Dr. Helmut Stein im Porträt

Der Präventionsprofi aus der Pfalz

Seine humorvollen und zugleich legendär kämpferischen Wortbeiträge werden der mitunter trockenen Standespolitik fehlen: Sanitätsrat Dr. Helmut Stein, langjähriger Chef der KZV Rheinland-Pfalz und Vorreiter der Gruppenprophylaxe, verabschiedet sich nach 31 Jahren Vorstandsarbeit in den Ruhestand.

Dass er Zahnarzt werden will, stand für Stein früh fest. Medizinisches Interesse und Freude am Umgang mit Menschen trägt er, Jahrgang 1950, von Jugend an in sich. Ganz entscheidend für ihn: der Wunsch, selbstständig tätig zu sein. „Ich hätte es nicht gewollt, dass ich in meiner beruflichen Laufbahn vom Wohlwollen Vorgesetzter abhängig werde“, bekräftigt Stein.

Nach dem Abitur geht es 1970 zum Studium nach Mainz. Es folgen 1975 die Tätigkeit als Assistenzzahnarzt, die Promotion über ein EKG-Thema der inneren Medizin und 1978 schließlich die Niederlassung in Clausen. In seiner Praxis, einer typischen Landzahnarztpraxis, arbeitet Stein bis heute zusammen mit seiner Frau, Dr. Andrea Stein, und seinem Team. Hier altern die Patienten mit. Stein: „Es ist ein Segen des Alters, in den Mündern der Patienten Zahnersatz zu sehen, den man bereits vor 30 Jahren eingegliedert hat und der noch funktionsfähig ist“. Damit könne man sozusagen seine eigene Qualitätssicherung betreiben, fügt er augenzwinkernd hinzu. „Es war schon immer mein Anliegen, Generalist zu sein. Und von Anfang an war meine Tätigkeit auf Prophylaxe ausgerichtet“, erzählt Stein. Damals ein absolutes Novum.

Der Vollblutpolitiker wollte schon immer mehr machen als bohren: „Schon seit der Schulzeit war es mein Bestreben, einen Beruf zu ergreifen, bei dem ich reden und organisieren kann!“ Aber Clausen ist eben Ende der 1970er Jahre nicht Bonn, sondern standespolitisches Brachland. Als der Vorsitzende des Kreisverbandes stirbt, nutzt Stein die Gelegenheit und gründet einen Kollegen-Stammtisch. Bereits 1979 wählen ihn die ansässigen 110 Kollegen zum neuen Vorsitzenden der Kreisvereinigung Pirmasens-Zweibrücken – ein Amt, das er bis heute inne hat. Von Anfang setzt er auf diese Basisarbeit, die ihm später auch als Stütze für weitere, höhere politische Ämter dient. Dazwischen liegen viele Etappen, kleinere und größere. Bereits in der Assistenzzeit kommt er mit dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte in Berührung und knüpft Kontakte zur Landes- und Bundesebene der zahnärztlichen Standespolitik.

Steins Herzensangelegenheit aber ist die Prävention, sein „Ding“ von Anfang an die Jugendzahnpflege. Ende der 70er Jahre wird „sein“ Thema schließlich zum standespolitischen Dauerbrenner schlechthin: Weg von der Restauration und hin zur Prävention, lautet die neue Maxime. Und 1989 ist es soweit: Zahnmedizinische Gruppen- und Individualprophylaxe werden im SGB V gesetzlich vorgeschrieben.

Fast jede Kasse will in der Kita ihren Becher lassen

Viele Institutionen drängen damals mit ihren Konzepten, Flyern und Medien in die Gruppenprophylaxe, erinnert sich Stein: „Nahezu jede Krankasse wollte in den Kindergärten ihre Becher hinterlassen. Es war ein Glücksfall, dass wir in unserer Kreisvereinigung Pirmasens-Zweibrücken kluge Partner fanden!“ Jeder Partner bringt das ein, was er am besten kann – die Zahnärzte sorgen für die fachliche Seite, die Krankenkassen für die Infrastruktur und die Erledigung der Bürokratieaufgaben. Daraus entsteht das wegweisende Kooperationsmodell zwischen Zahnärzteschaft, gesetzlichen Krankenkassen und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), das nach dem Settingansatz funktioniert: Niedergelassene Zahnärzte übernehmen eine Patenschaft für Kindergärten und Schulen – in Zusammenarbeit mit dem ÖGD und den gesetzlichen Krankenkassen. 1982 gründet sich die erste Arbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege Pirmasens-Zweibrücken. Stein wird Vorsitzender und – willkommen in der Gegenwart – ist es bis heute.

1984 erfolgt die Gründung der LAGZ Rheinland-Pfalz, seit 1993 ist die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe in ganz Rheinland-Pfalz flächendecken nach dem Konzept der AGZ Pirmasens-Zweibrücken organisiert. Stein: „Ziel war die einheitliche Umsetzung der Gruppenprophylaxe im ganzen Land, und zwar auf freiwilliger Basis.

Das war noch bevor die Gruppenprophylaxe 1989 gesetzlich vorgeschrieben wurde. Der Gesetzgeber hat das festgeschrieben, was sich zuvor in der Praxis bewährt hat.“

Schritt für Schritt werden die Programme ausgebaut, vor allem die systematische, präventiv ausgerichtete Schulzahnpflege – inklusive Prophylaxe- und Putzunterricht. „Heute ist LAGZ Rheinland-Pfalz eine weithin anerkannte Erfolgsgeschichte, mit einer interdisziplinären Betreuung der Kinder im Alter von 0 bis 16 Jahren. Bezeichnend ist, dass der LAGZ-Haushalt von damals 300.000 Euro auf heute 3,2 Millionen Euro angewachsen ist: 95 Prozent der Kosten fließen in die Umsetzung“, erzählt Stein. Rund 1.300 Kollegen engagieren sich mittlerweile ehrenamtlich als Schul- oder Patenzahnärzte – auch mit der Berechtigung, in Schulen für Hebammen und Erzieherinnen zu unterrichten. Hinzu kommen 25 Referentinnen, die in Miniclubs und Krabbelgruppen aufklären.

Eine Heirat, die keiner wollte

Als er 1992 den stellvertretenden Vorsitz der KZV Pfalz übernimmt, startet er standespolitisch voll durch: Von 1993 bis 2004 ist er Vorsitzender, unter anderem ist er für die KZBV im Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege (DAJ) tätig, der Dachorganisation der zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe; in der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz ist er Referent für zahnmedizinische Vorsorge. „Nebenbei“ schreibt er Fachbücher und hält Vorträge. Ein Klassiker bis heute: das 1990 von Helmut Stein und Helmut Specke herausgegebene „Handbuch der zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe“. Auf weit über 100 Fortbildungsseminaren zur Gruppen- und Individualprophylaxe bringt er Zahnärzten und Erzieherinnen das Thema näher.

Mit der 2005 gesetzlich verfügten Hauptamtlichkeit und der damit einhergehenden Zwangsfusion der KZVen Pfalz, Koblenz-Trier und Rheinhessen zur KZV Rheinland-Pfalz stellt sich für ihn eine große politische, logistische, organisatorische, aber auch menschliche Herausforderung: „Das war eine Heirat, die keiner wollte, da jede KZV eine beinahe 50-jährige Tradition hinter sich hatte,“ erinnert sich Stein. „Alles war dreifach vorhanden: drei Zahnärztehäuser mit Vorständen, drei Geschäftsführungen inklusive ihrer Abteilungen, drei komplette Belegschaften und drei unterschiedliche EDV-Programme. All dies musste koordiniert und zusammengeführt werden.“ Am Ende verlief die Fusion – natürlich – trotzdem sehr zufriedenstellend.

Lieber gestalten statt gestaltet zu werden

Als Sitz der neuen Körperschaft wird Mainz, zum hauptamtlicher Vorsitzenden Stein bestimmt. 2010 wird er einstimmig bis 2016 wiedergewählt. „Die Arbeit war sehr intensiv“, blickt Stein zurück. „Allein in der ersten Legislaturperiode hatten wir 133 Vorstandssitzungen, es gab 653 Beschlüsse!“ Die intensive Arbeit trägt bis jetzt ihre Früchte: „Heute ist die KZV, eine stabile Organisation mit schlanken Strukturen. Sie ist anerkannter Partner bei der Kollegenschaft, bei den Krankenkassen, der Landespolitik und beim Berufsstand auf Bundesebene.“

Ehrenamt oder Hauptamt – für Stein macht das letztlich keinen Unterschied: „Der KZV-Vorsitz ist immer mit großer Verantwortung verbunden.“ ‚Lieber gestalten statt gestaltet zu werden‘ lautet Steins treibende Handlungsmaxime: „Die KZV habe ich immer als eine gestaltende Kraft im Gesundheitswesen angesehen – mit hoher Verantwortung für Patienten, Zahnärzte, Vertragspartner und Mitarbeiter.“ Was die Vertragsverhandlungen angeht, ging es ihm darum, Lösungen herbeizuführen – ohne Einschaltung des Schiedsamts. Dazu gehört für ihn auch, Freiräume für den Berufsstand auszuloten, Risiken einzugehen, für die Freiberuflichkeit des zahnärztlichen Berufs einzustehen und für eine adäquate Patientenversorgung zu kämpfen. „Wichtig ist, sich als Dienstleister und Interessensvertreter zu fühlen. Es gilt, Bewährtes zu bewahren, Neues zuzulassen sowie lösungsorientiert und zukunftsbewusst nach vorne zu schauen.“ Nach diesem Motto lebt er – beruflich wie privat. Im Zentrum stehen ab jetzt nämlich wieder seine Familie, seine Praxis und seine Patienten. Stein wäre aber nicht Stein, wenn er jetzt seine Mission für beendet erklären würde: Der LAGZ bleibt er als Vorsitzender erhalten und auch für die KZBV kämpft er weiter für die Prävention Frühkindlicher Karies.

pr/ck

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