Besserer Kundenservice oder verstecktes Kreditmanagement?
Die Geschäftsbank ist für Kredit-, Geldanlage- und Kontogeschäfte zuständig – und der Steuerberater für die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen sowie für die Rentabilitäts- und Liquiditätsberechnungen. Mit dieser klassischen Aufgabenteilung arbeitet Herbert M. in seiner Praxis seit Jahren. Eine darüber hinausgehende betriebswirtschaftliche Beratung, etwa durch einen Wirtschafts- oder Finanzberater, nahm er bislang so gut wie nie in Anspruch. Einmal hat er seine Kammer um Hilfe gebeten. Dies soll die, wie M. es ausdrückt, „gesunde Distanz“ zu seiner Geschäftsbank und seinen Kreditgebern ausdrücken. Diese erhalten pünktlich die wirtschaftlichen Daten der Praxis, ebenso die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen. Auf dieser Basis gab es bisher weder bei den beantragten noch bei den zu verlängernden Krediten Probleme.
Das Privatvermögen von M. und seiner Familie wird indes seit Jahren von einer anderen Bank verwaltet. Die strikte Trennung von Privat- und Praxisvermögen hat sich nach Überzeugung von M. bewährt. Der bisher letzte Versuch seiner Geschäftsbank, auch zumindest einen Teil des Privatvermögens selbst verwalten zu dürfen, liegt bereits mehrere Jahre zurück.
Dies könnte sich künftig allerdings ändern. M. hat mittlerweile erfahren, dass die Bank, die seine Praxisangelegenheiten regelt, innerhalb des internen Bereichs Kreditmanagement eine Mitarbeitergruppe einsetzt, die die Inhaber von kleinen Mittelbetrieben in betriebswirtschaftlichen Fragen berät. Beraten werden Angehörige von Freien Berufen, aus Handwerk, Handel und Industrie. Dabei treffen die Berater weder Kreditentscheidungen noch beraten sie bei konkreten Anlageproblemen. Auch führen sie keine Rechts- oder Steuerberatungen durch.
Die Beratung definiert sich nach Angaben der Bank ausschließlich als (zunächst) kostenfreies Dienstleistungsangebot für ihre Kunden hinsichtlich betriebswirtschaftlicher Fragen. Im Unterschied zur herkömmlichen Beratung gehört etwa die Prüfung der bestehenden privaten und betrieblichen Versicherungen bezüglich Versicherungsumfang und Prämienhöhe dazu. Der Service umfasst auch die technische Unterstützung mithilfe von EDV-Programmen der Bank. So kann diese ihre Kunden bei der Liquiditäts- und Rentabilitätssteuerung ebenso unterstützen wie beim taggleichen Kontoausgleich oder bei der Verwaltung des bestehenden Kredits. Bei dieser umfangreicheren Beratung finden auch Gespräche in der Praxis statt, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Dort und/oder beim Steuerberater werden nach der Bestandsaufnahme nicht nur Standort- oder Strategieanalysen erstellt, sondern auch konkrete Umsetzungsoptionen mit besprochen.
Was meint „Beratung“?
Beratung gehört natürlich schon länger zum Angebotsspektrum von Banken. Vergleichsweise neu ist der spezifische Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen. Der Umfang dieses Service ist allerdings sehr unterschiedlich, so dass sich Praxisinhaber nach den Details erkundigen sollten.
Entscheidend ist die Branchen-Kompetenz des einzelnen Beraters, die dieser belegen sollte. Bei einer fundierten, ausführlichen Beratung spielt dann auch der Preis dieser Dienstleistung eine Rolle. Jede Bank sollte schlüssig darlegen, ob sie den Service im Rahmen der Gesamtverbindung mit dem jeweiligen Kunden kalkuliert oder ob eine zusätzliche Gebühr berechnet wird.
In der Bank machte der Ansprechpartner von M. deutlich, dass eine enge Kommunikation zwischen ihm und seinen Kollegen, die bisher für M. in Kreditfragen zuständig waren, stattfindet. So solle „ein Höchstmaß an Kundennähe“ erzielt werden. Das ändere aber nichts an der eigentlichen Aufgabenverteilung: Für konkrete Kreditfragen blieben nach wie vor die Kundenberater verantwortlich. Sie träfen in Verbindung mit dem zuständigen Kollegen des Kreditmanagements, wie bisher auch, sämtliche Kreditentscheidungen.
Die betriebswirtschaftlichen Hinweise des neueingeführten Beraterteams besäßen lediglich einen „wichtigen ergänzenden Charakter“.
Michael Vetter, Fachjournalist für Finanzen