Therapie eines ausgeprägten Plattenepithelkarzinoms
Fallbeschreibung
Anfang 2017 stellte sich ein 89-jähriger dementer Patient zur Weiterbehandlung einer ausgeprägten schmerzlosen, progredient wachsenden Hautveränderung im Bereich der linken Schläfe in unserer Ambulanz vor. Klinisch zeigte sich ein ausgeprägter exophytisch wachsender derber Tumor von 4,2 cm Durchmesser (Abbildung 1) mit ipsilateraler peripherer Parese des Stirnastes des N. facialis (Abbildung 1a) sowie beginnendem Lagophthalmus (Abbildung 1c).
Diagnostik
Zur weiteren Diagnostik erfolgte die Anfertigung eines Mittelgesicht-CT mit Kontrastmittel (Abbildung 2). Hier stellte sich eine lateral an das linke Jochbein angrenzende malignomsuspekte Raumforderung von 1,6 x 3,9 cm Größe ohne Hinweis auf eine ossäre Infiltration dar.
Die linke Glandula lacrimalis lag der Raumforderung direkt an, war jedoch durch eine Fettlamelle abgrenzbar.
Auch der Bulbus des Patienten war hier nicht durch den Tumor infiziert. Zervikal und im Bereich der Ohrspeicheldrüse waren keine pathologisch vergrößerten Lymphknoten darstellbar.
Therapie
In Intubationsnarkose wurde der Tumor schnellschnittkontrolliert in sano reseziert (Abbildung 3). Abbildung 4 stellt das Tumorhauptpräparat dar. Die Defektdeckung erfolgte durch ein mikrovaskulär-reanastomosiertes Radialistransplantat mit Anschluss an die temporalen Gefäße (Abbildung 3a).
Der entstandene orbitale Schleimhautdefekt nach wesentlicher Resektion des lateralen Lidwinkels wurde mit Hilfe eines freien Schleimhauttransplantats aus dem Planum buccale rekonstruiert. Darüber hinaus wurde ein 1,4 g schweres Platin-Oberlid-Implantat zur Unterstützung und Kompetenz des Lidschlusses implantiert, um einer späteren Konjunktivitis vorzubeugen. Abbildung 5 dokumentiert die unmittelbar postoperative Situation.
Histologisch ergab sich ein in sano reseziertes Plattenepithelkarzinom (TNM-Klassifikation (8. Auflage): pT3, V0, L0, R0) mit einem Sicherheitsabstand von 4 mm. Die anschließende Wundheilung verlief komplikationslos, so dass wir den Patienten bei sanatio per primam intentionem am siebten postoperativen Tag in die ambulante Nachsorge entlassen konnten. Abbildung 6 dokumentiert das Ergebnis drei Monate postoperativ.
Diskussion
Die im Kopf- und Halsbereich auftretenden malignen Hauterkrankungen sind vorwiegend ultraviolett (UV)-induziert. Hierzu zählen nicht-melanozytäre Malignome, wie Basalzell- (BCC) und Plattenepithelkarzinome (PEC), sowie maligne Melanome.
Das von entarteten Keratinozyten stammende PEC, auch als Spinaliom bezeichnet, zählt nach dem BCC zu den zweithäufigsten malignen Hauttumoren. Seine Inzidenz ist ansteigend und liegt aktuell laut dem 133. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie aus dem Jahr 2016 bei 75 Fällen pro 100.000 Personen [133. Kongress der DGC 2016]. Ein fortgeschrittenes Alter, Hellhäutig-, Blauäugig- und Rothaarigkeit sowie das männliche Geschlecht sind als Risikofaktoren bekannt [Kraft und Granter, 2014; Feller et al., 2016].
Bei Hellhäutigen sind die Kopf- und Halsregion mit 65 Prozent am häufigsten von einem PEC betroffen, wohingegen es bei Dunkelhäutigen nur zu 35 Prozent in diesen Bereichen auftritt. In direktem Zusammenhang mit dem Erkrankungsrisiko steht dabei auch die kumulative Sonnenexposition [Kraft und Granter, 2014].
Im Gegensatz zu akuten UV-bedingten Hautschäden, wie solaren Erythemen, die für die Entstehung von BCC verantwortlich sind, sind chronisch UV-bedingte Hautschäden für die Bildung von PEC und deren Vorläufer in Form einer solaren Elastose, aktinischen Keratose, Lentigo oder im fortgeschrittenen Stadium eines Morbus Bowen als Carcinoma in situ (CIS) verantwortlich [Kraft und Granter, 2014; Feller et al., 2016].
Während BCC molekulare Veränderungen im Hedgehog-Signalweg zeigen, zeichnen sich PEC durch UV-induzierte Mutationen in mehreren Genen aus. So spiegelt der auf molekularer Ebene stattgefundene pathologische Mechanismus den histologischen Tumortyp wieder. Dabei bewirkt UVB-Strahlung in der Epidermis die Bildung hochreaktiver Sauerstoffradikale.
Diese können zur Bildung von Onkogenen beisteuern, beziehungsweise Tumor-Suppressor- sowie Checkpoint-Gene des Zellzyklusses inaktivieren und somit eine unkontrollierte Zellproliferation ermöglichen, eine notwendige DNA-Reparatur verhindern, sowie die zelluläre Immunabwehr beeinträchtigen.
Auch gilt eine Immunsuppression als wichtiger Auslöser von PEC, weshalb bis zu 50 Prozent aller Langzeit-Immunsupprimierter ein PEC mit deutlich agressiverem Wachstumsverhalten entwickeln.
Ähnliches gilt für HIV-Infizierte. Weitere Risikofaktoren sind ionisierende Strahlungen, chronische Hautentzündungen, vorhandenes Narbengewebe, Infektionen mit humanen Papillomaviren (HPV), aber auch bestimmte Chemikalien, wie Arsen oder Teer [Kraft und Granter, 2014].
PEC werden nach der aktuellen TNM-Klassifikation der 8. Auflage der Union for International Cancer Control (UICC) klassifiziert. Dabei lässt sich eine Hochrisikogruppe abgrenzen. Hierzu zählen PEC mit einer Größe über 2 cm, einer Dicke über 2 mm, einem perineuralen Befall, einem bereits stattgefundenen Lymphabfluss oder Gefäßbefall, ferner spezielle Subtypen (wie desmoplastische oder adenosquamöse Karzinome), eine schlechte Differenzierung, bei Immunsupprimierten, wie bei einer HPV-Infektion oder einer Lokalisation an Ohr oder Lippe. Des Weiteren gehören dazu nicht in sano resezierte, gehäuft zu Rezidiven neigende sowie Tumorgene exprimierende (zum Beispiel epidermal growth factor receptor) PEC [Nuño-González et al., 2012].
Histologisch stammt das PEC aus Stamm- und Vorläuferzellen des Stratum basale der Epidermis. Die zwischen Epidermis und Dermis liegende Basalmembran spielt eine wichtige Rolle bei der zur Metastasierung neigenden PEC.
Sie verhindert zunächst das Eindringen des Tumors in die Dermis. Im fortgeschrittenen Stadium setzt dann ein Kollagenabbau in der Basalmembran ein. Dieser wird vor allem durch die Matrixmetalloproteinase-2 (MMP-2), die vermehrt in PEC-Zellen exprimiert wird, gesteuert [Feller et al., 2016]. In der Regel tritt eine Metastasierung in <5 Prozent auf, in der Hochrisikogruppe kann diese jedoch auf bis zu 38 Prozent ansteigen [Nuño-González et al., 2012].
Die in sano-Resektion des PEC ist die Therapie der Wahl. Bei nicht in sano resezierbaren Tumoren oder inoperablen Patienten sollte eine adjuvante Strahlentherapie als Behandlungsmethode erfolgen. Alternative Therapieverfahren wie die Kryo-, Laser-, photodynamische sowie lokale medikamentöse Therapie (zum Beispiel Imiquimod oder 5-Fluorouracil) sollten Einzelfällen vorbehalten bleiben.
Bei PEC mit hohem Metastasierungsrisiko ist gegebenenfalls eine Sentinel-Lymphknotenbiopsie erforderlich. Bei klinischem und radiologischem Verdacht auf eine Lymphknotenmetastasierung sollte ebenso, wie bei einer bereits manifestierten, eine therapeutische Lymphadenektomie durchgeführt werden.
Im Falle von PEC mit niedrigem Metastasierungsrisiko ist diese jedoch nur selten indiziert. Gegenwärtig ist eine adjuvante Chemotherapie bei PEC keine Standardtherapie [Kurzleitlinie - Plattenepithelkarzinom der Haut, Update, 2012].
Glücklicherweise zeigte sich in unserem Fall das linke Auge nicht befallen, so dass dieses erhalten werden konnte. Die Resektion erfolgte in sano unter Erhalt der restlichen Gesichtsmotorik mit Ausnahme des bereits tumorbedingt vorgeschädigten Stirnastes des N. facialis. Darüber hinaus verbleibt der Patient in der regelmäßigen Tumornachsorge.
Fazit für die Praxis
Zu den häufigsten UV-induzierten malignen Hauterkrankungen zählen in absteigender Reihenfolge das BCC, PEC sowie das maligne Melanom.
Die Inzidenz des PEC ist weiter ansteigend und liegt aktuell bei 75 Fällen pro 100.000 Personen.
Ein fortgeschrittenes Alter, Hellhäutig-, Blauäugig- und Rothaarigkeit sowie das männliche Geschlecht stellen die höchsten Risikofaktoren für PEC dar. Die individuelle kumulative Sonnenexposition steht in direktem Zusammenhang mit dem Erkrankungsrisiko.
PEC werden nach der TNM-Klassifikation eingeteilt.
In der Regel liegt die Metastasierung bei <5 Prozent, kann jedoch bei PEC der Hochrisikogruppe bis auf 38 Prozent ansteigen.
Bei bestehender Operabilität ist in sano-Resektion gegenwärtig die Therapie der Wahl, eine adjuvante Chemo- oder Strahlentherapie ist gegenwärtig keine Standardtherapie.
Felix Paulßen von Beck
Dr. med. Dimitrios Papadimas
Priv.-Doz. Dr. med. Dr. med. dent. Thomas Mücke
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische und ästhetische Operationen
Malteser Krankenhaus St. Josefshospital Uerdingen
Kurfürstenstr. 69, 47829 Krefeld-Uerdingen
Felix.Paulssen@malteser.org
Literatur:
Feller L, Khammissa RA, Kramer B, Altini M, Lemmer J. Basal cell carcinoma, squamous cell carcinoma and melanoma of the head and face. Head Face Med. 2016; 12: 11.
Kraft S, Granter SR. Molecular pathology of skin neoplasms of the head and neck. Arch Pathol Lab Med. 2014; 138(6): 759-787.
Kurzleitlinie - Plattenepithelkarzinom der Haut, Update 2012, Breuninger H, Eigentler T, Bootz F, Hauschild A, Kortmann RD, Wolff K, Stockfleth E, Szeimies RM, Rompel R, Tischendorf L, Becker JC, Löser C, Vordermark D, Pistner H, Garbe C, Grabbe S, S2k-Leitlinie 032/022: Plattenepithelkarzinom der Haut aktueller Stand: 12/2013
Nuño-González A, Vicente-Martín FJ, Pinedo-Moraleda F, López-Estebaranz JL. High-risk cutaneous squamous cell carcinoma. Actas Dermosifiliogr. 2012; 103(7): 567-578.