Besonderer Fall mit CME

Multiple trichilemmale Zysten der Kopfhaut

Christoph Renné
,
Christian Walter
Ein 24-jähriger, ansonsten gesunder Mann mit blander allgemeiner Anamnese wurde über seine Friseurin auf multiple Veränderungen auf der Kopfhaut mit einem Durchmesser von bis zu über drei Zentimetern aufmerksam gemacht – mit dem Hinweis, dass man diese entfernen könne.

Dem Patienten waren diese Veränderungen über mehrere Jahre bekannt: Sie hätten kontinuierlich an Größe zugenommen, würden aber in aller Regel keine Beschwerden verursachen. Lediglich beim Kämmen habe er sich selbst Verletzungen zugezogen. Zur Kaschierung dieser Veränderungen trug er meist eine Kopfbedeckung.

Bei der klinischen Untersuchung fielen insgesamt vier halbkugelige Veränderungen auf, wobei die größte einen Durchmesser von etwa 3 cm aufwies (Abbildung 1), die kleinste hatte einen Durchmesser von unter 1 cm. Die betreffende Haut schien unauffällig zu sein. Von der Konsistenz waren die halbkugeligen Veränderungen allesamt sehr hart. Die kleineren waren klar verschieblich, die größeren nur marginal. Die Haut selber oberhalb der Raumforderungen war nicht verschieblich. Druckdolenz bestand nicht.

In Lokalanästhesie wurde eine Inzision durchgeführt und die Veränderungen wurden vom umliegenden Gewebe stumpf abpräpariert (Abbildung 2).

Die histopathologische Untersuchung (Abbildung 3) der eingesandten Gewebe ergab in allen vier Fällen das Vorliegen einer trichilemmalen Zyste. Im weiteren Verlauf kam es zu einer reizfreien Abheilung, der Patient ist beschwerdefrei und verzichtet mittlerweile auf seine Baseballkappe.

Diskussion

In der Haut können unterschiedliche Zysten entstehen, die in aller Regel unter dem Oberbegriff Atherom gruppiert werden. Diese Zysten gehen von der Epidermis oder den Hautanhangsgebilden aus. Die Zysten werden in unterschiedliche Gruppen unterteilt: piläre Zysten, die Haarkeratin enthalten, epidermale Zysten, die epidermales Keratin enthalten, und Dermoidzysten, die in ihrer Zystenwand Plattenepithel, Haarfollikel und Talgdrüsen enthalten [Riede UN, Schäfer HE, 1995].

Der Patient im vorgestellten Fall hatte multiple trichilemmale Zysten – also Zysten aus der Gruppe der pilären Zysten, die ihren Ursprung in den Hautanhangsgebilden finden.

Neben diesen Begriffen werden synonym die Begriffe Atherom, Trichilemmzyste, Trichilemmalzyste, Pilarzyste und umgangssprachlich auch Grützbeutel, Balggeschwulst, Talgzyste und Grießknoten genutzt. 

Etwa 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung weisen derartige Zysten auf [Laumann AE, 2017], wobei über 90 Prozent der Zysten im Bereich der behaarten Kopfhaut liegen. Diese wiederum machen einen Großteil aller dermalen Zysten aus [Laumann AE, 2017]. Weitere Lokalisationen der trichilemmalen Zysten sind die Extremitäten und die Genitalregion.

Trichilemmale Zysten finden sich intradermal oder subkutan. Sie sind vornehmlich 0,5 bis 5 cm groß, können aber auch weit größere Ausmaße annehmen. Sie imponieren als glatte kugelige Schwellung. Bei additiver Entzündung kann das Areal rötlich verändert aussehen, gegebenenfalls kommt es zur Ruptur, so dass der Befund dann palpatorisch häufig weicher anmutet. Im Vergleich zu Epidermalzysten weisen diese Zysten keinen Porus auf, das heißt, die darüber liegende Haut ist intakt. 

In der Regel sind sie benigne und treten mit 70 Prozent meist multipel und sporadisch auf, können aber auch, bei dann autosomal dominantem Erbgang, familiär gehäuft auftreten. Frauen sind häufiger betroffen [Laumann AE, 2017]. 

Bei 2 Prozent  der trichilemmalen Zysten führt die Proliferation einzelner Zellen zur Entwicklung eines Tumors, der sogenannten proliferierenden trichilemmalen Zyste. Durchmesser von 25 cm wurden für diese partiell ulzerierenden Tumore beschrieben. In seltenen Fällen kommt es zu einer malignen Transformation mit lokal infiltrierendem Wachstum und Bildung von Metastasen [Weiss J et al., 1995]. Ebenfalls beschrieben ist das seltene Auftreten von Merkelzellkarzinomen, die in trichilemmalen Zysten entstanden sind [Su W et al., 2008].

Fazit für die Praxis

  • Trichilemmale Zysten finden sich intradermal oder subkutan und imponieren als kugelige Schwellung, zu über 90 Prozent im Bereich der behaarten Kopfhaut.

  • Differenzialdiagnostisch muss an Zylindrome, an proliferierende trichilemmale Zysten und an Epidermalzysten gedacht werden.

  • Therapeutisch werden trichilemmale Zysten chirurgisch exzidiert. Bei kompletter Entfernung kommt es in aller Regel zu keinem Rezidiv.

Differenzialdiagnostisch ist an Zylindrome [Walter C et al., 2017], an proliferierende trichilemmale Zysten und an Epidermalzysten zu denken.

Therapeutisch werden die trichilemmalen Zysten chirurgisch exzidiert. Bei Entfernung des kompletten Zystenbalgs kommt es in aller Regel zu keiner Rezidivierung. 

Im vorliegenden Fall lagen multiple trichilemmale Zysten vor, die weder einen soliden Wuchs als trichilemmaler Tumor noch eine maligne Transformation aufwiesen und sich komplikationslos entfernen ließen, so dass von keiner Rezidiventwicklung auszugehen ist.

Prof. Dr. Dr. Christian Walter

Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie

Mediplus, Haifa Allee 20

55128 Mainz

walter@mainz-mkg.de

PD Dr. Christoph Renné

Fachärzte für Pathologie

Gemeinschaftspraxis Wiesbaden

Ludwig-Erhard-Str. 10

65199 Wiesbaden

Literaturverzeichnis

1. Riede UN, Schäfer HE. Allgemeine und spezielle Pathologie. Stuttgart, New York: Thieme; 1995.

2. Laumann AE. Trichilemmal cyst (pilar cyst) 2017 [Available from: emedicine.medscape.com/article/1058907-overview.

3. Weiss J, Heine M, Grimmel M, Jung EG. Malignant proliferating trichilemmal cyst. J Am Acad Dermatol. 1995;32(5 Pt 2):870-3.

4. Su W, Kheir SM, Berberian B, Cockerell CJ. Merkel cell carcinoma in situ arising in a trichilemmal cyst: a case report and literature review. Am J Dermatopathol. 2008;30(5):458-61.

5. Walter C, Kirschner U, Renne C. Zylindrom der Kopfhaut. ZM. 2017;107(13):46-8.

PD Dr. Christoph Renné

Fachärzte für Pathologie
Gemeinschaftspraxis Wiesbaden,
Ludwig-Erhard-Strasse 100,
65199 Wiesbaden

Prof. Dr. Dr. Christian Walter

medi+ Zahnärztliche Praxisklinik
Haifa-Allee 20, 55128 Mainz
und
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – plastische Operationen, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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