Positives Meinungsbild zum PAR-Konzept
Die AG „PAR“ mit Vertretern von KZBV, BZÄK und der DGParo hat ihre Arbeiten am PAR-Versorgungskonzept der Zahnärzte abgeschlossen. Das Konzept selbst soll auf der KZBV-Vertreterversammlung zum Deutschen Zahnärztetag am 8. und 9. November auf breiter Basis abgestimmt werden. Jetzt hat der KZBV-Beirat auf seiner Sitzung am 28.9. in Stuttgart ein positives Votum abgegeben. Zuvor hatte sich auch der BZÄK-Vorstand positiv zu dem Konzept positioniert.
Das umfangreiche Konzept, das derzeit vom gesamten Berufsstand und der Wissenschaft in langer Vorarbeit vorbereitet und konsentiert wird, zielt darauf ab, die Versorgung von Parodontaltherapien neu zu strukturieren (siehe zm 14/2016, S. 26–30). Der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer machte auf dem Beirat die Faktenlage deutlich: So habe die DMS-V-Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) gezeigt, dass die Prävalenz von Parodontopathien immer noch über 50 Prozent liegt. Hinzu kämen jährlich 500.000 neue Fälle. Durch den demografischen Wandel sei außerdem mit einer deutlichen Zunahme einer bedarfsgerechten Therapie zu rechnen. Eßer: „Dies offenbart, dass man aktuell von einer deutlichen Unterversorgung der Parodontitis ausgehen muss. Das steht im Gegensatz zur nach wie vor hohen Prävalenz und verdeutlicht den dringenden Handlungsbedarf.“
Die heutige PAR-Versorgung entspreche nicht mehr dem neuesten Stand der Wissenschaft, erläuterte Eßer weiter. Die KZBV habe es sich in ihrer Agenda Mundgesundheit 2017 zum Ziel gemacht, die Bekämpfung der Parodontitis in Deutschland in den Mittelpunkt zu rücken. Auch die European Federation of Periodontology (EFP) hat das Thema zur gesamteuropäischen Aufgabe erklärt. BZÄK und KZBV haben deshalb gemeinsam mit der Wissenschaft den aktuellen Handlungsbedarf identifiziert und die Gründe, die ein Handeln erforderlich machen, benannt:
Parodontitis ist eine chronische entzündliche Erkrankung
Parodontitis steht in Zusammenhang mit schweren allgemeinen Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes, Pneumonien, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch mit Frühgeburten.
Durch Studien ist belegt: Je ausgeprägter die Parodontitis ist, desto größer können auch die Komplikationen des Diabetes sein.
In der Bevölkerung aber ist dies noch weitgehend unbekannt, im Bewusstsein vieler Menschen handelt es sich bei der Parodontitis fälschlicherweise noch immer um eine Bagatellerkrankung.
Erschwerend kommt hinzu: Parodontitis ist eine schleichende stille Erkrankung. Die Zahnmedizin steht hier vor den gleichen Herausforderungen wie die Allgemeinmediziner bei der Hypertonie. Der Patient führt sich nicht krank und bagatellisiert die Symptome.
Dies führt häufig selbst dann noch zu Problemen, wenn sich der Patient in die PAR-Behandlung begibt: nämlich durch einen „Compliance-Abriss“.
Zusätzliche Schritte in der Therapie erforderlich
Die gemeinsame Problemanalyse mit der Wissenschaft habe aufgezeigt, dass der Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) längst nicht mehr dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. So fehlten bei der aktuellen Regelung der Parodontitistherapie (nach den derzeitigen Richtlinien des G-BA) wichtige Eckpfeiler für ein modernes Behandlungskonzept. Die im neuen Versorgungskonzept angedachte Behandlungsstrecke sehe deshalb zusätzliche Elemente vor.
Dazu gehört das Ärztliche Gespräch – ein wichtiger Therapieschritt im Anschluss an die Planungsphase, um den Patienten aufzuklären und mitzunehmen.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Re-Evaluation mit einem weiterführenden ärztlichen Gespräch, um entscheiden zu können, ob eine weiterführende chirurgische Parodontaltherapie erforderlich ist.
Ganz wichtig ist, dass der Patient darüber aufgeklärt werden muss, dass eine langfristige Stabilisierung nur durch eine regelmäßige strukturierte Nachsorge gewährleistet ist. Dazu ist eine Unterstützende Parodontitistherapie (UPT) als weiterer Therapieschritt notwendig.
Problematisch sei, dass es an der Schnittstelle zwischen systematischer Parodontitistherapie und UPT zu vermehrten Compliance-Abbrüchen komme und die Patienten überdurchschnittlich oft die UPT nicht in Anspruch nähmen. Im Konzept sei deshalb angedacht, die neuen Elemente der Versorgungsstrecke unterschiedlich zu implementieren. Das Ärztliche Gespräch – also die Remotivation als Maßnahme der „Sprechenden Zahnmedizin“ – ist aktuell nicht im Sachleistungskatalog der GKV abgebildet. Genauso verhält es sich mit der Erhebung von Re-Evaluationsbefunden. Diese sollten im Rahmen des Sachleistungsprinzips im GKV-Leistungskatalog verankert werden.
Bonussystem unterstützt die Compliance
Für die Leistung der UPT befürwortet das PAR-Konzept ein Zuschussmodell, das auf dem Bonussystem basiert. Ausgangspunkt soll das bekannte Bonusheft beim Zahnersatz sein, da dieses in der Bevölkerung breit verankert sei. Ziel der Zahnärzteschaft sei es, eine neue, an den Stand der Wissenschaft angepasste Versorgungsstrecke zu etablieren, um die Compliance der Patienten zu erhöhen und das Therapieergebnis abzusichern.
Vor allem das Bonussystem hält Eßer für ein wichtiges Element: „Ich bin zutiefst überzeugt: Wenn Menschen einen eigenen Teil für ihre Gesundheit in Form eines finanziellen Beitrags leisten, dann werden sie ihre Therapieziele erreichen.“
Eßer machte auch deutlich, dass es sich bei der Umsetzung des PAR-Konzepts um einen langen, vorskizzierten Weg handele, bei dem hohe Hürden genommen werden müssen: „Die Behandlungs-Richtlinien des G-BA müssen angepasst werden. Dazu muss im G-BA dargestellt werden, dass die PAR-Strecke auf validen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Insbesondere das IQWiG hat hier Hürden errichtet, die nur gemeinsam mit der Wissenschaft zu überwinden sind. Um eine sachgerechte Ausgestaltung der Finanzierung zu erreichen, wird eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenumstände notwendig sein. Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Zusätzlich muss mit den Krankenkassen über eine adäquate Honorierung verhandelt werden.“
Wichtig sei, dass das Konzept modular aufgebaut ist und auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen wird. So sei zu erwarten, dass sich Paro-Experten auf einer Tagung im Herbst in Chicago weltweit auf eine neue Klassifikation einigen werden, bei der sich auch Folgevorschläge für die Therapie ergeben könnten.
Neue PAR-Therapie
Hintergrund
Auf der Vertreterversammlung der KZBV im Sommer 2016 war ein erster großer Aufschlag erfolgt: KZBV, BZÄK, die DGParo, der FVDZ und die IGZ hatten sich auf eine gemeinsame Strategie des Berufsstands geeinigt, um ein konsentiertes Versorgungskonzept für eine zeitgemäße PAR-Behandlung auf den Weg zu bringen.
Anfang 2017 lag dann die mit Spannung erwartete Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vor, der sogenannte IQWiG-Vorbericht. Das IQWiG sollte zur Methodenbewertung für die Beratungen im G-BA zur Modernisierung der PAR-Therapie die Studienlage der systematischen Behandlung von Parodontopathien überprüfen. Ergebnis: Laut IQWiG liegt nicht genügend höchste Evidenz vor, um einen zusätzlichen Nutzen der PAR-Therapie zu bescheinigen. Die Fachwelt lief Sturm, kritisierte die Methodik des IQWiG (die viele Studien ausschloss) und monierte die mangelnde Einbindung der Erkenntnisse aus der wissenschaftlich weltweit anerkannten zahnmedizinischen Versorgungsmethodik (zm 4/2017, S. 32–38).
Der G-BA setzte daraufhin im Mai 2017 die Beratungen aus, damit das IQWiG weitere Studien in seine Bewertung einbeziehen kann. Ab Ende dieses Jahres ist mit dem Abschlussbericht zu rechnen.