Frühjahrsfortbildung 2017

Okklusion und Prothetik

Marc Schmitter
,
Nikolaos Nikitas Giannakopoulos
,
Sophia Terebesi
,
Hans-Jürgen Schindler
,
Daniel Hellmann
Aufgrund der klinischen Bedeutung wird über die Gestaltung okklusaler Funktionsflächen seit jeher kontrovers und nicht selten dogmatisch diskutiert. Dieser Beitrag gibt einen Einblick in die aktuelle Forschung und thematisiert die Bedeutung der Okklusion vor dem Hintergrund der aktuellen Erkenntnisse und der rasanten Entwicklung neuer prothetischer Materialen und Verfahrenstechniken.

In den vergangenen zwei Dekaden wurde die zahnärztliche Prothetik in einer bislang nicht bekannten Weise revolutioniert. Der Einzug der digitalen Techniken in die zahnärztliche Praxis und ins zahntechnische Labor haben die Arbeitsweisen grundlegend verändert. Intraoralscans, die berührungsfreie Ermittlung patientenbezogener Messgrößen, die Erfassung muskulärer Funktionsparameter mithilfe der Elektromyografie und vieles mehr haben die zahnärztlichen Behandlungsoptionen erweitert und optimiert.

In besonderem Maß betrifft das Voranschreiten der Verfahrenstechniken die Digitalisierung zahntechnischer Arbeitsschritte. CAD/CAM-Technologien erlauben es heute, Zahnersatz in weiten Teilen am Computer zu konstruieren und maschinell zu fertigen. Viele prothetische Versorgungen können bereits im digitalen Workflow ganz ohne klassische zahntechnische Hilfsmittel wie (Gips-)Modelle, Bissnahmen und Artikulatoren gefertigt werden. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass sich diese Möglichkeiten weiterhin verfeinern werden. Doch gerade der Verzicht auf die Anwendung des klassischen Artikulators birgt eine Herausforderung, die oftmals unterschätzt wird, denn alle klassischen Okklusionskonzepte wurden für die Anwendung in diesen Grenzbahnsimulatoren entwickelt und sollten eine möglichst einfache, reproduzierbare und standardisierte Rekonstruktion der Okklusion ermöglichen. Ob sich diese Okklusionskonzepte allerdings problemlos für unsere Patienten in die digitale Welt der modernen Zahnheilkunde übertragen lassen, ist ungeklärt. Zwar kann man mithilfe der klassischen kinematischen Verfahren individuelle Bewegungsabläufe simulieren – die elastischen Eigenschaften der beteiligten Biomaterialien (Knochen, Knorpel, Diskus, Parodontium) können diese Bewegungsinformationen jedoch nicht abbilden. Hier liegt eine Chance der virtuellen Simulation im Rahmen der digitalen Fertigung von Zahnersatz, denn die Implementierung genau dieser Faktoren ist momentan Gegenstand intensiver Forschung. Es ist daher sinnvoll, althergebrachte Okklusionskonzepte auf den Prüfstand zu stellen und kritisch zu überdenken. Ziel muss es sein, die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Verfahren effektiv zum Wohle des Patienten zu nutzen und nicht an starren, zu mechanistisch orientierten Okklusionskonzepten festzuhalten.

Bedarf okklusaler Rehabilitation in der Praxis

Ein kritischer Aspekt in Bezug auf die „okklusale Rehabilitation“ ist die teilweise auffallende Missachtung der älteren Patienten, denn ein großer Anteil von Zeitschriften- und Kongressbeiträgen legt den Fokus auf Konzepte zur Versorgung von voll- oder nahezu vollbezahnten Patienten. Diese Konzepte erscheinen unter kritischer, indikationsbezogener Betrachtung oft eher grenzwertig und weitab von den prothetischen Fragestellungen, mit denen sich der niedergelassene Zahnarzt täglich konfrontiert sieht.

Daher sollten, insbesondere auch unter dem Aspekt der eigentlich rehabilitationsbedürftigen Population 60+, Okklusionskonzepte für den „Alltagsgebrauch“ entwickelt werden, die auf die Ansprüche und Möglichkeiten des alternden und neuromuskulär kompromittierten Gebisses abgestimmt sind, da es sich hier um eine immer größer werdende Patientengruppe handelt. Darüber hinaus sind in diesem Zusammenhang auch die Ressourcen von Patienten und Sozialsystemen zu berücksichtigen, die es zukünftig kaum gestatten dürften, gerade diese Klientel systematisch mithilfe maximalinvasiver und kostenintensiver Konzepte zu versorgen.

Das okklusale Relief und die Funktion der Zähne

Eine Abflachung des Kauflächenreliefs während der Lebenszeit kann entweder die Folge natürlicher Attrition, Erosion und Abrasion sein (durch Ernährungsgewohnheiten und/oder Bruxismus) oder durch die Eingliederung prothetischer Restaurationen mit einem zu flachen okklusalen Profil entstehen. Der entscheidende Unterschied zwischen diesen beiden Fällen ist der zeitliche Aspekt. Die natürliche Abnutzung des okklusalen Reliefs verläuft meist allmählich über größere Zeiträume. Selbst bei starken Bruxern kann sich das kraniomandibuläre System (CMS) in der Regel über Jahre an die neue Situation adaptieren.

In Gegensatz dazu erfolgt die prothetische oder konservierende Rehabilitation sehr schnell. Mit Eingliederung der neuen Versorgung wird vom Kausystem eine plötzliche, schnelle Adaptationsleistung verlangt. Mithilfe elektromyografischer und kinematischer Studien konnte in jüngster Vergangenheit gezeigt werden, dass das okklusale Relief sowohl in der statischen als auch in der dynamischen Okklusion eine signifikante Auswirkung auf die Kauleistung junger, gesunder Probanden hat [Eberhard, Braun et al., 2014; Giannakopoulos, Wirth et al., 2014]. Bei älteren oder okklusions-kompromittierten Patienten muss – aufgrund der durch das Alter und der verminderten Sensorik verringerten Adaptationsfähigkeit – im Vergleich mit jungen gesunden Probanden von noch deutlich größeren Effekten ausgegangen werden.

Die Strategie des Kausystems ist es offensichtlich, zunächst die zentralnervös gesteuerten, rhythmisch koordinierten Kaumuster beizubehalten, was in Gegenwart von Störungen im Sinne von Interferenzen oder Abflachungen des Reliefs zu einer verminderten Leistung führt. Eine praktische Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist die strikte Vermeidung von Vorkontakten bei der Herstellung von neuem Zahnersatz. Dies wird durch ausreichende antagonistische Freiräume ermöglicht, denen gerade die klassischen Okklusionskonzepte nicht Rechnung tragen. Ebenso sollte bei der Gestaltung der Kauflächen von neuem Zahnersatz auf eine Wiederherstellung des individuellen Kaureliefs geachtet werden, wozu aber in jedem Fall eine Achsiografie zum Zweck der Programmierung von Artikulatoren notwendig und empfehlenswert ist [Hellmann and Schindler, 2015].

Bisshebung: Auswirkungen auf Muskulatur/Gelenke

Vor Beginn einer prothetischen Therapie wird der Behandler im Alltag gelegentlich mit der Notwendigkeit einer Bisshebung konfrontiert, da die ursprüngliche Vertikaldimension aufgrund verschiedener Ursachen – wie etwa generalisierten ausgeprägten Abrasionen oder der Auflösung der Stützzonen durch Zahnverlust – eine Absenkung erfahren hat. Der Verlust der genuinen okklusalen vertikalen Dimension (OVD) kann einen negativen Einfluss auf die Funktion, die Ästhetik und die Phonetik des Patienten haben [Turner and Missirlian, 1984]. Im Rahmen von prothetischen Behandlungsmaßnahmen, bei denen die Kieferrelation entscheidend beeinflusst wird, wie dies insbesondere bei einer Bisshebung der Fall ist, sollte dem Behandler bewusst sein, dass jede Veränderung der präoperativen Zuordnung von Maxilla und Mandibula einen Eingriff in das Gleichgewicht des CMS darstellt.

Vor allem die Kaumuskulatur und die Kiefergelenke sind von diesem Sachverhalt betroffen. So konnte in jüngerer Zeit belegt werden, dass alle Positionsänderungen der Mandibula Effekte auf die Kaumuskulatur, respektive auf eng begrenzte Muskelareale, im Sinne einer Reorganisation motorischer Einheiten (MU) auslösen [Terebesi, Giannakopoulos et al., 2016] (Abbildung 1). Diese besondere Eigenschaft der Kaumuskulatur lässt sich damit begründen, dass sie bei der Entwicklung unterschiedlicher Kraftvektoren in der Lage ist, selektiv bestimmte Subpopulationen von MUs, im Sinne einer differenzierten Aktivierung [Blanksa, Van Eijden et al., 1992] anzusteuern. Mit dieser Eigenschaft, einzigartig ausgeprägt in der Kaumuskulatur, lässt sich die hervorragende Adaptationsfähigkeit dieses neuromuskulären Systems erklären. In diesem Kontext konnten Studien mit freier Balance (sogenannte Autobalance) des CMS zeigen, dass beim Zubeißen ohne okklusale Führung nicht die Kiefergelenke, sondern die bilateralen interokklusalen Distanzen eine Symmetrisierung erfahren [Hellmann, Brustle et al., 2015].

Welche Bedeutung haben diese neuen Erkenntnisse nun für die Bisshebung? Nach klassischen Vorgaben ist es vorab unerlässlich, einen funktionellen Befund durchzuführen, um eventuelle schmerzhafte oder pathologische Befunde im Bereich der Kaumuskulatur und/oder der Kiefergelenke zu erkennen, die eine Adaptationsfähigkeit des CMS negativ beeinflussen könnten. Schmerzhafte kraniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) müssen vor Beginn der Bisshebung behandelt werden.

Allerdings kann die Phase der Bisshebung selbst auch therapeutisch genutzt werden, wenn grundlegende klinische Aspekte berücksichtigt werden. Diese betreffen insbesondere die eingestellte Kieferrelation auf der Schiene und die initiale Bisshebung, die 4 mm bis 5 mm (gemessen im Bereich der Inzisiven) nicht überschreiten sollte. Eine klinisch bewährte Methode, diese therapeutische Position zu registrieren, wurde in jüngerer Zeit beschrieben [Hellmann, Becker et al., 2012]. Sie basiert im Wesentlichen auf einfachen Schließbewegungen, die durch ein in der vorgesehenen OVD eingestelltes Frontplateau gestoppt und synchron registriert werden. Eine definitive prothetische Versorgung nach einer notwendigen Vorbehandlung sollte dann frühestens nach einem beschwerdefreien Intervall oder einer stabilen Besserung von etwa einem halben Jahr vorgenommen werden [Ahlers, Freesmeyer et al., 2005]. Liegen zu Beginn der Therapie keine behandlungsbedürftigen funktionellen Störungen des CMS vor, ist bei der Wahl der Methode zur Bisshebung darauf zu achten, dass diese valide und reproduzierbar ist. Wann immer die individuelle Patientensituation es erlaubt – das heißt bei Vorliegen einer guten Adaptationsfähigkeit –, sollte bei der Bisshebung eine zentrische Kondylenposition angestrebt werden [Türp, Greene et al., 2008]. Ausgehend von der Versorgungsart für die Bisshebung konnten mehrere Studien zu diesem Thema zeigen, dass eine Bisshebung mit festsitzenden Versorgungen ( beispielsweise zementierte Schienen, CAD/CAM-hergestellte Provisorien) zu geringeren Adaptationsproblemen seitens der Patienten führen, als dies bei herausnehmbaren Versorgungen der Fall ist [Ormianer and Gross, 1998].

Konsequenterweise bleibt noch die Frage offen, wie viel darf oder kann die okklusale Vertikaldimension verändert werden? Die Antwort darauf ist in der Literatur nur sehr heterogen zu finden, jedoch gibt es hinreichende Belege dafür, dass initiale Sperrungen bis etwa 5 mm, gemessen im Bereich der Schneidezähne, ohne weitere Komplikationen durchführbar sind [Carlsson, Ingervall et al., 1979]. Dies korreliert auch mit den Optionen, wie sie im erkrankten System bereits empfohlen wurden.

Okklusion aus biomechanischer Sicht

Die vergangenen eineinhalb Jahrhunderte waren aus zahnmedizinischer Sicht von dem Bemühen geprägt, die essenzielle biomechanische Funktion des Kausystems, die Mastikation, umfassend zu verstehen. Diesen Anstrengungen sind jedoch im okklusalen Nahbereich messtechnische Grenzen gesetzt, die erst in jüngster Vergangenheit überwunden werden konnten [Martinez, Lenz et al., 2014]. Mithilfe realistischer Computerberechnungen (sogenannte „Finite Elemente“) können Simulationen mit Modellen durchgeführt werden, die alle wesentlichen Gewebe des Kausystems mit ihren spezifischen Materialeigenschaften (Abbildung 2) reproduzieren. Somit ist es möglich geworden, den aus zahnärztlich rekonstruktionstechnischer Sicht kritischen Nahbereich während des sogenannten „Power Strokes“, dem eigentlichen effektiven Zerspanungsakt des Kauzyklus, unter kinetischen Bedingungen zu untersuchen. „Kinetische Bedingung“ bedeutet hier die Verformungen und Mikrobewegungen, von denen dieser letzte, kritische okklusale Nahbereich gekennzeichnet ist, erfassen zu können. In dieser finalen Schließphase wird der Unterkiefer in die maximale Interkuspidation geführt, ohne jedoch direkte Zahn-Zahn-Kontakte zu erreichen (die Positionierung von Bolusfragmenten zwischen den okkludierenden Zahnpaaren verhindert dies).

Erste Ergebnisse kinetischer Simulationen unserer Forschungsgruppe zeigen in Übereinstimmung mit eigenen klinisch experimentellen Studien, dass die klassische Vorstellung der axialen Krafteinleitung in die Zähne unter Funktion eine pure Fiktion ist. Denn dieser biomechanische Zustand ist weder in der natürlichen Funktion – das heißt beim Kauen – zu finden noch in statischer Okklusion, die – um es drastisch zu formulieren – eigentlich unter Kraftbedingungen eine parafunktionelle Aktivität (Kieferpressen) repräsentiert.

Rekonstruktion okklusaler Funktionsflächen

Ziel einer modernen Rehabilitationsmedizin, die nicht nur einen ausreichenden Funktionszustand wiederherstellen sollte, ist die störungsfreie, funktionelle und strukturelle Integration rekonstruierter oraler Gewebe in das CMS [Schindler and Hugger, 2008]. Grundlage dafür ist von jeher die Verwendung geeigneter, zeitgemäßer Materialien und Verfahrenstechniken, die ihrerseits einem fortwährenden Wandel unterliegen.

Die klassischen gnathologischen Konzepte stammen aus einem Zeitalter, in dem die Rekonstruktionen okklusaler Funktionsflächen in der Regel aus weichen Goldlegierungen gefertigt wurden [Bauer and Gutowski, 1984]. Eine mattierte Oberfläche bei der Inkorporation ermöglichte eine individuelle Adjustierung in der Mundhöhle der Patienten. Durch die gute Polierbarkeit der verwendeten Legierungen konnten die Oberflächen nach dem Einschleifen in der Mundhöhle nahezu perfekt überarbeitet werden. Durch die geringe Härte kam es im Rahmen der gebrauchsbedingten okklusalen Abnutzung des Restgebisses zu einer funktionsgerechten Verformung.

Mit der Dentalkeramik erhielt das Problem der materialbedingten Schäden an okklusalen Rekonstruktionen Einzug in die Zahnheilkunde, die neben den werkstoffkundlichen Aspekten sicherlich auch ein Abbild der unzureichenden funktionellen okklusalen Gestaltung darstellt.

Neben der wissenschaftlichen Analyse der verwendeten Werkstoffe in Bezug auf deren Überlebensraten [Pjetursson, Sailer et al., 2007; Sailer, Pjetursson et al., 2007] musste auch die Zahntechnik erkennen, dass mit dem Wechsel der Materialien eine Anpassung der Konzepte zur okklusalen Gestaltung im Dentallabor notwendig wurde [Schunke, 2007], denn nicht erkannte Interferenzen auf Restaurationen führen entweder zu Schadenfällen oder müssen durch die Patienten während der Gebrauchsperiode innerhalb der Mundhöhle adaptiert werden [Eberhard, Braun et al., 2014].

Die erläuterten Sachverhalte in diesem Artikel machen klar, dass zur Entwicklung eines zeitgemäßen Okklusionskonzepts weitere Forschungsbemühungen notwendig sind, die – über die kinematischen Datenerfassungen hinausgehend – eine klare Vorstellung von den Freiräumen im okklusalen Nahbereich liefern können. Ohne Zweifel müssen – insbesondere in Zeiten CAD/CAM gefertigter Restaurationen mit maximal verschleißresistenten Materialien (wie Zirkoniumdioxidkeramik) – neue Okklusionskonzepte angedacht werden, die es erlauben, intraorale Korrekturen auf ein Minimum zu reduzieren, da okklusale Korrekturen das schadensfreie langfristige Überleben der Restaurationen gefährden.

Auf dem Weg zu einer funktionell hochwertigen Gestaltung okklusaler Kontaktflächen ist die Nutzung von physischen und virtuellen Artikulatoren in Zusammenhang mit der elektronischen Aufzeichnung patientenspezifischer Bewegungsdaten des Unterkiefers unumgänglich, denn nur so kann eine nahezu patientenanaloge Simulation der dynamischen Okklusion ermöglicht werden [Hellmann and Schindler, 2015]. Hierbei zeichnen sich erste Vorteile bei der Verwendung von virtuellen Artikulatoren ab [Maestre-Ferrin, Romero-Millan et al., 2012]. Eine andere Strategie stellt die Verwendung von real dynamischen Bewegungsdaten der Unterkieferzahnreihe zum Oberkiefer ohne den Umweg über virtuelle Artikulatorgeometrien dar [Hanssen, Ruge et al., 2014]. Unerlässlich sind in diesem Zusammenhang allerdings direkte Schnittstellen der Fräseinheiten mit elektronischen Messsystemen, die ein Einpflegen patienten relevanter anatomisch-geometrischer Daten ohne Umwege gestatten. Die Größenordnung des klinisch zu erwartenden okklusalen Korrekturbedarfs am Patienten bei der Anwendung der genannten Verfahren ist dabei abhängig von der Qualität der zur Simulation eingesetzten Daten.

Die Limitationen für eine generelle Empfehlung eines rein digitalen Workflows liegen bis heute unter anderem in der mangelnden Evidenz bezüglich der Präzision von intraoralen Scans ganzer Kiefer [Goracci, Franchi et al., 2016] und der Erhebung der kinematischen Daten, wobei deren mangelnde Präzision weniger in der Messgenauigkeit als vielmehr in der bei den meisten Systemen im klinischen Alltag noch immer unzureichend starren Montage der Messapparaturen am Patienten begründet liegt. Diese kritische Betrachtung soll allerdings nicht den Blick darauf verstellen, dass die in diesem Artikel beschriebenen aktuellen Entwicklungen der biomechanischen Forschung sowie der Fortschritt im Bereich der Scan- und CAD/CAM-Verfahren schon heute den Weg in eine bisher noch nicht bekannte Dimension der funktionellen oralen Rehabilitation ebnen.

Okklusion gestalten: Alle Artikel zur Fortbildung

Okklusion und Bruxismus - mit CME

Bruxismus gilt als Risikofaktor für eine erhöhte Abnutzung der Zähne und das Versagen von Restaurationen und Zahnersatz. Darum ist es die Aufgabe des Zahnarztes, eine Bruxismusaktivität zu erkennen, präventive Maßnahmen einzuleiten und Restaurationen und Zahnersatz so zu planen, dass sie den erhöhten Belastungen standhalten. Dr. Matthias Lange, Berlin, beschreibt die zwei gängigen Strategien: Verkleinerung der wirksamen Okklusalflächen und Verwendung widerstandsfähiger Materalien und Konstruktionen.

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Okklusion und Implantate - mit CME

Mit welchem Okklusionskonzept lässt sich bei implantatgetragenem Zahnersatz unter Berücksichtigung der einwirkenden Kräfte eine möglichst gute Langzeitstabilität sicherstellen? Dr. Anna Kunzmann, Prof. Hans-Christoph Lauer und Dr. Sylvia Brandt, Frankfurt, diskutieren die Taktilität dentaler Implantate und zeigen, wie osseointegrierte Implantate und Implantat-Abutment-Verbindung durch eine vorsichtige Modifikation der okklusalen Kaufläche geschützt werden können.

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Okklusion - Kultur versus Natur

Für eine komplett andere Auseinandersetzung mit dem Thema Okklusion – aus der Perspektive der Evolutionsforschung – plädieren Prof. Dr. Kurt Alt, Basel/Krems, Dr. Ottmar Kullmer, Frankfurt, und Prof. Jens Türp, Basel: Die Abnutzungsvorgänge/ Hartgewebeveränderungen dürfen nicht länger als pathologisch bezeichnet werden. Vielmehr ist die „perfekte“, evoluiv bewährte, abasionsbedingte Okklusion der heutigen statischen, „zementierten“ Okklusion vorzuziehen.

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Okklusion und Rehabilitation

Konträr dazu argumentieren Prof. Dr. Alfons Hugger, Düsseldorf, und Prof. Dr. Hans-Jürgen Schindler, Würzburg, dass die unterschiedlichen Lebensphasen eines Menschen eine Rehabilitation der Okklusion verlangen. Die profilierte Kauflächengestaltung dient der notwendigen Wiederherstellung eines kompromittierten Kausystems. Vor allem die Patientenpopulation 60+ braucht eine akzentuierte Gesaltung, um die neuro-muskulären Defizite auszugleichen.

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Fazit für die Praxis

Im Rahmen einer prothetischen Rehabilitation sollte ein individuelles und interferenzfreies Kauflächenrelief wiederhergestellt werden. Hierzu sollten, abhängig von der Systematik, physische und virtuelle Artikulatoren mittels patientenspezifischer Daten programmiert oder eine Simulation von Kieferbewegungen mithilfe realdynamischer Daten durchgeführt werden. Eventuell notwendige Bisshebungen sollten dabei initial innerhalb eines physiologischen Rahmens von bis zu maximal 5 mm, (gemessen im Bereich der Frontzähne) liegen. Dies sichert auch im digitalen Workflow ein langfristiges Überleben moderner vollkeramischer Restaurationen bei möglichst geringer Adaptationsleistung für die Patienten.

Prof. Dr. Marc Schmitter
PD Dr. Nikolaos Nikitas Giannakopoulos
Dr. Sophia Terebesi
Prof. Dr. Hans J. Schindler
Dr. Daniel Hellmann

Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Universitätsklinikum Würzburg
Pleicherwall 2, 97070 Würzburg
schmitter_m@ukw.de

Literaturliste

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Prof. Dr. Marc Schmitter

Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Universitätsklinikum Würzburg
Pleicherwall 2,
97070 Würzburg

PD Dr. Nikolaos Nikitas Giannakopoulos

Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Universitätsklinikum Würzburg
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Dr. Sophia Terebesi

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Prof. Dr. Hans-Jürgen Schindler


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Dr. Daniel Hellmann

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