und Kollegen helfen werden. Unterm Strich können wir auch noch Geld sparen.
Wie sieht das Bayerische Gesundheitsministerium Ihre Doppelrolle in Kammer und KZVB?
Berger: Das Ministerium begleitet uns durchaus kritisch – so soll Aufsicht ja auch sein. Bei der Ärzteschaft in Bayern gab es übrigens über Jahrzehnte eine solche Personalunion wie nun in KZVB und BLZK.
Wo sehen Sie in dieser körperschaftsübergreifenden Zusammenarbeit den Nutzen für die Zahnärzte?
Berger: Kammer und KZV haben unterschiedliche Aufgaben und sind gesetzlich unterschiedlich verankert im SGB V beziehungsweise im Heilberufskammergesetz. Sie werden aber von einem gemeinsamen Ministerium rechtsaufsichtlich betreut. Da fragt auch niemand nach, wie denn nun diese beiden Abteilungen im Ministerium miteinander arbeiten. Wenn wir die Zahnärzteschaft in Bayern wirkungsvoll vertreten wollen, dann müssen wir auch gegenüber dem aufsichtführenden Ministerium mit einer Stimme sprechen und nicht: Morgens kommt die Pressemitteilung der KZV, abends widerspricht die Pressemitteilung der BLZK oder umgekehrt. Und nur dann, wenn wir diese Synergien haben, können wir die Interessen der Zahnärzteschaft gegenüber der Politik im Hinblick auf anstehende Wahlen, Stichwort Bürgerversicherung, wirkungsvoll vertreten.
Gibt es auch Grenzen in der Zusammenarbeit der beiden Körperschaften? Sprich: Was geht, was geht aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben nicht?
Berger: Es gibt Grenzen in der Zusammenarbeit, die in unserer Selbstbeschränkung liegen. Beispiel: Das Zahnärztehaus gehört der KZVB und die BLZK ist Mieterin. Nun können sich Rüdiger Schott und ich nicht über einen angemessenen Mietvertrag hier in diesem Haus unterhalten. Das übertragen wir vielmehr an Gremien. Das soll für die KZV-Seite die Vertreterversammlung entscheiden und für die Kammerseite soll es der Vorstand der Landeszahnärztekammer sein – ein 15-köpfiges Gremium, in dem wir beide dann nicht mitstimmen werden. Wichtig für uns beide ist, zu erkennen, wo wir uns Selbstbeschränkungen auferlegen müssen und wo wir unsere Referenten und den Sachverstand unserer Kollegen einbeziehen wollen.
Gerade haben die KZVen einen neuen KZBV-Vorstand gewählt – mit dem bewährten Dr. Wolfgang Eßer als Vorsitzenden und mit Dr. Karl-Georg Pochhammer und Martin Hendges als Stellvertreter. Was erwarten Sie von der neuen Führungsspitze auf Bundesebene?
Berger: Dass auf KZBV-Ebene eine Kontinuität im Vorstand bleibt, ist sicher sinnvoll für die Zahnärzteschaft. Dass ein Generationenwechsel bei den beiden Stellvertretern stattgefunden hat, lässt für die Zukunft neue Ideen erwarten. Aber der Kurs der KZBV wird sich nicht verändern. Es ist ja auch so, dass die KZBV eingebunden ist in ein System mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss und dass sie nicht so frei agieren kann, wie das beispielsweise die Bundeszahnärztekammer kann.
Wie stellt sich Bayern zu den Initiativen der Bundes-KZV in Sachen PAR?
Schott: Die PAR-Verträge sind ja nun schon ein paar Jahre alt, so dass eine Novellierung und Neubeschreibung sicherlich notwendig wurde. Wir sehen allerdings die Gefahr, dass möglicherweise neue Leistungen integriert werden und gleichzeitig das Budget und die Geldmittel nicht adäquat ansteigen. Dies ist aus unserer Sicht kritisch zu betrachten. Wenn neue Leistungen kreiert werden, erwarten wir, dass die notwendigen Geldmittel ausreichend zur Verfügung gestellt werden.
Berger: Mich stört an Ihrer Frage ein bisschen die These „auf Initiative der Bundes-KZV“. Es waren ja die Patientenvertreter, die das in den Gemeinsamen Bundesausschuss getragen haben. Und die KZBV genauso wie die BZÄK mussten darauf natürlich reagieren. Es war also keine Initiative der KZBV. Aber ich sehe die gleiche Gefahr wie Rüdiger Schott. Prof. Beske* hat uns bereits vor 20 Jahren klargemacht, dass die Mittel in der GKV und für die Zahnärzteschaft begrenzt sind. Hier immer wieder Innovation und neue Behandlungsmöglichkeiten hineinzubringen, heißt nur: im Bereich der GKV die Gelder umzuverteilen. Der Topf wird dadurch nicht größer.
Es waren gerade Bayern und der FVDZ, die das Konzept der Vertrags- und Wahlleistungen in der Zahnheilkunde vorangebracht haben. Wir haben das im Bereich des Zahnersatzes erreicht, und so etwas ließe sich natürlich auch in anderen Bereichen der Zahnheilkunde umsetzen. In der Kieferorthopädie sind die KIG-Richtlinien eingeführt worden. Unterm Strich heißt das: Moderne Therapien müssen auch für den GKV-Patienten zugänglich sein und trotzdem wird die GKV nicht alles bezahlen. Daher bin ich skeptisch, ob wir mit unseren Vorstellungen einer innovativen, dem Patienten zugewandten Zahnmedizin im Gemeinsamen Bundesausschuss den richtigen Ansprechpartner finden. Am Beispiel des PAR-Konzepts werden uns dort, aktuell durch den vorläufigen Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, dem IQWiG, zur Behandlung von Parodontopathien doch die Grenzen aufgezeigt. Das hat nicht nur mit der vermeintlich fehlenden Evidenz zahnärztlicher Behandlungskonzepte zu tun. Evidenz muss sich in der Praxis entscheiden, nicht allein in wissenschaftlichen Studien, deren Methodik zum Teil fragwürdig zu sein scheint.
Das klingt nach kritischer Distanz zur Politik der Bundes-KZV.
Berger: Gemeint ist eher eine kritische Distanz gegenüber dem „Ersatz-Gesetzgeber“ G-BA, der doch an der Ausweitung des zahnärztlichen Leistungskatalogs nur dann interessiert ist, wenn es – platt formuliert – nichts kostet. Das kann aber nicht unser Weg sein. Die deutsche Zahnärzteschaft ist mit dem Konzept der Vertrags- und Wahlleistungen einen richtigen und konsequenten Weg gegangen. Auf keinem anderen Gebiet der Medizin hat der Patient angesichts unterschiedlicher Therapiekonzepte so viele Wahlmöglichkeiten. Diese Wahlmöglichkeiten gerade auch für den gesetzlich Versicherten müssen wir in den kommenden Jahren ausweiten. Das muss unser Programm sein.
In diesem Jahr findet die Bundestagswahl statt. Glauben Sie, künftig mehr Einfluss nehmen zu können auf die Politik im Freistaat und eventuell auch über die Abgeordneten auf die Politik auf Bundesebene?
Berger: Wir beide starten ja nicht bei null. Ich bin nun seit mehr als 15 Jahren im Präsidium der Kammer tätig. In dieser Zeit läuft einem der eine oder andere Politiker schon einmal über den Weg. Aber ernsthaft: Wir stehen wieder einmal vor einer Richtungswahl. Beim Thema Bürgerversicherung verläuft in der Gesundheitspolitik eine Demarkationslinie. Kommt die Bürgerversicherung, hat dies nicht nur Konsequenzen für das Geschäftsmodell der Privaten Krankenversicherung. Es wird massive Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit der Medizin und Zahnmedizin haben. Das werden auch die Bürger als Patienten zu verstehen bekommen. Also müssen wir alles daransetzen, zusammen mit den Ärzten auf Risiken und Nebenwirkungen dieses Modells hinzuweisen. Im koordinierten Auftritt unserer Pressestellen, im gemeinsamen Messeauftritt auf Parteitagen werden wir unsere Sorgen vor einer falschen Entscheidung der Politik formulieren. Ich glaube, es wird uns künftig leichter fallen bei der Politik Gehör zu finden, wenn wir Zahnärzte mit einer Stimme sprechen – und nicht eine interne Konkurrenzsituation zwischen Kammer und KZVB vorliegt.
Schott: Die Beispiele belegen einmal mehr, dass wir gut daran tun, alle Kräfte zu bündeln, um in die Politik hineinzuwirken. Wir sehen doch gerade beim Thema Approbationsordnung für Zahnärzte, wie schwer sich das zuständige Ministerium damit tut, unterschiedliche Stellungnahmen aus der Zahnärzteschaft unter einen Hut zu bringen.
Stichwort Deregulierungstendenzen aus Brüssel, die ja auch die Zahnärzte als Freie Berufe betreffen. Welche Bedeutung messen Sie den Freien Berufen in Bayern und auf Bundesebene bei?
Berger: Wir beide sind auch im Verband der Freien Berufe in Bayern engagiert und der ehemalige Kammerpräsident und ehemaliges Vorstandsmitglied der KZVB, Michael Schwarz, ist zurzeit Präsident der Freien Berufe in Bayern und vertritt dort auch die zahnärztlichen Interessen. Wir gehen auch nach Brüssel, um dort unsere Interessen zu vertreten. Die Bundeszahnärztekammer veranstaltet einen Europatag, bei dem wir dabei sind. Wir versuchen uns auf allen Ebenen zu artikulieren. Und daran sehen Sie schon, welche Bedeutung wir auch Europa und den Freien Berufen beimessen, denn sehr viel, was an Gesetzgebung bei uns ankommt, hat seinen Ursprung in Brüssel.
Zum Abschluss: Ist das „Modell Bayern“ aus Ihrer Sicht auf andere Kammern/KZVen übertragbar? Oder anders gefragt: Kann es ein Modell der Zukunft sein?
Schott: In Bayern liegt sicherlich eine besondere Situation vor, die in der jüngeren Vergangenheit von der Sprachlosigkeit der Schwesterkörperschaften geprägt war. Wir haben viel aufzuholen. Wir kehren jetzt vor unserer eigenen Tür und machen uns keine Gedanken darüber, ob das ein Modell der Zukunft sein könnte.
Berger: Die Zeit wird es weisen, ob wir erfolgreich sein werden oder nicht. Wir wissen natürlich, dass das Modell Bayern durchaus skeptisch beäugt wird. Gegen eine konstruktiv-kritische Begleitung von außen ist auch nichts einzuwenden. Für uns beide und für die große Mehrheit der Vertreterversammlung ist diese „neue“ Zusammenarbeit ein notwendiger, sinnvoller Schritt, um endlich die Synergien der Körperschaften zu bündeln. Die kleine Gruppe der Zahnärzteschaft in Bayern muss endlich gemeinsam auftreten – als die Bayerischen Zahnärzte. Daran arbeiten wir in BLZK und KZVB!
Vielen Dank für das Interview.
Die freie Journalistin Anita Wuttke aus München hat für die zm nachgefragt.